Warner Bros. Versuch, mit MultiVersus all denjenigen ohne Nintendo-Konsole eine "Super Smash Bros."-Alternative zu bieten, ist erfolgreich geglückt. Es gibt aber derzeit auch noch ein großes Problem.
MultiVersus: Darum ist es so beliebt
Seit 1999 begeistert Nintendo seine Fans mit Super Smash Bros., einer Prügelspielreihe, die sich stark von sonstigen Genrevertretern unterscheidet. Hier geht es nicht darum, die Lebenspunkte des Gegners zu eliminieren, sondern ihn mit voller Wucht aus der Arena zu befördern – und in der Regel treten nicht zwei Spieler gegeneinander an, sondern ganze Gruppen. Diverse Entwickler haben in der Vergangenheit versucht, dieses Erfolgsrezept zu kopieren und es Leuten ohne Nintendo-Hardware schmackhaft zu machen. Erinnern wir uns nur mal an PlayStation All-Stars Battle Royale, dem nicht viel Erfolg vergönnt war. Ubisoft hat mit Brawlhalla seit einigen Jahren eine solide Alternative für PC- und Konsolenspieler im Angebot, die über 80 Millionen registrierte Spieler zählt. Blöd für die Franzosen: Brawlhalla hat ím Juli mit MultiVersus einen großen Konkurrenten erhalten – und der hat einen ziemlich starken Start gehabt.
MultiVersus ist sozusagen Super Smash Bros. mit Charakteren aus dem Hause Warner Bros. Entertainment. Die Entwickler können somit aus einem breiten Portfolio sehr unterschiedlicher Figuren schöpfen. Immerhin ist Warner Bros. eines der größten Medienunternehmen der Welt, zudem DC Comics, mehrere Fernsehsender und Filmstudios gehören. Der Entwickler Player First Games hat bislang 17 spielbare Kämpfer implementiert, darunter Batman, Superman, Bugs Bunny, Tom und Jerry und ja, auch LeBron James (der zweite "Space Jam"-Film macht's möglich). Und für die Zukunft gibt es noch so viele potenzielle Neuzugänge. Zum Beispiel könnte man allein schon mit der kompletten Charakterriege von "Game of Thrones" das Spiel monatelang mit neuen Inhalten versorgen.
Seit dem 19. Juli befindet sich MultiVersus auf dem PC, der PS5, PS4, Xbox Series X/S und Xbox One in der Open Beta. Genau wie Brawlhalla ist es ein Free-to-Play-Titel, so dass jeder Interessierte kostenlos reinschnuppern kann. Zumindest per Steam haben das sehr viele Leute gemacht (für die Konsolenversionen liegen uns keine Zahlen vor). Ein Blick auf Steamcharts offenbart, dass der bisherige Rekord an zeitgleich aktiven Spielern bei 153.044 Leuten liegt. Das ist zwar noch weit entfernt von den Werten eines PUBG: Battlegrounds, Counter-Strike: Global Offensive oder Dota 2, aber dennoch sehr beachtlich. Im Durchschnitt sind fast 68.000 Spieler zeitgleich damit beschäftigt, sich mit anderen Spielern oder der KI in den bunten Arenen zu messen – und in den Abendstunden sind es seit dem 27. Juli (vorher durften sich nur Käufer eines Gründerpakets virtuell prügeln) immer deutlich über 100.000.
Die meisten Spieler mögen MutiVersus
Nun ist es für ein halbwegs namhaftes Free-to-Play-Spiel (was MultiVersus aufgrund der starken Lizenzen definitiv ist) keine große Kunst, zum Start auf hohe Spielerzahlen zu kommen. Es kostet ja nichts, ihm mal eine Chance zu geben. Wichtig ist, dass die Leute am Ball bleiben und das Spiel gute Rezensionen erhält. Ersteres lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht einschätzen, dafür ist es zu früh. Was die Stimmung der Community betrifft, sieht es aber ziemlich gut aus. Von den über 39.000 Nutzer-Reviews auf Steam sind satte 90 Prozent positiv. Player First Games scheint also einiges richtig gemacht zu haben. Wir durften schon im Mai in das Spiel schnuppern und waren ebenfalls positiv angetan.
Auf Steam finden sich einige Lobesarien auf MultiVersus. Frizy zum Beispiel beschreibt es als "frischen Wind" für sich selbst, weil er bis auf Nickelodeon All-Star Brawl nichts mit Spielen dieser Art zu tun gehabt habe. Der Konkurrenztitel habe ihn aber nicht überzeugen können, ganz im Gegensatz nun zu MultiVersus: "Die Charaktere aus meiner Kindheit in so schöner Form zu sehen, ist für mich wirklich fantastisch." Ihre Move-Sets, Animationen und Sprüche seien für Frizy Volltreffer. Auch lobt er den Soundtrack und das Perk-System, das für mehr Spieltiefe sorge.
Rhyagelle ist ebenfalls begeistert. "Es macht extrem viel Spaß, genau wie Smash Bros., aber mit Warner-Bros.-Inhalten und auf dem PC und es unterstützt Crossplay. […] Das Gameplay ist sehr geschmeidig und reagiert sehr gut auf eure Eingaben." Sexy David Main mache es sogar mehr Spaß als Super Smash Bros. Ultimate.
