Halo Infinite geht einen Weg, den, sollte er am Ende mit Gold gepflastert sein. auch die Konkurrenz beschreiten sollte.
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Ein Vorbild fürs ganze Genre
Da haben Microsoft und 343 Industries diese Woche ja mal für einen Knall gesorgt: Zum 20. Geburtstag der Xbox und von Halo haben sie den kostenlosen Multiplayer von Halo Infinite mehr als drei Wochen vor dem geplanten Release am 8. Dezember veröffentlicht. Ok, es handelt sich offiziell um eine Beta, aber das Spiel ist inhaltlich vollständig, es läuft sehr sauber und es macht riesig viel Spaß. Für mich ist Halo Infinite jetzt schon nicht nur der beste Multiplayer-Shooter des Jahres, sondern gar seit langer Zeit. Und dann ist das Ding auch noch gratis spielbar – und damit etwas, dass sich andere Hersteller unbedingt zum Vorbild nehmen sollten.
Zugegeben, aktuell ist der Battle Pass, der Geld in die Kassen spülen soll, noch nicht ideal. 343 hat sich für ein System entschieden, bei dem ihr nur dann Erfahrungspunkte erhaltet, wenn ihr bestimmte Challenges meistert. Rein für Abschüsse, erfüllte Ziele in den Matches oder auch schlicht abgeschlossene Partien gibt es gar nichts. Dadurch levelt man den Battle Pass nur sehr langsam auf, was alles andere als befriedigend ist – selbst dann, wenn man sich die Premiumvariante kauft und somit einen zusätzlichen Slot für wöchentliche Herausforderungen hat. 343 muss hier was ändern, wenn man die Spieler nicht demotivieren möchte. Ansonsten ist das Geschäftsmodell vortrefflich – und abgesehen von den fehlenden Einstiegskosten identisch mit dem, was wir heutzutage aus Call of Duty oder dem frisch erschienenen Battlefield 2042 kennen.
Fast gleiche Geschäftsmodelle
Das führt mich zum eigentlichen Thema: 343 und Microsoft bieten den kompetitiven Mehrspielerteil von Halo Infinite kostenlos an, nur für die Kampagne müsst ihr Geld bezahlen (natürlich den Vollpreis). Der Multiplayer soll sich allein durch den Battle Pass und den In-Game-Shop finanzieren, in dem ausschließlich Kosmetik angeboten wird. Kommende Maps und Spielmodi werden allesamt gratis sein.
Werfen wir einen Blick rüber zu Battlefield 2042, fällt auf: Minus den Kaufpreis hat es das gleiche Geschäftsmodell wie Halo Infinite. Auch hier gibt es einen Battle Pass und In-Game-Shop mit kosmetischen Items. Nun kann DICE hier keine Kampagne für 60 bis 70 Euro separat verkaufen, weil es die diesmal gar nicht gibt. Aber was spricht dagegen, Battlefield 2042 einfach als Free-to-Play-Titel zu vermarkten?
Ich sehe natürlich ein, dass die Entwicklung eines Spiels mit diesem technischen Aufwand viel Geld kostet und man sich als Publisher dadurch, dass jeder Spieler erstmal den Vollpreis bezahlen muss, um es zocken zu können, absichern kann. Selbst wenn man gar kein Geld im In-Game-Shop lässt, hat man Electronic Arts Umsatz beschert, weil man Battlefield 2042 gekauft hat.
Microsoft riskiert was
Umgekehrt geht Microsoft mit Halo Infinite durchaus ein Wagnis ein. Die Halo-Marke ist groß, keine Frage. Viele Spieler wird Infinite finden. Allein die Integration in den Xbox Game Pass hätte die Spielerzahlen vervielfacht, die der Titel als reines "Zahl 70 Euro oder du musst draußen bleiben"-Produkt hätte erreichen können. Das Free-to-Play-Modell dürfte noch wesentlich mehr Interessenten anlocken. Nur wie viele von denen geben dann auch Geld aus?
Erfahrungsgemäß tätigt nur ein Bruchteil der Spieler In-Game-Käufe und der Großteil davon wiederum dürfte sich nur die Premiumvariante vom Battle Pass einer jeden Saison holen, in der man aktiv zockt. Die Allerwenigsten werden zu den sogenannten "Walen", die regelmäßig im Shop einkaufen und große Summen investieren. Microsoft muss vor allem auf jene Leute hoffen. Immerhin: Der kostenlose Multiplayer könnte als Lockmittel fungieren, um so einige Leute doch noch dazu zu bewegen, sich die Kampagne zu kaufen.
