Lange schon hatten wir mit keinem Arcade Racer mehr so viel Spaß wie mit DiRT 5, auch wenn nicht alles perfekt ist.
DiRT 5: Ein dreckiges Vergnügen
Update vom 09.11.2020: Wir haben nochmal einen Blick in die Release-Fassung samt aller bisherigen Updates geworfen. Alles zu den Verbesserungen lest ihr im letzten Abschnitt des Artikels.
Die DiRT-Reihe befand sich zuletzt in einer kleinen Identitätskrise. Wurde sie vom ersten bis zum dritten Teil immer arcadiger, ging der vierte Ableger wieder mehr in Richtung Simulation. Dabei gab es zu dem Zeitpunkt längst ein DiRT Rally für diejenigen, die realistische Rallye-Action erleben wollten. DiRT 4 saß zwischen den Stühlen, denn für die einen war es nicht arcadig genug, für die anderen keine so gute Simulation wie das höchst realistische Spin-off. Was hat Codemasters also bei DiRT 5 gemacht? Man hat sich dazu entschieden, vom Rallye-Sport Abstand zu nehmen und einen unkomplizierten Arcade Racer zu entwickeln, in dem Rennen auf Rundkursen und Strecken von A nach B gegen KI-Fahrer im Vordergrund stehen. Und Gymkhana ist auch wieder mit dabei.
Wer braucht schon Asphalt?
DiRT 5 grenzt sich anders als sein Vorgänger deutlich von der "DiRT Rally"-Reihe ab. Das macht sich einerseits bei der Fahrphysik bemerkbar. Die hat mit Realismus nichts zu tun. Ihr könnt zwar Fahrhilfen an- beziehungsweise ausschalten und den Anspruch so an eure Bedürfnisse anpassen, von einer Simulation ist der Titel aber weit entfernt. Das Autofahren in DiRT 5 ist jedoch nicht so simpel und einfach wie in einem Need for Speed. Das liegt vor allem am Untergrund.
Seinem Namen macht das Rennspiel alle Ehre, denn über asphaltierte Straßen saust ihr so gut wie nie. Die meiste Zeit seid ihr im braunen Matsch, Schnee oder gar auf Eis unterwegs. Speziell Letzteres sorgt für ein ganz anderes Fahrverhalten, weil es auf dem gefrorenen Wasser eben sehr rutschig ist. Da sind gekonnte Drifts nochmal weitaus wichtiger als auf den anderen Strecken, um möglichst schnell durch die vielen scharfen Kurven zu kommen.
Gute KI, aber mit Aussetzern
Die Rennen in DiRT 5 machen, egal auf welchem Kurs, einen Haufen Spaß. Die Fahrzeuge steuern sich mit dem Gamepad richtig gut und geschmeidig, ihr habt stets die volle Kontrolle. Das Geschwindigkeitsgefühl ist große Klasse und die KI macht meistens einen guten Job darin, euch spannende Kopf-an-Kopf-Duelle zu liefern. Sie leistet sich auch mal Fehler, wie wir es von einer guten Rennspiel-KI erwarten und fährt nicht bloß stur auf der Ideallinie.
Allerdings ist sie nicht perfekt, vor allem nicht in unserer Testversion. Zum einen nimmt sie auf euch keinerlei Rücksicht, wenn ihr mal gegen einen Felsen knallt und quer auf der Strecke liegt. Anstatt an euch vorbeizufahren, knallt sie euch in die Seite, als ob sie euch gar nicht sehen würde. Zudem haben wir in einigen wenigen Rennen heftige Aussetzer bemerkt. Einmal war es wirklich so, dass alle(!) Computergegner auf absurde Art und Weise von der Strecke abgekommen waren, als ob mal eben die DedSec-Hacker aus Watch Dogs in DiRT 5 vorbeigeschaut, die Kontrolle über deren Autos übernommen und sie alle in die Bäume am Streckenrand gelenkt hätten. Codemasters hat angekündigt, dass mit dem Day-One-Patch die KI nochmal verbessert werden soll. Hoffentlich gehören solche Erlebnisse dann der Vergangenheit an.
