Es gibt Spiele, die würde man gerne zocken, aber es geht nicht. Auch Nico steht von Zeit zu Zeit vor diesem Problem.
Warum Bootlegs manchmal die einzige Möglichkeit sind
Raubkopien kennt wohl jeder von uns und insbesondere die älteren Gamer. Wer kann sich nicht an Szenen auf dem Schulhof erinnern, wenn das neueste Spiel für die PlayStation kopiert wurde oder ein PC-Spiel auf einem selbstgebrannten Rohling die Runde machte? Genau betrachtet ist das natürlich Diebstahl, aber kann man sich als Heranwachsender alle Games kaufen, die man gerne spielen möchte? Nein, natürlich nicht. Bei den meisten von uns nimmt dieses Verhalten über die Zeit auch ab. Man verdient sein erstes Geld, entwickelt neue Interessen und gründet vielleicht eine Familie. Nun wäre das Geld vorhanden, aber durch veränderte Lebensumstände fehlt vielen von uns einfach die Zeit, sämtliche interessanten Games auch zu zocken.
Das soll aber nicht Thema dieser Kolumne sein und dazu haben in der Vergangenheit viele Personen ihre Meinung kundgetan, da muss ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben. Aber von Zeit zu Zeit ist Softwarepiraterie die einzige Möglichkeit, ein Spiel überhaupt zu zocken. Gab es früher noch vor allem zwei Gründe (fehlende Lokalisierung und Regionalsperre), warum das nicht möglich war, steht heutzutage in den meisten Fällen nur noch eine Sprachbarriere zwischen dem Spieler und dem eigentlichen Erlebnis. Mittlerweile gehören Regionsbeschränkungen in der Regel der Vergangenheit an. Allerdings hapert es dafür leider oft an der Sprachbarriere.
Als ich im letzten Jahr die Historie zur Boktai-Reihe geschrieben habe, wurde ich mir dieses Problems wieder bewusst. Wie soll ich den dritten Teil der Serie spielen? Mein Japanisch beschränkt sich auf die üblichen Begrüßungsfloskeln sowie Bitte und Danke. Damit komme ich aber in einem textlastigen Spiel nicht weit. Doch ein befreundeter Journalist und Retro-Spezialist bot mir unverhofft Hilfe an und siehe da, einige Monate später hielt ich Boktai 3: Sabata‘s Counterattack als nachgemachtes Game Boy Advance Modul mit englischer Übersetzung in den Händen. Nüchtern betrachtet bewege ich mich damit in einer Grauzone, aber es war die einzige Möglichkeit, jemals diesen Titel genießen, ohne vorher einen Japanischkurs in der Volkshochschule zu besuchen.
Sicherlich gibt es auch die Möglichkeit, das Ganze mit einem Emulator auf dem PC zu spielen, aber wer will das schon? Ich wäre und bin sogar immer noch bereit, mir das Original zu kaufen, aber die Produktion des Spiels wurde vor über 10 Jahren eingestellt und so würde Konami vermutlich eh nur einen Bruchteil des Geldes sehen, wenn überhaupt.
Das betrifft aber nicht nur Spiele aus dem asiatischen Raum. Bis vor wenigen Jahren durften in Deutschland keine Spiele mit Nazi-Symbolen vertrieben werden. Besonders die Wolfenstein-Reihe von Bethesda war davon betroffen und geriet durch diesen Umstand immer wieder in die Schlagzeilen. Mir persönlich hat das nie etwas ausgemacht, solange der Rest in seiner Ursprungsform präsentiert wurde. Etwas lächerlich wurde es zwar, als man bei Hitler den Bart wegretuschiert hat, aber, mein Gott, es änderte nicht wirklich signifikant etwas am Ablauf. Ich wusste, wer gemeint ist. Der Unterschied zu Spielen aus dem asiatischen Raum ist aber natürlich weitaus geringer, denn auf dem PC gibt es zum Beispiel für physische Spiele keinen Regionsbeschränkung (auf Steam kommt das mitunter aber vor) und als Privatperson darf ich auch beschlagnahmte Spiele besitzen. Das Problem besteht hier also eher in der Beschaffung.
