Nicht jedes schlechte Spiel macht alles falsch. Wir stellen euch Games vor, in denen sich zwischen vielen Kritikpunkten auch mal ein gutes Feature findet.
Schlechte Spiele, gute Features
Blicken wir mal kurz auf die absoluten Top-Titel der jüngeren Vergangenheit. Da fällt mir zuerst Elden Ring ein: ein grandioses Action-Rollenspiel, From Softwares Magnum Opus. Völlig zurecht haben wir dem knallharten, aber auch enorm befriedigenden Open-World-Abenteuer die Höchstwertung gegeben. Das heißt aber nicht, dass es ein wirklich zu 100 Prozent perfektes Spiel ist. Auch an Elden Ring gibt es Dinge zu kritisieren, allen voran das recht exzessive Asset Recycling. Ein anderes Beispiel? LEGO Star Wars: Die Skywalker Saga – toller Titel, aber warum hat das Ding keinen Online-Koop und was soll dieses fast schon überflüssige Skill-System?
Hmmm, wenn es nun also richtig gute Spiele mit schlechten Features gibt … Müsste es dann nicht auch den umgekehrten Fall geben? Schlechte Games, die aber gute Features haben? Natürlich gibt es den und das nicht selten. Wir haben sieben Spiele ausfindig gemacht, die wir wahrlich nicht empfehlen können, aber doch ihre Stärken haben – na ja, oder zumindest eine einzige.
Alone in the Dark (2008)
Genre: Survival-Horror
Entwickler: Eden Games, Hydravision Entertainment
Publisher: Atari Interactive
Release: 20. Juni 2008
Plattformen: PC, PS3, PS2, Xbox 360, Wii
2008 versuchte Atari, Alone in the Dark zu einem großen Comeback zu verhelfen. In den 90ern begründete die Reihe das Survival-Horror-Genre und wurde dann von Resident Evil und Silent Hill verdrängt. Der französische Entwickler Eden Games (Test Drive Unlimited) sollte es richtigen und die Ambitionen waren groß: eine Story, die wie eine TV-Serie erzählt und inszeniert wird, Nah- und Fernkampf, Crafting, eine Semi-Open-World und Fahrzeugpassagen. Der Cocktail schmeckte am Ende aber ganz schön fad. Dabei hätte mit mehr Talent der Entwickler was Gutes aus diesem Alone in the Dark werden können.
Das Spiel ist mir vor allem aufgrund von zwei Features im Gedächtnis geblieben. Da wäre zum einen das bereits angesprochene Crafting-System. Um Items wie zum Beispiel Molotov-Cocktails herzustellen, wechselt die Perspektive von der Third-Person- in die Ego-Ansicht von Edward Carnby, der seine Jacke öffnet, in deren Innentaschen er die Zutaten aufbewahrt. Das ist eine echt coole Idee gewesen. Eher ein technisches Highlight war damals das Feuer. Noch vor Far Cry 2 (das jedoch im selben Jahr erschienen ist) haben wir in Alone in the Dark Brände gesehen, die sich dynamisch ausgebreitet haben. Heute wäre das nichts Besonderes mehr, aber vor 14 Jahren war es eine technische Innovation.
APB Reloaded (früher APB: All Points Bulletin)
Genre: Actionspiel, Third-Person-Shooter
Entwickler: Reloaded Productions (ehemals Realtime Worlds)
Publisher: Little Orbit
Release: 6. Juni 2010
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Ich weiß noch, wie ich 2009 auf der ersten gamescom war und mir bei Electronic Arts APB: All Points Bulletin angeschaut habe. Ja, damals war noch EA der Publisher und das Ding hätte ja auch … vielleicht etwas Gutes werden können. Die Idee war zumindest cool: Entwickler Realtime Worlds wollte damals im Grunde GTA Online lange vor GTA Online machen. Leider entpuppte sich APB bei Release als extrem ödes Actionspiel mit einer generischen Spielwelt und Missionen ohne jegliche Form von Abwechslung. Und technisch war es auch alles andere als ein Highlight.