Der Weg zum DiRT-Champion
Herzstück von DiRT 5 ist der Karrieremodus. Der erweist sich als ziemlich simpel. Ihr fahrt ein Rennen nach dem anderen und sammelt dabei Geld, Erfahrungspunkte sowie Stempel. Letztere sind nötig, um die Haupt-Events am Ende eines jeden Kapitels freizuschalten. Pro Event gibt es bis zu drei Stück. Einen bekommt ihr, wenn ihr einfach nur über die Ziellinie fahrt, unabhängig von eurer Platzierung. Den zweiten kriegt ihr, wenn ihr es aufs Podest schafft und den dritten im Fall eines Sieges. Mit dem Geld kauft ihr euch bessere Autos sowie allerlei Kosmetik. Ihr könnt eure Wagen umlackieren, mit verschiedenen Mustern versehen und Aufkleber anbringen. Das Meiste davon müsst ihr aber zunächst noch freischalten, indem ihr entweder einen bestimmten Level mit eurem Profil erreicht oder bei einem bestimmten Sponsor im Rang aufsteigt.
Das Sponsorensystem ist ebenfalls einfach gehalten: Indem ihr Zusatzziele erfüllt, beispielsweise drei Drifts in einem Rennen ausführt oder eine gewisse Zeit lang in der Luft bleibt, steigt ihr in der Gunst eures Sponsors und verdient so zusätzliche Erfahrungspunkte, Moneten sowie eben Aufkleber, Fahrzeuglackierungen, aber auch Hintergründe und Co für eure Profilkarte. Die Anpassungsmöglichkeiten für Autos sind allerdings im Vergleich zu denen in einem Forza Motorsport beziehungsweise Horizon oder Need for Speed Heat sehr begrenzt. Es gibt zwar viele unterschiedliche Lacktexturen, die ihr auch in mehreren Schichten auftragen könnt, die Optionen sind aber dennoch begrenzter als bei der Konkurrenz. Zudem lassen sich zwar mehrere Designs pro Auto abspeichern, aber nicht mit anderen Spielern online teilen. Unkreative beziehungsweise faule Spieler können sich also nicht einfach die Looks anderer herunterladen. Schade!
Auf Fahrzeugtuning verzichtet DiRT 5 komplett. Wollt ihr schnellere Wagen, müsst ihr euch also neue kaufen. Generell hätte die Karriere gerne etwas mehr Tiefgang bieten können. Allerdings gefällt uns gut, dass sie nicht streng linear verläuft. Ihr kämpft euch zwar stets von einem Kapitel zum nächsten und müsst am Ende jeder Episode eines der drei Haupt-Events mindestens als Dritter abschließen, um den nächsten Karriereabschnitt freizuschalten, doch welche Wege ihr in dem Geflecht aus Events dazwischen beschreitet, obliegt euch. Ihr müsst auch längst nicht jedes Rennen fahren, um es bis zum großen Finale zu schaffen. So lässt sich letzteres je nach Schwierigkeitsgrad in zehn Stunden erreichen. Wer jedoch alle 130 Events mit jeweils drei Stempeln abschließen möchte, wird locker doppelt so lange beschäftigt sein.
Tolle Sprecher reichen nicht aus
Etwas enttäuscht sind wir vom narrativen Aspekt der Karriere in DiRT 5. Was hat Codemasters nicht im Vorfeld Werbung damit gemacht, dass man die beiden prominenten Synchronsprecher Nolan North (Nathan Drake aus Uncharted) und Troy Baker (Joel aus The Last of Us) an Bord hat! Und ja, von den beiden gibt es auch einiges zu hören. Baker spielt den DiRT-Champion AJ, der euch unter seine Fittiche nimmt. North mimt den arroganten Bruno Durand, der einst erfolgreich Motorradrennen gefahren ist und nun auf vierrädrige Fahrzeuge umgestiegen ist. Im DiRT Podcast, den ihr zwischen den Rennen immer wieder zu hören bekommt, wird eine Rivalität zwischen den beiden aufgebaut, um die sich die Geschichte dreht.
Spannend ist die Handlung von DiRT 5 nicht und ehrlich gesagt hätte sich Codemasters sie auch sparen können. Die Podcasts sind zwar im Englischen großartig vertont (im Deutschen merkt man ihnen eben doch stark an, dass Schauspieler Texte ablesen) und gerade North und Baker machen einen gewohnt guten Job, aber es sind eben auch nur Podcasts. Somit haben wir es hier mit einem uninteressanten Plot zu tun, der nicht mal gut inszeniert wird. Und in den ersten Stunden macht es zudem den Eindruck, als hätte unsere eigene Karriere gar nichts mit dem zu tun, was man uns da in Audioform erzählen möchte. Das ändert sich später, aber da ist der Zug längst abgefahren.
