Das Spiel der Reaper beginnt in NEO: The World Ends With You erneut. Doch kann das Sequel überzeugen? Wir sagen's euch!
NEO – The World Ends With You: Liebeserklärung an die Popkultur
2007 hat Square Enix mit The World Ends With You ein Rollenspiel für den Nintendo DS veröffentlicht, das zur Abwechslung mal nicht in irgendeiner Fantasy-Welt angesiedelt ist. Stattdessen ist Tokio, genauer gesagt der Stadtteil Shibuya mit all seinen Facetten, Schauplatz einer abgedrehten Geschichte um Leben und Tod. Mit NEO: The World Ends With You wird diese Geschichte nun fortgesetzt, aber nicht ganz so, wie man es vielleicht vermuten würde. Wir haben uns davon nicht abhalten lassen und sind nach fast 15 Jahren wieder einmal nach Tokio gereist.
Eine neue, alte Geschichte
Mit NEO: The World Ends With You verhält es sich ein bisschen wie mit Monster Hunter Stories 2: Wings of Ruin. Komplett neu ist die Handlung nicht. Stattdessen wird die Geschichte, ähnlich wie im Original, quasi noch einmal erzählt, aber mit anderen Protagonisten und, bedingt durch das Setting, auf die heutige Zeit angepasst. Wen ihr also noch gar keine Berührungspunkte mit dem Spiel von 2007 hattet, ist das kein Problem. Die Helden des Spiels haben ebenfalls keine Vorerfahrungen. Wer den Vorgänger oder die später verbesserte Remix-Version gespielt hat, wird einige Zusammenhänge besser verstehen und verschiedene Details dank des Vorwissens anders einordnen.
NEO: The World Ends With You - Intro:
Tot oder nicht tot, das ist hier die Frage
Im Rollenspiel schlüpft ihr in die Rolle des Jungen Rindo. Der erwacht urplötzlich an der beliebten Straßenkreuzung in Shibuya, an der auch die populäre Hachiko-Statue zu finden ist. Allerdings fehlen Rindo sämtliche Erinnerungen und er weiß nicht, wie er dort hingekommen ist. Zum Glück stößt er relativ schnell auf seinen Freund Fret, der offensichtlich ein ähnliches Schicksal teilt. Was ist nur passiert und warum werden die beiden von den ganzen anderen Passanten der immer belebten Kreuzung nicht beachtet? Schnell stellt sich heraus, dass die beiden tot und Teil eines groß angelegten Spiels der Reaper sind, um vielleicht doch wieder zurück in die Welt der Lebenden zu gelangen. Allerdings stolpern Rindo und Fret mehr oder weniger ungewollt in die ganze Sache und müssen sich erst mit der Situation zurechtfinden. Doch als Team könnte eine Chance bestehen, nicht sofort von anderen Spielern oder Noise, so nennen sich die Monster im Spiel der Reaper, zu bestehen. Nach und nach wird die Gruppe auf insgesamt vier Personen anwachsen. Wenn ihr den ersten Teil gespielt habt, kommt euch das mit Sicherheit bekannt vor.
Popkultur in Japan
Neben der Geschichte stehen vor allem der Handlungsort und die damit verbundenen popkulturellen Einflüsse im Mittelpunkt von NEO: The World Ends With You. Shibuya ist der Schmelztiegel der jugendlichen Popkultur in Japan, verfügt über ein florierendes Nachleben und zudem sind dort viele Fashion-Shops, Musikverlage und Technologieunternehmen angesiedelt. Genau das haben die Entwickler versucht, in das Spiel zu integrieren. Dazu aber später mehr. Im Mittelpunkt des Gameplays stehen die Aufgaben der Reaper, die Tag für Tag erfüllt werden müssen, um nicht aus dem Spiel zu fliegen. Meist dreht sich dabei alles um das Bekämpfen der Noise und Konfrontationen mit anderen Teilnehmern des Spiels. Dazu kommen jedoch oftmals kleinere Aufgaben wie das Auffinden bestimmter Orte oder Dinge.