Balance? Fehlanzeige!
So viel Lob MultiVersus aber auch einfährt, es gibt auch einiges an Kritik. Einzelnen Leuten wie Tendor_TV gefällt das Gameplay nicht. Für ihn sei es "sehr clunky und eklig" aufgrund eines ungenauen Movements. Kitama schreibt, dass das Spieltempo zu langsam sei und Eingaben nicht immer erkannt werden. Er sei maßlos enttäuscht, weil er sich sehr auf einen guten "Smash Bros."-Nachahmer für den PVC gefreut habe.
Doch selbst in positiven Reviews finden sich Kritikpunkte, allen voran die Balance der Charaktere. Ganz besonders Taz (der tasmanische Teufel) stelle derzeit ein großes Problem dar. Seine Tornado-Fähigkeit lasse sich einfach spammen und sei so stark, dass man als Gegenspieler nichts dagegen ausrichten könne. Und nun stellt man sich mal vor, ihr tretet in einem 2-gegen-2 an und beide Kontrahenten wählen Taz. Der "Looney Tunes"-Charakter wird so oft als Negativbeispiel in den Steam-Reviews genannt, dass es offensichtlich ist, dass die Entwickler hier schnell für Besserung sorgen müssen.
Aber allgemein habe das Team hinter MultiVersus viel zu tun, wenn es für eine ausgeglichene Balance sorgen möchte. Der Steam-Nutzer colbythegeek, der eine positive Review verfasst hat, schreibt darin trotzdem, dass das Spiel derzeit noch gar keine Balance habe: "Manche Charaktere sind so schlecht in jeder Situation, dass es keinen Grund gibt, sie zu wählen, während andere so übermächtig sind, dass ihr dumm wärt, sie nicht zu nehmen." Es gebe keine Figuren, die dazwischen liegen.
Nun dürfen wir nicht vergessen, dass wir hier noch von einer Open Beta sprechen. Gut, das mag aus der Shop-Seite auf Steam nicht hervorgehen, weil MultiVersus nicht als Early-Access-Spiel eingetragen ist. Und irgendwo ist es bei einem Free-to-Play-Spiel doch auch irrelevant, ob es nun noch in einer öffentlichen Testphase oder offiziell erschienen ist – gerade dann, wenn der Hersteller damit schon Geld verdienen möchte. Die Open Beta wird irgendwann in das "finale" Spiel fließend übergehen, das als Service Game eh niemals "fertig" sein wird, weil ja (hoffentlich) ständig neue Inhalte geliefert werden. Aber wie heißt es so schön? Im Zweifel für den Angeklagten. Dass die Balance in einer Beta noch nicht ideal ist, ist nichts Ungewöhnliches. Wenn sie in diesem Fall aber tatsächlich so schlecht sein sollte, wie die Spieler es beschreiben, sollte es die oberste Priorität der Entwickler sein, dieses Problem zu fixen. Ansonsten riskieren sie es, dass ihnen die Spieler massenweise schnell wieder davonrennen.
Das Geschäftsmodell – Fair oder nicht?
Was die Monetarisierung betrifft, sind sich die Steam-Nutzer recht uneinig. Für colbythegeek wirke es so, als dass der Hersteller euch nicht so sehr dazu drängt Geld auszugeben wie manch andere. Alle Charaktere lassen sich mit Münzen, der normalen Spielwährung, freischalten und er habe nach drei Stunden Spielzeit genug davon gehabt, um sich eine Figur zu sichern. Zudem sind fünf der Kämpfer eh für jeden Spieler uneingeschränkt nutzbar (wobei es hier eine Rotation gibt) und man darf auch nicht vergessen, dass ihr im Singleplayer und lokalen Multiplayer (ja, den hat MultiVerse tatsächlich) mit allen Charakteren gratis spielen dürft.
Das klingt eigentlich alles ziemlich fair, doch manch einer stört sich trotzdem an dem Geschäftsmodell. Rhyagelle spricht von einem "massiven Grind", wenn man innerhalb einer Woche mehrere Figuren freischalten möchte, ohne dafür Geld zu investieren. Nun dürfte es jedoch schwer fallen, ein Free-to-Play-Spiel mit ähnlichem Modell zu nennen, bei dem man innerhalb weniger Tage mehrere Charaktere (oder Panzer oder Kriegsschiffe und was es da noch alles gibt) kostenlos freispielen kann. Klar wäre es schöner, man hätte es in MultiVersus so gehandhabt wie Valve bei Dota 2. In dem MOBA habt ihr zu jeder Zeit Zugriff auf alle Helden und zahlt nur für Kosmetik. Aber damit ist es eine Ausnahme. In League of Legends, Valorant oder auch Apex Legends müsst ihr euch Charaktere wie in MultiVersus nach und nach erspielen. Solange die Spielbalance stimmt, ist das auch kein Problem in einem Free-to-Play-Spiel. Im Idealfall findet man eh recht schnell einen Recken, mit dem man sehr gut umgehen kann, und bleibt dem dann größtenteils treu. Tja, wenn nun aber die Balance wie in MultiVersus nicht das Gelbe vom Ei ist, ist das schon problematisch. Auch in dieser Hinsicht kann man Player First Games nur empfehlen, schnell übermächtige Figuren wie Taz zu nerven und schwache Charaktere zu buffen.