Viele Multiplayer- und Online-Features
Neben dem Karrieremodus bietet DiRT 5 noch weitere Modi. Ihr könnt natürlich Einzelrennen gegen die KI oder die Zeit fahren, mit "Playgrounds" gibt es aber auch einen umfangreicheren Modus. Dem haben wir uns bereits in einer Preview ausführlich gewidmet. Unser damaliges Fazit bleibt bestehen: Der Editor für eigene Checkpoint-Rennen und Gymkhana-Arenen ist ein nettes Extra, aber eben auch nicht mehr als das.
Ihr könnt euch aber nicht nur anhand von Online-Ranglisten für Bestzeiten mit anderen Spielern messen, sondern auch direkt gegen sie auf der Strecke antreten. Zum einen gibt es den Online-Multiplayer, in dem ihr entweder normale Rennen fahrt oder Party-Modi spielt, wie ihr sie etwa auch aus Forza Horizon kennt. Zum Beispiel gilt es in "König", die Krone zu erringen und so lange wie möglich zu behalten. Rammen euch andere Spieler, seid ihr den Kopfschmuck los und müsst ihn euch zurückholen. Mangels Mitspielern konnten wir noch keine Online-Wettkämpfe bestreiten, aber wir sind uns sicher, dass sie gerade dann, wenn ihr mit Freunden spielt, einen Heidenspaß machen. Apropos Freunde: Sehr cool finden wir, dass ihr den kompletten Karrieremodus mit bis zu drei Mitspielern im Splitscreen-Modus zocken könnt. Schade nur, dass es hierfür keine Online-Alternative gibt. Gerade in Zeiten von Corona ist es nicht unbedingt die beste Idee, ständig drei Leute zu sich nach Hause einzuladen.
Herrliche Weltreise
Nicht nur in Sachen Karriere und Mehrspieler-Modi glänzt DiRT 5 mit seinem Umfang. Mit knapp unter 60 Vehikeln ist der Fuhrpark zwar deutlich kleiner als in anderen Rennspielen, dafür stimmt die Vielfalt: Klassische Rallye-Autos wie der Subaru Impreza sind ebenso mit von der Partie wie dicke Geländewagen und Pick-ups, Rally-GT-Karren oder Buggys – und alle fahren sich unterschiedlich.
Die heimlichen Stars von DiRT 5 sind aber die Rennstrecken. Die verteilen sich auf zehn Locations, darunter Brasilien, Südafrika und Nepal. Insgesamt gibt es fast 40 Strecken mit einer hohen optischen Bandbreite. Mal fahrt ihr durch Dschungel, mal staubige Canyons, mal durch einen gigantischen Steinbruch. Die Kurse sehen zudem fantastisch aus, bieten viele Details und verlangen euch mit ihren vielen engen Kurven einiges ab. DiRT 5 ist das Arcade-Rennspiel mit den besten Fantasiestrecken, die wir seit langem befahren haben.
Je stürmischer, desto besser
Die Krönung des Ganzen ist das Wetter: In DiRT 5 verändern sich Tageszeit und Witterungsbedingungen während der Rennen dynamisch – zumindest im Arcade-Modus und auch nur, wenn ihr das wollt. In den Karriere-Events ist schon vorgegeben, ob ein Rennen nun bei Sonnenschein beginnt und im starken Platzregen oder bei Nacht endet. Dem Spaß tut das aber keinen Abbruch, denn zum einen sehen die Wettereffekte fantastisch aus und sind ein großes Atmosphäre-Plus, zum anderen machen sie die Wettkämpfe noch spannender. Wenn ihr etwa in Marokko in Runde 1 noch beste Sicht habt, in Runde 3 jedoch ein Sandsturm über das Land hinwegfegt und ihr die nächste Kurve quasi erst dann seht, wenn ihr bereits in sie einfahrt, sorgt das für einen erhöhten Anspruch.
Generell überzeugt DiRT 5 optisch in der von uns getesteten PC-Version auf ganzer Linie. Die Fahrzeuge sind vielleicht nicht auf dem Niveau der Forza-Spiele oder dem eines Gran Turismo Sport, dafür glänzen, wie schon erwähnt, die Strecken mit vielen Details und das Highlight ist die Beleuchtung. Wenn die Sonne in der italienischen Toskana zwischen den Pfeilern einer alten Brücke hindurch scheint oder sich auf dem Eis des gefrorenen East River in New York City in der Nacht die bunten Lichter der Streckendekorationen spiegeln, kommt man aus dem Schwärmen nicht heraus.