Was mich persönlich jedoch mehr getroffen hat, war die fehlende Veröffentlichung von Excitebots: Trick Racing für die Wii. Sowohl in den USA und später auch in Japan war das Spiel erhältlich. Es war also bereits eine englische Version vorhanden und gerade beim enormen Erfolg der Konsole verwundert es doch etwas, zumal ExciteBots der Nachfolger zu dem durchaus erfolgreich Wii-Spiel ExciteTrucks war. Nur leider ist mir der Aufwand zu groß, dieses Spiel auf meinem heimischen TV zu erleben. Entweder müsste ich wegen der regionalen Beschränkung eine US-Wii kaufen oder meine umbauen lassen. Das eine ist mir zu teuer und das andere kommt nicht infrage. Ich bin nicht nur Gamer, sondern auch Sammler und da zählt nur das Original.
ExciteBots: Trick Racing Trailer:
Und das führt mich wieder zurück zur Eingangsthese: Manchmal ist Piraterie der einzige Weg ein Spiel zu zocken, weil keine Veröffentlichung außerhalb des Heimatmarktes geplant ist. Sei es nun, weil eine Lokalisierung für andere Märkte zu viel kostet und das Ergebnis in keiner Relation zum Aufwand steht oder Inhalte aufgrund kultureller Unterschiede zu sehr angepasst werden müssten. Und dann gibt es noch ganze Genres, die fast nie ihren Weg in andere Märkte finden oder nur ganz vereinzelt.
Ein geschätzter Kollege mit guten Verbindungen nach Japan hat mir das am Beispiel diverser Zugsimulationen vor Augen geführt. Die “Densha de Go!“-Marke ist extrem auf den japanischen Markt zugeschnitten. Es gibt ausschließlich echte japanische Züge und Bahnstrecken und die Hauptaufgabe liegt darin, möglichst genau nach Fahrplan zu fahren, dabei Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuhalten und den Zug punktgenau zum Halten zu bringen. Passend dazu gibt es unglaublich viel Zubehör, um das ganze Konzept zu einem extrem immersiven Erlebnis auszubauen. Am ehesten lässt sich das wohl mit den zahlreichen Simulatoren, die es hierzulande gibt, vergleichen. Aber außerhalb Japans nehmen nur die wenigsten Spieler Notiz davon.
“Densha de Go!“ Spot:
Verschiedene Beispiele aus der Vergangenheit zeigen aber, dass Publisher auch falsch liegen können. Animal Crossing beispielsweise war zu Beginn auf dem Nintendo 64 ein rein japanisches Phänomen, ähnlich wie die Mother-Reihe (Earthbound). Während sich Animal Crossing jedoch zu einem weltweiten Phänomen entwickelte, wurde die Mother-Reihe von Nintendo eher stiefmütterlich behandelt. Die nachträgliche Veröffentlichung des zweiten Spiels auf der Wii U im Jahr 2013 sorgte in Europa und den USA für überragende Verkaufszahlen und auch das Original, welches zwei Jahre später auf dem gleichen Weg veröffentlicht wurde, konnte überzeugen.
Doch ausgereicht hat es nicht, denn der dritte Teil, der zunächst für das Nintendo 64 entwickelt wurde, um dann schließlich auf dem GBA veröffentlicht zu werden, hat es bis heute weder in die USA noch nach Europa geschafft. Gleiches gilt für die PlayStation-Spiele Ryū ga Gotoku Kenzan! (Yakuza Kenzan) und Ryū ga Gotoku Ishin! (Yakuza Ishin) sowie das Xbox-Game N.U.D.E.@ Natural Ultimate Digital Experiment. Alle Titel sind bisher nur in Japan erhältlich und ob sich daran jemals etwas ändern wird, ist fraglich.
N.U.D.E.@ Natural Ultimate Digital Experiment Trailer:
Wie löst ihr das Problem, wenn ihr unbedingt ein Spiel ausprobieren wollt, aber es aufgrund widriger Umstände nicht könnt? Greift ihr zu Emulatoren oder versucht ihr das Spiel auf der Plattform zu spielen, für die es konzipiert wurde?