Borderlands 3 bleibt der Rezeptur seiner Vorgänger treu. Das ist gut und schlecht zugleich.
Borderlands 3 im Test: Einfach (nur) mehr Borderlands
"Früher war alles besser" – ein Satz, den gerade die junge Generation nicht gerne hört, die Älteren aber des Öfteren verwenden, auch in Bezug auf Videospiele. Früher gab es eben noch keine Lootboxen, generell keine Mikrotransaktionen, keine Online-Pflicht und ach, was waren die Spiele früher doch allgemein besser. Wenn das eure Denkweise ist, ist Borderlands 3 genau euer Spiel. Hier ist nämlich alles wie früher. Das ist einerseits gut, andererseits aber vielleicht auch ein Haken für den einen oder anderen Spieler.
Angenehm altmodisch
Sieben Jahre mussten die Fans auf Borderlands 3 warten. Sieben Jahre, in denen sich viel getan hat. 2012 gab es den Begriff Loot-Shooter noch nicht, Borderlands 2 wurde eher als Diablo aus der Ego-Perspektive bezeichnet. Heute gilt es zusammen mit seinem Vorgänger, dem jedoch weitaus weniger Ruhm gebührt, als Begründer dieses noch jungen Untergenres, das Spiele wie Destiny, The Division und zuletzt Anthem hervorgebracht hat.
Von all diesen Titeln hat sich Gearbox bei der Entwicklung von Borderlands 3 nicht beeinflussen lassen. Weder haben wir es hier mit einem reinen Online-Spiel zu tun, noch gibt es einen In-Game-Shop. Das wirtschaftliche Konzept ist identisch mit dem von Borderlands 2. Ihr zahlt 60 Euro, erhaltet ein umfangreiches Spiel, dürft euch sogar über ein paar kommende Gratis-Updates mit neuen Inhalten freuen und früher oder später erscheinen kostenpflichtige DLCs. Hier gibt es von uns schon mal beide Daumen nach oben.
Zwei Schurken sind nicht immer besser als einer
In Borderlands 3 bekommt ihr es mit den Calypso-Zwillingen Tyreen und Troy zu tun. Die beiden halten sich für Götter, sind Livestreamer und führen einen gefährlichen Kult, die "Kinder der Kammer" an. Ihr Ziel ist es, die Vaults auf anderen Planeten abseits von Pandora zu öffnen, die jüngst entdeckt wurden. Ihr seid also nicht nur auf dem Himmelskörper unterwegs, den ihr aus den Vorgängern kennt, sondern besucht im Verlauf der Handlung auch andere Schauplätze wie den Dschungelplaneten Eden-6 und den Stadtplaneten Promethea, sozusagen das Borderlands-Äquivalent zu Coruscant aus Star Wars. Das sorgt für reichlich optische Abwechslung, spielerisch dürft ihr jedoch keine Unterschiede zwischen den Planeten erwarten.
So sehr es uns auch gefällt, dass uns die Calypsos dazu zwingen, Pandora auch mal zu verlassen, so sehr mögen wir die beiden Psychopathen nicht. Ihnen fehlt jegliches Charisma. Aus der Influencer-Thematik macht Borderlands 3 absolut nichts, außer dass die Zwillinge ganz schön viele Leute "influencen": Die Kultmitglieder folgen ihren Anführern blind und tun alles für sie. Das ist schade, weil die Thematik genug Satirestoff geboten hätte. Gut, vermutlich wollte Borderlands 3 niemals eine Satire sein. Das entschuldigt aber nicht, dass uns Tyreen und Troy schnell auf den Keks gegangen sind und damit ihrem Vorgänger Handsome Jack, einem der besten Videospielschurken aller Zeiten, stark hinterherhinken. Der Plot selbst macht dank manch unerwarteter Wendung eine bessere Figur, gehört aber sicherlich nicht zu den besten Videospiel-Storys. Trotzdem hat Borderlands 3 damit allen anderen Loot-Shootern mit Ausnahme des Vorgängers etwas voraus.
Großes Paket
Borderlands 3 hat nicht nur eine unterhaltsame, sondern auch sehr umfangreiche Kampagne. Wenn ihr euch nur auf die Hauptmissionen konzentriert, braucht ihr locker 20 Stunden. Doch damit ihr nicht in die Situation kommt, unterlevelt zu sein, solltet ihr auch so manche Nebenquest mitnehmen. Ach, was schreiben wir denn da?! Im Idealfall spielt ihr sie alle! Die optionalen Aufgaben mögen spielerisch eintönig sein, da es immer nur darum geht, zu töten oder bestimmte Gegenstände zu beschaffen. Aber jede Quest erzählt ihre eigene kleine Geschichte und oftmals sind die Storys amüsant. Nicht so witzig, dass wir jedes Mal laut lachen mussten, aber wir haben oft geschmunzelt.
Wer Borderlands 3 komplett mit allen Nebenquests und den sogenannten Crew-Herausforderungen (quasi Miniaufgaben, auf die ihr spontan in der Spielwelt stoßt und die in wenigen Minuten erledigt sind) erleben möchte, ist mindestens 40 Stunden beschäftigt, zumal es sich eben auch wirklich lohnt, jedes Fleckchen Erde zu erkunden. Denn überall sind Beutekisten versteckt und um Loot dreht sich in Borderlands 3 bekanntlich alles.