Traditionell mit neuen Werten
Ein wichtiges Element fürs Kämpfen sind die sogenannten Pins. Die könnt ihr entweder in den verschiedenen Läden rund um Shibuya kaufen oder im Kampf gewinnen. Außerdem besitzt jeder Teilnehmer des Reaper-Spiels einen besonderen Pin, der ihn oder sie als Teilnehmer ausweist. Gleichzeitig sind diese Pins die Quelle eurer Kampfmöglichkeiten. Oder anders ausgedrückt: Sie sind eure Attacken und jeder Charakter kann einen von ihnen im Kampf einsetzen. Die Wahl müsst ihr jedoch vor einem Kampf treffen. Wie bei einem Rollenspiel üblich lassen sich diese Pins (Attacken) aufleveln und verbessern. Von Zeit zu Zeit steigt natürlich auch der Charakter selbst im Rang auf und bekommt bessere Statuswerte.
Pins, Pins und nochmal Pins
Das Kampfsystem hat sich im Vergleich zum Original, die Remix-Version mal ausgeklammert, stark gewandelt. Statt auf zwei Bildschirme und unterschiedliche Steuerungsmethoden zu setzen, legt ihr in NEO: The World Ends With You die Pins (oder respektive die anderen Charaktere) auf einzelne Buttons, die ihr im Kampf nach Lust und Laune einsetzen könnt. Je nach Pin erfordern die Attacken zunächst eine gewisse Aufladedauer oder können direkt eingesetzt werden, um Angriffe auf die Noise einprasseln zu lassen.
Eine Abklingzeit der jeweiligen Aktionen verhindert, dass ihr die Gegner mit Angriffen überschüttet. Da jeder Charakter nur mit einem Pin ausgestattet werden kann und Abwechslung bei den Angriffen der Schlüssel zum Erfolg ist, wirkt das gesamte Geschehen auf dem Bildschirm in den ersten Stunden etwas hektisch und unkoordiniert, wenn bis zu vier Personen im Stakkatotakt angreifen. Das ist aber nicht Fall. Ihr benötigt nur ein wenig Zeit, um zu begreifen, was auf dem Bildschirm eigentlich passiert. Sobald ihr das begriffen habt, wird aus dem hektischen Treiben eine stylische Symphonie irrwitziger Aktionen. Abgerundet wird das Kampfsystem durch mächtige Team-Kombos.
Ah, endlich Gameplay!
Im Prinzip ist das die Basis des Gameplays, mit der ihr euch in den ersten Stunden von NEO: The World Ends With You konfrontiert seht. Das wäre über lange Sicht aber nicht sonderlich motivierend und nur die Geschichte, die man wirklich mögen muss, treibt einen nicht wirklich an. Doch nach ungefähr fünf Stunden öffnet sich das Gameplay in seiner gesamten Fülle. Im Verlauf des Spiels lernt Rindo, wie er in der Zeit reisen kann, Fret erkennt, dass er Menschen dazu bringen kann, sich an vergessene Dinge zu erinnern und Nagi, das dritte feste Teammitglied, kann in die Köpfe anderer Personen eintauchen, um deren Geist zu befreien. Zudem könnt ihr Gedanken in Menschen manifestieren, um ihr Verhalten zu beeinflussen, was wiederum Auswirkungen auf das Spiel selbst hat. Erst durch diese Aktionen entfaltet sich das volle Potenzial von NEO: The World Ends With You, aber ihr müsst halt den langwierigen Einstieg überstehen.
