Mit Verbesserungen auf der Strecke und (alten) neuen Modi sichert sich F1 2021 die Pole Position im Rennspielgenre.
F1 2021 im Test: Man muss kein Formel-1-Fan sein, um es zu lieben
Die Formel 1 ist zurück bei Electronic Arts. Ältere Zocker erinnern sich vielleicht noch daran, dass der Publisher-Riese Anfang des Jahrtausends eigene F1-Spiele produziert hat. Ja ja, lang ist's her. Seit 2009 lag die Lizenz bei Codemasters und das britische Studio ist mittlerweile eine Tochter von EA. Und so ist F1 2021 das erste Formel-1-Spiel mit EA-Sports-Intro seit fast 20 Jahren – und das Beste seiner Art.
Codemasters erzählt endlich wieder was
Noch eine kleine Zeitreise: 2003 veröffentlichte Codemasters DTM Race Driver. Das Rennspiel gilt als absoluter Klassiker und das unter anderem deshalb, weil es einer der wenigen Genrevertreter ist, die einen überzeugenden Story-Modus bieten. Trotz viel Lob wurde dieser erzählerische Aspekt in nachfolgenden Titeln aber immer irrelevanter. In Teil 3 der Reihe wurde er bereits komplett ausgemerzt, in den GRID-Spielen gibt es ebenfalls keine Geschichten (kommen aber mit GRID Legends wieder) und auch nicht in der DiRT-Reihe. Na gut, in DiRT 5 aus dem vergangenen Jahr wird eine Handlung anhand von Podcasts erzählt, aber ein Mehrwert ist das sicherlich nicht. Umso schöner, dass F1 2021 das erste Codemasters-Rennspiel nach langer Zeit ist, das wieder einen vollwertigen Story-Modus bietet.
In F1 2019 hatte man schon ein wenig damit experimentiert. In dem Fall beschränkte sich das Storytelling mit richtigen Zwischensequenzen aber bloß auf die erste Stunde der Karriere. Der aktuelle Teil trennt Story und Karrieremodus voneinander. In „Braiking Point“ schlüpft ihr in die Haut des britischen Nachwuchsfahrers Aiden Jackson, der im Jahr 2020 frisch in die Formel 1 einsteigt, und erlebt die Blütephase seiner Karriere mit all ihren Höhen und Tiefen. Den spielerishen Tiefgang wie in „My Team“ etwa gibt es hier nicht. Ihr fahrt schlicht ein Rennen nach dem anderen, manche davon nicht mal vollständig, und spielt auch keine ganzen Saisons. Stattdessen gibt es immer wieder Zeitsprünge.
Die Story steht in „Braking Point“ klar im Vordergrund und ist eine typische „From Zero to Hero“-Nummer ohne große Überraschungen, dafür mit einigen Klischees. Erwartet also keine große Erzählkunst! Die Zwischensequenzen sehen aber ordentlich aus, auch wenn die Gesichter und deren Animationen längst nicht das Niveau eines The Last of Us: Part 2 erreichen, und irgendwie unterhält das Ganze trotz der genannten Mängel. Wir freuen uns einfach darüber, mal wieder so ein Erlebnis in einem Rennspiel, das kein Arcade-Racer ist, zu haben. Und die Rennen machen ja Spaß.
Ein Traum von KI
F1 2021 basiert in spielerischer Hinsicht logischerwise auf dem Fundament der fantastischen Vorgänger und legt sogar nochmal eine Schippe drauf. Das bedeutet, ihr bekommt hier nicht nur ein Rennspiel mit toller Physik, die sich dank diverser Fahrhilfen an Einsteiger anpassen lässt, sondern auch eine noch bessere KI als in den vergangene Jahren. Die virtuellen Hamiltons, Vettels und Co fahren nicht mehr ganz so aggressiv, machen auch mal Platz, wenn sie merken, dass sie es ohne Rempler nicht verhindern können, überholt zu werden, sind aber zugleich auf höherem Schwierigkeitsgrad (lässt sich wieder in Einzelschritten von 0 bis 110 einstellen) sehr hartnäckig und liefern euch packende Positionskämpfe.
Dass die Computerfahrer weniger zu Auto-Scooter-Momenten neigen, trifft sich gut, denn Codemasters hat das Schadensmodell gehörig überarbeitet. Wenn ihr das auf „realistisch“ stellt, können schon die leichtesten Berührungen schwere Schäden nach sich ziehen. Das sieht nicht nur schick aus, wenn diverse Einzelteile durch die Gegend fliegen, sondern hat natürlich auch starken Einfluss auf die Leistung eures Boliden. Wer es etwas verzeihender haben möchte, schwächt an der Stelle die Simulation ab.