Nun müssen wir aber auch ganz ehrlich sein: Dass Free-to-Play-Spiele finanziell erfolgreich sein können, auch wenn nur kosmetische Inhalte verkauft werden, ist ja keine Erkenntnis, die wir anhand von Halo Infinite erst noch gewinnen müssen. Valorant, Apex Legends, Fortnite: Sie alle verfolgen genau jenes Modell und fahren damit exzellent (und das sind nur die großen Vertreter aus dem Shooter-Genre).
Warzone hats schon vorgemacht
Halo Infinite ist nun eben der erste AAA-Titel, der eine klare Trennung zwischen Kampagne und Mehrspieler vollzieht. Wenn ihr mich fragt, könnten den Schritt auch Battlefield und Call of Duty gehen. Letzteres ist ja immerhin schon zu einem kleinen Teil in Free-to-Play-Gefilden unterwegs: Der 2020 eingeführte Battle-Royale-Modus Warzone ist seit Anbeginn kostenlos spielbar. Ihr müsst weder Modern Warfare noch Black Ops – Cold War noch das neue Vanguard kaufen, um euch aktuell noch in Verdansk und bald Caldera dem Kampf ums Überleben zu stellen – und Activision verdient sich damit trotzdem ein goldenes Näschen.
Warum also nicht künftig auch den normalen Multiplayer eines Call of Duty gratis spielbar machen? Auch da gibt es ja den Battle Pass und In-Game-Shop. Und für den Zombie-Modus gilt das Gleiche. Nur wäre es fair, die Kampagne allein für 70 Euro zu verkaufen? So viel Geld für ein vier bis fünf Stunden langes Actionfest ohne Wiederspielwert? Das würde ich nicht zahlen wollen. Ok, vielleicht verknüpft man das dann doch mit dem Zombie-Modus, der zumindest in Black Ops – Cold War richtig aufwendig und umfangreich ist. Aber warum ich noch für den normalen Multiplayer eines Call of Duty jedes Jahr erneut zur Kasse gebeten werde (selbst wenn mich Kampagne und Zombiegeschnetzel gar nicht interessieren), ist für mich spätestens ab jetzt, wo Halo Infinite da ist, nicht akzeptabel.
Bei Battlefield gilt das Gleiche. EA und DICE sind ja nicht mal so weit gegangen, dass sie analog zu Call of Duty: Warzone den "Hazard Zone"-Modus von Battlefield 2042 kostenlos anbieten. Wer nur den spielen möchte, muss sich trotzdem das Gesamtpaket kaufen. Jedem, der eine solche Erfahrung sucht (einzelne kleine Teams auf großen Maps, KI-Gegner und Permadeath-Mechanik), würde ich raten, zu Hunt: Showdown zu greifen. Das ist zwar auch nicht gratis spielbar (trotz In-Game-Shop), kostet aber nur knapp 30 Euro (und hat weitaus weniger Probleme als Battlefield 2042).
Wir sind ja schon vorangekommen, aber noch nicht am Ende des Weges
Ich finde es ja echt klasse, dass wir mittlerweile größtenteils (ich gucke dich an, Back 4 Blood) davon weggekommen sind, dass man sich als Fan eines Multiplayer-Shooters noch DLC-Pakete mit neuen Modi und Maps kaufen muss, wenn man nirgendwo ausgeschlossen werden möchte. Solche Zusatzinhalte werden heutzutage einfach mit dem Verkauf von kosmetischen Items finanziert. Aber auch da muss ich eben wieder an Apex Legends und Co denken, die das genauso handhaben und zusätzlich zum kostenlosen Download bereitstehen.
Nun könnte man noch das Argument aufbringen, dass Call of Duty und Battlefield zu aufwendig sind, als dass sie als Free-to-Play-Titel finanzierbar wären. Das halte ich jedoch für Humbug: Apex Legends ist zu seinem Release im Jahr 2019 alles andere als technisch veraltet gewesen und hat auch nicht den Eindruck hinterlassen, ein Billigprodukt zu sein. Klar, ein Valorant hat keine Spitzengrafik, aber das ist an der Stelle von Riot ja auch vollkommen beabsichtigt. Das Studio hätte garantiert ein hübscheres Spiel gemacht, wenn es nicht darauf abgezielt hätte, dass es auf jedem noch so schwachen PC gut läuft.
Halten wir also fest: Wenn Halo Infinite mit seinem Modell ein voller Erfolg werden sollte (und daran glaube ich ganz fest), dann haben EA, Activision und Hersteller anderer Multiplayer-Shooter in Zukunft eigentlich keine Ausrede mehr, warum deren Titel nicht auch kostenlos spielbar sein sollten, wenn ansonsten alles so bleibt, wie wir es kennen. Jeder Battlefield- und "Call of Duty"-Mehrspieler, für den ich dann noch den Vollpreis bezahlen muss, würden den – böse formuliert – nur aus einem einzigen Grund kosten: Gewinnmaximierung beziehungsweise Geldgier.