So fühlt sich Shibuya an
Alle spielerischen Elemente sind zudem in die japanische Popkultur eingeflochten, die sich in allen Schattierungen in Shibuya zeigt. Die Pins sind nicht nur für Angriffe und Co geeignet, sie sind in dem Tokioter Bezirk auch ein beliebtes Sammelobjekt und können daher gewinnbringend verkauft werden. Zusätzlich findet ihr zahlreiche Klamottenläden, in denen ihr euch neu einkleidet. Das wirkt sich zwar leider nicht optisch aus, aber gewisse Klamotten versprechen euch höhere Statuswerte und sind teilweise Pflicht, wenn ihr neue Bereiche im Spiel betreten wollt. Herrscht beispielsweise gerade ein bestimmter Trend, sind Kleidungsstücke einer bestimmten Marke vorteilhafter als andere. Und wer fleißig shoppt, muss auch essen. Vom hippen Café über den angesagtesten Ramen-Laden bis hin zur Sushi-Bar ist alles dabei, was das Herz eines Jugendlichen begehrt. Nahrung und Getränke erhöhen zusätzlich eure Werte. Wenn ihr wollt, könnt ihr sogar im örtlichen Plattenladen vorbeischauen, um die neueste Musik zu kaufen. Im Menü lässt sich die dann auf Wunsch anhören. Damit hören die Querverweise auf die reale Welt aber nicht auf. Ihr werdet im Spiel das eine ums andere Mal denken: „Mensch, das ist doch ein Verweis auf dieses und jenes!“ Unter anderem werden Gesichtsmasken und Pokémon GO thematisiert.
Technik? Egal, Hauptsache Style!
Optisch verfolgt NEO: The World Ends With You einen eigenen Stil. Die gesamte Welt ist perspektivisch verzogen dargestellt. Gebäude wirken windschief und wie durch eine Fischaugenlinse betrachtet, während die Charaktere einen comichaften Stil besitzen. Wer ein Grafikfeuerwerk wie etwa bei Final Fantasy erwartet, wird enttäuscht sein. Die Devise in diesem Spiel lautet: Style vor Technik. Trotzdem sieht der Titel alles andere als schlecht aus. Er wirkt wie ein interaktiver Comicstrip. Allerdings hätten die Umgebungen etwas lebendiger ausfallen können. Vieles wirkt sehr steril und auch die Animationen der Hauptcharaktere hätten gern etwas variantenreicher sein dürfen. Die Musik hingegen ist, wie man es von Square Enix gewohnt ist, sensationell. Jeder Bereich in Shibuya lässt sich schon anhand der musikalischen Untermalung erkennen. Der Soundtrack unterstreicht jede Szenerie nahezu perfekt. Schade ist nur, dass die englische Synchronisation nicht durchgängig ist, sondern nur in besonderen Zwischensequenzen vorkommt. Wenn ihr wollt, könnt ihr auch zur japanischen Sprachausgabe wechseln.
Fazit
NEO: The World Ends With You ist nicht die Art bombastisches JRPG, die einem sonst vorgesetzt wird. Das Spiel ist eine Liebeserklärung an die kulturellen Eigenheiten des Bezirks im Herzen Tokios. Verpackt ist das Ganze in eine mehr oder weniger spannende Geschichte mit Rindo und Fret in den Hauptrollen. Wenn da nur nicht der extrem lange Einstieg wäre, der leider nicht ganz das vermittelt, was das Spiel alles zu bieten hat. Aber wenn ihr euch durch die ersten vier bis fünf Stunden des Spiels quält, werdet ihr danach mit einem schönen Rollenspiel voller Lokalkolorit belohnt.
Zudem kommen besonders Taktikfans auf ihre Kosten, denn bei über 300 Pins, zahlreichen unterschiedlichen Monstern, Klamotten und Essen kann man sich richtig austoben, bis man das perfekte Loadout für seinen Spielstil gefunden hat. Außerdem sind Rollenspiele, die als Setting die Gegenwart nutzen, immer noch Mangelware.
- Taktisch forderndes Kampfsystem
- Viele Verweise auf die Popkultur
- Keine Vorkenntnisse notwendig
- Optisch interessanter Stil
- Langweiliger Einstieg
- Sprachausgabe nicht überall
- Thematik sehr speziell