ABER: Der Charaktereditor ist fantastisch gewesen. Wie viele Möglichkeiten man damals gehabt hat, seine eigene Spielfigur anzupassen, hat mich echt beeindruckt. Keine Frage, heute gibt es genügend Spiele, die das mindestens genauso gut, wenn nicht sogar noch besser machen. Aber als ich 2010 voller Hoffnung APB ausprobiert und gnadenlos enttäuscht wurde, blieb mir der Editor als einzig positives Feature im Gedächtnis. Es ist fast ein Wunder, dass das Spiel heute noch unter dem Namen APB Reloaded existiert.
SimCity (2013)
Genre: Aufbauspiel
Entwickler: Maxis
Publisher: Electronic Arts
Release: 7. März 2013
Plattformen: PC
SimCity war mal die Referenz der Städtebausimulationen. Das galt bis SimCity 4 aus dem Jahr 2003. Das 2007 erschienene SimCity Societies ging vollkommen unter und ist auch einfach nur Durchschnitt gewesen. Fünf Jahre später sollte ein neuer Teil, der einfach nur SimCity heißt, als Quasi-Reboot die Marke zu alter Stärke zurückführen. Hat's geklappt? Nein, ganz und gar nicht. Die Simulation der Bevölkerung ist ein schlechter Witz gewesen. Ich werde nie vergessen, dass ein Sim abends nach der Arbeit nicht wieder zu dem Zuhause zurückgefahren ist, das er morgens verlassen hat, sondern einfach zum nächstgelegenen Wohngebäude, wo noch Platz gewesen ist. Und dann ist der Bauplatz so arg begrenzt gewesen, das große Städte gar nicht möglich gewesen sind.
In einer Hinsicht ist SimCity aber doch toll gewesen – und damit meine ich nicht den schicken Tilt-Shift-Look. SimCity ist als Online-Spiel konzipiert gewesen. Ja, der Internetzwang war grausig, aber der Multiplayer ist richtig cool gewesen. Man hat in einer Region mit anderen Spielern gezockt und sich dabei gegenseitig unterstützen können, indem man miteinander Handel getrieben hat. Außerdem hat man zusammenarbeiten müssen, um besonders große Bauwerke wie einen Flughafen zu errichten, der dann allen Spielern Vorteile beschert hat. Tja, schade, dass der Rest von SimCity alles andere als Freudensprünge ausgelöst hat. Gott sei Dank haben wir 2015 Cities: Skylines bekommen.
Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin
Genre: Souls-like
Entwickler: Team Ninja
Publisher: Square Enix
Release: 18. März 2022
Plattformen: PC, PS5, PS4, Xbox Series X/S, Xbox One
Ich liebe die Nioh-Spiele von Team Ninja. Deshalb hatte ich Hoffnung, dass auch Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin ein richtig gutes Action-RPG werden würde. Tja, falsch gedacht! Das Ding sieht grafisch schlechter aus als Nioh 1 (das auch schon zu seinem Release keine Schönheit gewesen ist), das Leveldesign ist furchtbar und sogar das Kampfsystem haben die Japaner verbockt.
Einen Volltreffer hat Team Ninja jedoch mit dem Jobsystem gelandet. Über 20 Klassen gibt es in Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin, die ihr nach und nach freischaltet. Ihr könnt dann euren Protagonisten bis zu zwei Jobs zuweisen, zwischen denen ihr während der Action auf Knopfdruck wechselt. Mit verschiedenen Kombinationen zu experimentieren, ist cool und verleiht dem Spiel eine gewisse Tiefe. Es hat Stranger of Paradise angesichts der vielen großen Schwächen aber auch nicht retten können.
Ancestors: The Humankind Odyssey
Genre: Survival-Spiel
Entwickler: Panache Digital Games
Publisher: Private Division
Release: 27. August 2019
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Ancestors: The Humankind Odyssey klang im Vorfeld so vielversprechend: ein Survival-Spiel, in dem man frühe Vorfahren des Homo sapiens spielt, die sich im Verlauf von Millionen von Jahren immer weiter entwickeln – das alles ohne eine richtige Story, ohne klassische Quests, sondern als reine Sandbox-Erfahrung. Doch siehe da: Das Spiel nicht nur repetitiv, sondern weist auch noch so einige Designfehler auf. Warum sollte die Erkundung der Spielwelt Spaß machen, wenn man ständig eine spezielle Sicht aktivieren muss, um sich irgendwelche Icons anzeigen zu lassen, denen man dann hinterherjagt?
