NieR Replicant ver.1.22474487139... ist eine rundum verbesserte Neuauflage, aber ein großer Kritikpunkt bleibt bestehen.
NieR Replicant ver.1.22474487139... im Test: Ein gutes Upgrade
Als 2010 das Action-Rollenspiel NieR für die PlayStation 3 und Xbox 360 erschienen ist, hat sich kaum jemand dafür interessiert und es gab auch nicht viel Lob für den Titel. Beide Versionen haben einen Metascore, der gerade mal im hohen 60er-Bereich liegt. Vor allem das Gameplay und die schon für damalige Verhältnisse veraltete Technik erhielten einiges an Kritik. Aber der Blick auf Metacritic verrät auch: NieR hat Fans, die es sehr lieben. Die Nutzerwertungen betragen nämlich 8.4 für die 360- und sogar 8.6 für die PS3-Fassung.
Heute kann man schon sagen, dass NieR ein Kultspiel ist. Sicherlich auch deshalb erschien 2017 mit NieR: Automata ein Nachfolger, der in den Augen vieler als eines der besten Spiele der jüngeren Vergangenheit zählt. Und weil der so erfolgreich war, ließ Publisher Square Enix eine Neuauflage des ersten Teils entwickeln. NieR Replicant ver.1.22474487139... heißt sie und ja, das ist wirklich der offizielle Name. Sie soll die gleichen Stärken wie das Original in neuem Glanz erstrahlen lassen, indem die Entwickler versucht haben, die Schwächen auszubügeln – und das hat geklappt, zumindest teilweise.
Bessere, aber immer noch nicht zeitgemäße Technik
Wir vermögen gar nicht zu sagen, ob NieR Replicant ver.1.22474487139... nun ein Remake oder Remaster ist. Das fällt uns deshalb so schwer, weil es einerseits inhaltlich nahezu identisch mit dem Original (ein paar neue Zusatzinhalte wie Extra-Dungeons mal ausgenommen) und andererseits grafisch zwar ein großer Fortschritt gegenüber dem Original ist, aber nun auch alles andere als zeitgemäß daherkommt. Sah NieR auf PS3 und Xbox 360 eher wie ein Spiel der PS2-Ära aus, wirkt die neue Fassung für PS4, Xbox One und PC ein wenig wie ein PS3-Spiel.
Klar, NieR Replicant ver.1.22474487139... ist höher aufgelöst und hielt im Test auf der PlayStation 5 die 60 FPS konstant. Es überzeugt auch immer wieder mal mit schönen Lichtstimmungen und in den Kämpfen sorgen reichlich Partikeleffekte für eine gewinnse Dynamik auf dem Bildschirm. Aber eine Schönheit, wie wir sie im Jahr 2021 erwarten würden (auch von einem reinen Last-Gen-Titel), ist das Spiel nun wirklich nicht. Alles in allem bewegt es sich ungefähr auf dem Niveau von NieR: Automata, was ja auch schon vor vier Jahren kein Grafikbrett gewesen ist.
Starke Geschichte mit Anlaufschwächen
Die Fans des Originals werden sich über die Optik vermutlich gar nicht beschweren. Für sie stellt die neue Technik natürlich ein riesiges Upgrade dar. Außerdem haben sie es ja auch schon mit der alten Grafik zu lieben gelernt, weil sie sich vor allem für die Geschichte und ihre Charaktere begeistern konnten. Und daran ändert sich mit NieR Replicant ver.1.22474487139... nichts. Die Handlung ist immer noch die große Stärke des Spiels, auch wenn man das nach den ersten Spielstunden nicht denken mag.
Ihr schlüpft in die Haut von Nier (oder wie auch immer ihr den Protagonisten nennen wollt). Dessen Schwester Yonah leidet an der schweren Runenpest, die tödlich endet, wenn der Held nicht rechtzeitig ein Heilmittel findet. Doch das ist leichter gesagt als getan. Früh im Spiel findet er jedoch ein magisches, sprechendes Buch namens Grimoire Weiss, mit dessen Hilfe er versucht, seine Schwester zu retten. Bis die Story in Fahrt kommt, dauert es aber eine Weile. Das Erzähltempo am Anfang ist sehr langsam, der eigentliche Hauptplot geht lange Zeit nicht über das hinaus, was wir hier beschreiben.