Hinterm Horizont geht's weiter
Habt ihr die Story abgeschlossen, könnt ihr entweder eine der drei "Mayhem"-Stufen aktivieren und auf deutlich höherem Schwierigkeitsgrad noch ausstehende Nebenquests spielen oder nicht erkundete Gebiete besuchen. Im Gegenzug erbeutet ihr bessere Items. Außerdem gibt es mit "Circle of Slaughter" und den "Proving Grounds" spezielle Endgame-Aktivitäten. Ersteres ist eine Art "Horde"-Modus, wie ihn Fans aus Borderlands 2 kennen, letzteres sind Missionen, die speziell für Koop-Spieler gedacht sind (ihr könnt sie aber auch solo spielen). Euer Ziel ist, drei Gegnerwellen und anschließend einen Boss zu besiegen. Je schneller ihr seid, desto besser fällt die Belohnung aus – ein kurzweiliger Spaß für zwischendurch.
Alternativ spielt ihr den "True Vault Hunter"-Modus, das New Game Plus von Borderlands 3. Ihr übernehmt dabei all eure Ausrüstung sowie erspielten Talente und erlebt die Kampagne von vorne auf höherem Schwierigkeitsgrad. Natürlich springt auch hier besserer Loot für euch heraus. Zudem schaltet ihr nach Abschluss der Kampagne die Guardian-Ränge frei: ein zusätzliches Progressionssystem, bei dem ihr für jeden Rangaufstieg eine Münze erhaltet, die ihr in passive Boni investiert. Auch wenn Borderlands 3 kein Servicegame ist, hat sich Gearbox einiges einfallen lassen, damit die Langzeitmotivation möglichst hoch ist. Und das ist dem Entwicklerteam auch gelungen.
Waffen, Waffen, noch mehr Waffen
Die Borderlands-Reihe hat sich schon immer dadurch ausgezeichnet, Millionen unterschiedliche Waffen zu bieten. In Teil 3 sind es laut Gearbox sogar über eine Milliarde Schießprügel. Doch nicht nur die schiere Anzahl hat sich erhöht, auch die Bandbreite. Es gibt so viele neue Waffenarten und Effekte, die die Knarren haben können. Dabei spielen vor allem die Hersteller eine wichtige Rolle. Tötungswerkzeuge von Hyperion zum Beispiel verfügen über einen Energieschild, der sich beim Zielen ausfährt. Argumentationsverstärker von Atlas feuern zielsuchende Projektile ab, wenn ihr zuvor ein Ziel mit einem Tracking-Chip versehen habt.
Hinzu kommt, dass viele Kanonen in Borderlands 3 einen sekundären Feuermodus haben. Bei Sturmgewehren habt ihr etwa teilweise die Wahl zwischen Dauerfeuer und Feuerstößen. Praktischerweise haben die jeweiligen Waffen auch zwei unterschiedliche Zielvorrichtungen, so dass ihr bei zweitgenannter Option durch ein Zielfernrohr schaut und somit besser auf größere Distanz kämpfen könnt. Es geht aber auch spektakulärer, etwa wenn eine Pistole im alternativen Modus kleine Raketen abfeuert. Hinzu kommen noch die Granaten, die in Borderlands 3 viel diverser ausfallen als in den Vorgängern. Granaten, die wie ein Flummi durch die Gegend springen und mehrfach explodieren, Granaten, die ihre Ziele verfolgen – es macht diesmal noch mehr Spaß, die kleinen Sprengkörper auf eure Gegner zu schmeißen.
Die Lootspirale funktioniert in Borderlands 3 also wieder ausgesprochen gut. Ständig findet ihr neue Waffen, die ihr unbedingt ausprobieren wollt, oder Schilde, die euch widerstandsfähiger machen. Allein die Sammelwut sorgt dafür, dass ihr den Shooter so schnell nicht links liegen lassen wollt.
Tolle Heldenauswahl
Ein anderer großer Pluspunkt sind die vier spielbaren Charaktere, die in Borderlands 3 noch mehr Abwechslung und coolere Fähigkeiten als ihre Vorgänger bieten. Mit FL4K gibt es die erste richtige Pet-Klasse in der Seriengeschichte. Jedes seiner drei Haustiere lässt sich beliebig mit einer der aktiven Fähigkeiten kombinieren. Der Bestienmeister kann sich etwa für kurze Zeit unsichtbar machen, wodurch auch seine Bewegungsgeschwindigkeit erhöht ist, oder zwei Rakks (fliegende Reptilien) auf seine Feinde hetzen. Schützin Moze ruft à la Titanfall auf Knopfdruck einen Mech herbei, in den sie sich hineinsetzt. Das ist zwar im Grunde ihr einziger Action-Skill, dafür bestimmt ihr die Art der Bewaffnung.
Etwas weniger spektakulär ist der Auftragskiller Zane, aber das macht ihn nicht zu einer schlechten Wahl in Borderlands 3. Er ist vor allem deshalb interessant, weil ihr mit ihm zwei Action-Skills ausrüsten könnt statt nur einen. Der Preis dafür: Ihr müsst euren Granaten-Slot aufgeben. Den zahlt ihr aber gern, wenn das bedeutet, dass ihr sowohl einen digitalen Klon von euch erschaffen als auch eine Drohne herbeirufen oder eine Schutzbarriere aufstellen könnt. Zu Guter Letzt gibt es noch die Sirene in der Runde, die in keinem Borderlands fehlen darf. Sie heißt diesmal Amara und lässt zum Beispiel eine große Astralfaust aus dem Boden brechen oder springt in die Luft, um dann eine Schmetterattacke auszuführen.
Nicht nur die Charaktere an sich sind toll gelungen, auch die Talentbäume gefallen uns besser als in den Vorgängern. Borderlands 3 bietet dank Action-Skill-Erweiterungen und zusätzlichen Alternativfähigkeiten wie im Fall von Moze und Amara viel mehr Möglichkeiten, den für euch idealen Build zu finden. Auch die vielen passiven Fähigkeiten tragen reichlich zur spielerischen Tiefe bei. Hier wird nicht bloß mal der Schaden um zwei Prozent erhöht, es gibt auch Talente, die