Endlich wieder Koop-Karriere
Neben „Braking Point“ bietet F1 2021 noch einen weiteren neuen Modus, wobei der gar nicht mal so neu ist, sondern ein Rückkehrer: Erstmals nach langer Zeit gibt es wieder eine Multiplayer-Karriere. Hier fahrt ihr entweder gemeinsam mit einem Mitspieler im selben Team und versucht kooperativ, die Konstrukteursmeisterschaft zu gewinnen, oder aber ihr tretet für unterschiedliche Rennställe und somit gegeneinander an. Klasse, dass dieser Modus sein Comeback feiert und das restliche Feld an Mehrspieler-Modi wie den Online-Ligen, Einzelrennen, wöchentlichen Events und sogar einem LAN- und Splitscreen-Modus ergänzt.
Als ob das alles nicht schon genug für ein Spiel wäre, gibt es in F1 2021 natürlich auch wieder die zwei Varianten der Singleplayer-Karriere: Da wäre zum einen „My Team“, wo ihr euer eigener Chef seid und nicht nur mit verdienten Ressourcenpunkten euren Wagen weiterentwickelt, sondern auch Einrichtungen ausbaut, einen zweiten Fahrer anstellt und euch um Sponsorenverträge kümmert. Zum anderen könnt ihr aber eben auch ganz simpel als Vertragsfahrer für ein Team antreten, euren Arbeitgeber im Laufe eurer Karriere wechseln und sogar nach Wunsch in der Formel 2 anfangen. Darüber hinaus ist es auch nach wie vor möglich, in Zeitrennen Bestzeiten aufzustellen oder einzelne Grands Prix beziehungsweise selbst erstellte Meisterschaften zu fahren. F1 2021 bietet so viele Optionen in Single- und Multiplayer wie kein anderes Rennspiel.
Der Umfang ist an sich also sehr groß, ein kleines Manko gibt es aber doch: Drei Strecken fehlen derzeit noch. Das betrifft Imola, Portimao und Jeddah. Sie werden erst noch mit kostenlosen Updates nachgereicht. Da es sich hierbei um die neuen Strecken der aktuellen F1-Saison handelt, könnte ihr derzeitiges Fehlen im Spiel auf die Arbeitsbedingungen in der Pandemie zurückzuführen sein. Trotzdem ist es schade, dass ihr momentan in euren virtuellen Saisons auf jene Kurse verzichten müsst.
Next-Gen geht anders, aber schick ist es
Das optische Upgrade im Vergleich zum Vorgänger fällt eher gering aus – und das obwohl F1 2021 der erste Teil der Reihe ist, der für die PS5 und Xbox Series X/S erschienen ist. Aber die alte Konsolengeneration hat Codemasters eben auch noch bedient, weshalb auch gar keine allzu großen Sprünge möglich gewesen sind. Immerhin: Auf den neuen Plattformen und in der von uns getesteten PC-Version gibt es Raytracing-Reflexionen auf den Autos. Die sehen schick aus, nur wenn ihr in der Cockpit-Perspektive fahrt, bekommt ihr mitunter gar nicht so viel davon mit. Aber selbst ohne Raytracing macht F1 2021 eine gute Figur dank originalgetreu nachgebauten Strecken, knackigen Asphalttexturen und dem tollen Tag-/Nachtwechsel sowie Wettersystem.
Zum Rest der fantastischen Formel-1-Atmosphäre tragen die authentischen Motorensounds und die Zwischensequenzen, etwa die moderierten Einführungen vor jedem Rennen und die Siegerehrungen, bei. Nur die deutsche Vertonung lässt zu wünschen übrig. Klar, aus Heiko Wasser und seinem Kollegen werden keine professionellen Schauspieler mehr, die ihre Sätze nicht so vortragen, dass man direkt hört, dass sie abgelesen sind. Aber von den Sprechern im Story-Modus hätte man schon mehr erwarten könne. Leider habt ihr hier nicht die Option, die Sprache zu ändern. Nur die Kommentatoren und der Boxenfunk sind in mehreren Varianten verfügbar.
Fazit
Codemasters hat es erneut geschafft. Mit dem Story-Modus und der Multiplayer-Karriere gibt es in F1 2021 große Neuerungen, die das Gesamtpaket noch voluminöser machen. „Braking Point“ mag nicht der Weisheit letzter Schluss sein, was solche Spielvarianten in Rennspielen betrifft, aber für ein paar Stunden ist die Geschichte von Aiden Jackson doch ganz launig. Das Highlight bleibt aber der „My Team“-Modus mit all seiner Tiefe. Auf der Strecke selbst glänzt F1 2021 mit neuem Schadensmodell und besserer KI. In kaum einem anderen Genrevertreter sind die Rennen so spannend und unterhaltsam wie hier. Deshalb legen wir euch den Titel selbst dann ans Herz, wenn ihr zwar nichts mit der Formel 1 am Hut habt, aber eben einfach gute Rennspiele zu schätzen wisst. F1 2021 ist schließlich ein verdammt gutes.
- Rieses Angebot an Modi
- Tolle Physik, neues Schadensmodell
- Starke KI
- "My Team" wieder grandios
- Multiplayer-Karriere ist zurück
- Technisch solide
- Netter Story-Modus, ...
- ... der aber Potenzial verschenkt
- Drei Strecken fehlen noch
- Schwache deutsche Vertonung