In den ersten Stunden konzentriert sich NieR Replicant ver.1.22474487139... eher darauf, euch die verschiedenen Bereiche seiner Welt und deren Bewohner vorzustellen, anstatt die zentrale Geschichte voranzutreiben. Und so interessant und teilweise überraschend der Rest auch sein mag, ein wenig Durchhaltevermögen müsst ihr schon aufbringen, wenn ihr euch vor allem auf eine spannende Handlung gefreut habt. Aber keine Sorge: NieR Replicant ver.1.22474487139... bietet gleich mehrere Pay-off-Momente, ohne zu viel verraten zu wollen. Und genau wie bei NieR: Automata lohnt es sich, das Spiel mehrfach durchzuspielen.
Linearität wäre besser gewesen
So interessant das Universum von NieR ist, so langweilig ist die Spielwelt aus Game-Design-Sicht. Sie ist zwar keine Open World, sondern besteht aus durch Ladebildschirme voneinander getrennten teils kleineren, teils weitläufigeren Abschnitten, aber auch in dem Fall würden wir erwarten, einen Anreiz zu haben, die Gebiete zu erforschen. Zumindest im Fall der Außenareale fehlt der aber komplett. NieR Replicant ver.1.22474487139... bietet weite Flächen, die schlichtweg leer sind. Außer zahlreichen Gegnern, Wildtieren und hier und da mal einem Item, das aber nur als leuchtender Orb dargestellt wird, gibt es so gut wie nichts zu sehen. Da ist man wirklich heilfroh, wenn man irgendwann die Schnellreisefunktion freischaltet, um nicht mehr länger die immer gleichen, langweiligen Wege laufen zu müssen.
Die 70 Nebenquests sind auch nicht unbedingt ein gutes Argument dafür, dass NieR damals wie heute kein lineares Spiel ist. Ja, manche von ihnen erzählen nette Geschichten und einige schalten nützliche Funktionen wie die Möglichkeit, auf Tieren zu reiten, oder neue Waffen frei. Aber ein Großteil von ihnen sind öde Sammelaufgaben, die nicht mehr Kontext haben als die typischen MMO-Quests.
2021 kämpft es sich deutlich besser
Was sich jedoch stark verbessert hat im Vergleich zum Original, ist das Kampfsystem. Das hat sich mehr oder weniger an NieR: Automata angeglichen. Mit dem Schwert Gegner aufzuschlitzen, macht Spaß, weil es sich sehr flott und flüssig spielt, ganz anders als noch vor elf Jahren. Nur so richtig tiefgehend ist das Ganze nicht. Mit leichten und schweren Angriffen lassen sich zwar unterschiedliche Kombos ausführen und ihr erlernt im Spielverlauf auch immer mehr Zauber, die cool aussehen und sich auch dementsprechend mächtig anfühlen, aber richtig fordernd sind die normalen Kampfbegegnungen so gut wie nie.
Etwas anders verhält es sich mit den Bossen, die zu den Highlights von NieR Replicant ver.1.22474487139... gehören. Die können schon mal etwas anspruchsvoller ausfallen, ohne auf dem normalen Schwierigkeitsgrad aber zu hart zu werden. Vor allem sind sie aber schön abwechslungsreich und durch die Bank weg gut inszeniert.
Ein Spiel, das zu überraschen weiß
Apropos Abwechslung: Wenn ihr nicht gerade durch die offeneren Gebiete lauft und euch wünscht, jeden einzelnen dieser Laufwege überspringen zu können, seid ihr öfters in Dungeons unterwegs, die sehr vielfältig sind. Es gibt zwar nicht enorm viele dieser Orte und Backtracking ist NieR Replicant ver.1.22474487139... nicht fremd, aber was euch in den Dungeons teilweise für Aufgaben erwarten, sorgt schon für richtige Überraschungsmomente.
Das Problem an dieser Stelle für diesen Test: Wir wollen euch eigentlich nichts davon vorwegnehmen, weil ihr all das unvoreingenommen selbst erleben sollt, wenn ihr NieR zum ersten Mal spielt. Glaubt uns einfach, wenn wir sagen, dass wir mehr als zweimal vor dem Fernseher saßen und zu uns selbst sagten: "Oh, cool! Mit so was hätte ich jetzt nicht gerechnet." Und wenn ihr NieR schon damals gespielt habt, dann wisst ihr vermutlich, was wir meinen. Es sei nur so viel gesagt: NieR Replicant ver.1.22474487139... traut sich, auch mal Abstecher in andere Genres zu machen und das gelingt ihm sogar ziemlich gut.