Noch dazu klingt DiRT 5 fantastisch. Die Motorensounds sind schon super, aber wenn wir dann auch noch das Klappern der Autotür hören, die nach mehreren Zusammenstößen mit der Bande nicht mehr zu 100 Prozent korrekt im Rahmen hängt, können wir uns vor den Sound-Engineers nur verneigen. Obendrein bietet der Soundtrack eine wunderbare Auswahl an Songs. Mit dabei sind rockige Nummern von bekannten Bands wie Wolfmother, The Killers und Welshly Arms, aber auch elektronische Klänge von The Prodigy oder The Chemical Brothers.
Motor läuft noch nicht ganz rund
Zum Ende hin müssen wir aber noch erwähnen, dass der von uns gespielte Review-Build technisch nicht einwandfrei ist. Dass in den ersten Sekunden eines jeden Rennens die Bildrate 10 bis 20 FPS unter den Werten liegt, die sie ansonsten immer erreicht, und die Namenszeigen der anderen Fahrer komisch zuckeln (beides hört nach den ersten ein bis zwei Kurven schlagartig auf) ist noch verschmerzbar. Ein großes Problem, das hauptverantwortlich dafür ist, dass wir DiRT 5 vorerst um einen halben Punkt abwerten, sind jedoch die regelmäßigen Abstürze. Im Schnitt ist uns das Spiel alle 60 Minuten abgeraucht: entweder nach den ersten paar Sekunden eines Rennens oder während der Ladezeit nach einem Event. Fortschritte gingen dabei zwar nie verloren, trotzdem ist es extrem nervig, wenn man fast schon die Uhr danach stellen kann, wann sich DiRT 5 das nächste mal einfach so abschaltet. Hoffentlich ist die Release-Fassung davon nicht mehr geplagt. Wir werden das überprüfen und dem Spiel dann gegebenenfalls die Note verpassen, die es eigentlich verdient hat.
Update: Zum Release hat Codemasters DiRT 5 ordentlich gepatcht und siehe da: Die extremen Absturzprobleme sind Vergangenheit. Konnten wir eben in der Review-Fassung keine Stunde am Stück spielen, ohne auf den Desktop geschmissen zu werden, werden wir jetzt nicht mehr urplötzlich aus der Rennaction gerissen. Auch die Startschwierigkeiten zu Beginn jedes Events haben sich verflüchtigt. Die KI hat aber immer noch hier und da Aussetzer, als ob sie die Grundlagen des Autofahrens für einen Moment vergisst. Trotzdem haben wir uns entschieden, die Abwertung zu revidieren und DiRT 5 die Note zu geben, die es aufgrund seiner spielerischen wie technischen Stärken verdient hat.
Fazit
DiRT 5 ist ein tolles Arcade-Offroad-Rennspiel, das beste sei langem. Die Rennen machen wahnsinnig viel Spaß, der guten Fahrphysik und dem grandiosen Streckendesign sei Dank. Da ist es nur halb so schlimm, dass die Karriere für unseren Geschmack ein wenig zu simpel geraten ist und das Storytelling-Konzept mit den Podcasts trotz guter Sprecher im englischen Original nicht so ganz aufgehen mag. Dafür könnt ihr all das mit Freunden gemeinsam erleben, wenn auch leider nur lokal im Splitscreen-Modus. Dennoch freuen wir uns sehr, dass Codemasters dieses Feature eingebaut hat, das viel zu wenige Rennspiele bieten. Grafik und Sound sind über jeden Zweifel erhaben und DiRT 5 bietet genug Umfang für viele unterhaltsame Stunden. Wer Bock auf flotte Arcade-Rennaction mit viel Dreck hat, wird hiermit jede Menge Freude haben.
- Großartiges Streckenangebot
- Exzellente Arcade-Physik
- Umfangreiche Karriere...
- ...mit Splitscreen-Modus!
- Schicke Grafik
- Fantastische Soundkulisse
- Narrative der Karriere enttäuscht
- Kein Fahrzeugtuning
- Mäßiger Lackierungseditor
- KI hat teils starke Aussetzer