Immerhin hat Ancestors: The Humankind Odyssey ein echt cooles Progressionssystem. Statt einem Talentbaum gibt es ein neuronales Netz, über das ihr aktive Fähigkeiten und passive Verbesserungen freischaltet. Damit ihr die nötige neuronale Energie bekommt, müsst ihr Jungtiere auf eure Streifzüge durch die Open World mitnehmen, damit die eben dazulernen. Unglücklicherweise können die Kleinen dabei leicht ins Gras beißen. Wenn ihr es aber mal geschafft habt, genügend Fähigkeiten freizuschalten, ohne dass dabei alle Jungtiere gestorben sind, könnt ihr einen Generationswechsel initiieren. Die Zeit spult 15 Jahre vorwärts, die Jungtiere werden erwachsen und sind stärker als ihre Eltern. Das ist wirklich eine nette Idee, die die Entwickler auch gut umgesetzt haben. Schade nur, dass das für den Rest des Spiels nicht gilt.
Rage 2
Genre: Ego-Shooter
Entwickler: Avalanche Studios, id Software
Publisher: Bethesda Softworks
Release: 14. Mai 2019
Plattformen: PC, PS4, Xbpx One, Stadia
Wenn ein Ego-Shooter ein brillantes Gunplay bietet, sollte man doch eigentlich meinen, dass er ein gutes Spiel ist, oder? Immerhin ist spaßiges Ballern die Kerndisziplin eines solchen Titels. Tja, so ganz hat das im Fall von Rage 2 leider nicht funktioniert. Als ein lineares Abenteuer hätte das vielleicht was werden können. Aber nein, Avalanche Studios (Just Cause, Mad Max) musste ja eine Open World bauen. Die bietet zwar optische Abwechslung, ist darüber hinaus aber öder als die Endzeitwüste, durch die Max Rockatansky rast. Avalanche hat sie mit ausschließlich generischen Aktivitäten zugekleistert. Es gibt nicht eine interessante Nebenmission in Rage 2.
Dazu kommt noch, dass auch die Hauptgeschichte und deren Aufträge reichlich langweilig sind und noch dazu alles andere als umfangreich. Auch das Progressionssystem sorgt nicht dafür, dass man trotzdem Spaß hat, sich durch Gegnerhorden zu schießen. Dabei ist eben dieses Schießen so großartig, speziell mit der Schrotflinte. Die ist eine der besten Waffen ihrer Art, die mir bislang in einem Videospiel untergekommen sind. Aber das Vergnügen endete schnell. Ach, Mann! Es hätte so schön sein können.
Anthem
Genre: Loot-Shooter, Third-Person-Shooter
Entwickler: BioWare
Publisher: Electronic Arts
Release: 22. Februar 2019
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Dass Anthem einer der größten Flops der letzten Jahre ist, muss ich wohl niemandem erklären. BioWare hat sich mit dem Versuch, sein eigenes Destiny zu entwickeln, ganz schön in die Nesseln gesetzt. Das Spiel zeichnet sich durch ein enorm abwechslungsarmes Missionsdesign aus und nutzt seine an sich hübsche Open World so gut wie gar nicht. Dann funktioniert auch noch das Loot-System gar nicht als Motivationsfaktor, weil es zu wenige Waffen gibt, die allesamt langweilig sind.
Es ist so schade, denn das grundlegende Spielgefühl von Anthem ist gut. Das Ballern macht Spaß, vor allem aber hat es mir das Fliegen angetan. In seinem dick gepanzerten Kampfanzug fühlt man sich einfach wie Iron Man, während man durch Schluchten und Täler düst. Kein anderes Spiel hat das so gut rekreiert – nicht mal Marvel's Avengers. Schade, dass BioWare nicht die Chance erhalten hat, Anthem zu reparieren, wie das Team es geplant hatte. Vielleicht hätte der Titel wirklich noch wie einst Destiny (und Destiny 2 und diverse andere Service Games) die Kurve gekriegt. Aber ob das tatsächlich passiert wäre, werden wir leider nie erfahren.