Mit Worten kämpfen
Ein weiterer Pluspunkt ist das Charaktersystem in NieR Replicant ver.1.22474487139..., wenn man es so nennen kann. Ihr sammelt zwar Erfahrungspunkte und steigt nach und nach im Level auf, verteilt aber keine Attributs- oder Talentpunkte. Stattdessen findet ihr immer mehr Worte, die euren Waffen, Kampfkünsten und Zaubern passive Boni verleihen, also etwa deren Schaden erhöhen oder für Zusatzeffekte wie Vergiftung sorgen. Die Auswahl ist groß und da sich die Worte jederzeit austauschen lassen, genießt ihr eine hohe Flexibilität.
Gleiches gilt für die Zauber. Ihr könnt nur eine limitierte Anzahl "ausrüsten", um sie im Kampf einsetzen zu können. Mehr als vier Slots, verteilt auf die Schultertasten, stehen euch dafür nicht zur Verfügung. Wollt ihr dieses Maximum ausreizen, müsst ihr jedoch auf die Verteidigungs- und Ausweichfunktion verzichten – ein interessanter Kniff, der in NieR: Automata nochmal in deutlich ausgeprägterer Form zu finden ist. Neben dem Freischalten von immer mehr Zaubern und Worten sind zudem die vielen Waffen ein Motivationsfaktor, die sich auch mit gefundenen Materialien beim Schmied aufwerten lassen. Anfangs stehen euch nur Einhandschwerter zur Verfügung, später kommen noch Zweihänder und Speere hinzu.
Da hört man gerne zu
Bevor wir zum Fazit kommen, müssen wir noch auf die fantastische Vertonung eingehen. Gut, die Soundeffekte in NieR Replicant ver.1.22474487139... sind nun nichts Besonderes, aber die Sprachausgabe ist fantastisch. Die englischen Sprecher machen zum Großteil einen ausgezeichneten Job. Speziell Liam O'Brien als das etwas mürrische Buch Grimoire Weiss könnten wir ewig zuhören. Immer wieder unterhalten er und Nier sich und diese Dialoge sind zudem auch noch richtig gut geschrieben. So trostlos die Welt wirkt und so dramatisch die Geschichte ja eigentlich ist, so sehr bringen uns die Worte des sprechenden Wälzers immer wieder zum Lachen. Auch Nier selbst, seine Schwester Yonah und die in sich gekehrte, auch gerne mal ausfallend werdende Kainé sind toll vertont. Letztere wird übrigens von Laura Bailey gesprochen, die man unter anderem als Abby aus The Last of Us: Part 2 kennt.
Ein noch größeres Highlight ist der Soundtrack. Kein einziges Musikstück in NieR Replicant ver.1.22474487139... wirkt auch nur irgendwie belanglos. Gerade der Song, der läuft, während ihr auf den Nordfeldern unterwegs seid, hat richtiges Ohrwurmpotenzial. Epische, ernste Momente werden mit passenden Chören unterlegt und im Heimatdorf von Nier gibt es entspannte, sehr idyllische Gitarrenklänge zu hören.
Fazit
Für diejenigen, die das Original gespielt haben und trotz all seiner Macken lieben, können wir es kurz machen: Kauft euch NieR Replicant ver.1.22474487139...! Das, was vor elf Jahren schon großartig war, ist es in der Neuauflage immer noch und es kommen viele Verbesserungen hinzu. Wer noch keine Berührungspunkte mit NieR hat, sollte aber nicht erwarten, den Titel nun in einer Form nachholen zu können, die alles besser macht und nun das Meisterwerk ist, was die alte Fassung leider nicht geworden ist. Das überarbeitete Kampfsystem ist gut, aber auch nicht mehr als das, der Spieleinstieg nach wie vor etwas zäh und dann wäre da eben das größte Problem von NieR, damals wie heute: die Semi-Open-World mit ihren langweiligen offenen Arealen und zig Sammelaufgaben.
Ohne diese Elemente wäre NieR Replicant ver.1.22474487139... vielleicht immer noch kein Spiel, dass von uns die volle Punktzahl erhalten würde. Aber es wäre ein so viel besseres Gesamtkunstwerk. Trotzdem legen wir NieR Replicant ver.1.22474487139... jedem ans Herz, der bereit ist, die genannten Schwachpunkte zu tolerieren. Dafür belohnt euch das Spiel mit einer schönen Geschichte und zahlreichen Überraschungsmomenten, wie sie nur wenige andere Titel bieten.
- Tolle Geschichte
- Interessante Figuren
- Einige Überraschungsmomente
- Kämpfe deutlich besser als im Original
- Großartige Musik
- Starke englische Vollvertonung
- Epische Bosskämpfe
- Grafik auf niedrigem Niveau
- Leere Außenareale
- Viele öde Nebenaufgaben
- Zäher Einstieg