Das Geschäftsmodell von Trackmania stößt Jens sauer auf und vermiest ihm den Spaß am eigentlich guten Rennspielkern.
Trackmania: "Mikrotransaktionen wären mir lieber"
Es ist schon verrückt: Nie im Leben hätte ich gedacht, einmal diese Überschrift niederzuschreiben. Und nun habe ich es doch getan und frage mich just in dem Moment, während ich schon weiterschreibe: "Jens, meinst du das wirklich ernst?!" Ich bin kein Fan von Mikrotransaktionen und eigentlich auch keiner von Free-to-Play-Modellen. Ich zahle lieber einmal für ein Spiel und bekomme es dann mit all seinen Inhalten, spätere DLCs einmal ausgenommen. Das hätte ich mir auch für das neue Trackmania gewünscht. Doch Ubisoft hat sich für ein Free-to-Play-Konzept entschieden, allerdings kein gängiges. Genau das ist für mich der große Haken an dem im Kern guten Rennspiel.
Gutes Free-to-Play, schlechtes Free-to-Play
Free-to-Play gibt es heutzutage in vielen verschiedenen Geschmackssorten: Da wären zum Beispiel Spiele wie Fortnite (also dessen kostenloser Battle-Royale-Modus), bei denen ich die Mikrotransaktionen gut ignorieren kann. Das Kern-Gameplay bleibt von der Monetarisierung völlig unberührt, nur für kosmetischen Schnickschnack kann ich, wenn ich möchte, Geld ausgeben.
Dann gibt es Titel, in denen ich mir das Leben gegen Geld, sagen wir, etwas angenehmer gestalten kann. In Path of Exile etwa gibt es zusätzliche Fächer für die Lagertruhe nur gegen Echtgeld und in Valorant kann ich Agenten, die ich noch nicht freigeschaltet habe, sofort mit Valorant-Punkten zugänglich machen. In beiden Fällen sehe ich kein Problem: Die zusätzlichen Beutefächer im Hack and Slay von Grinding Gear Games brauche ich erst im Endgame. Dann habe ich bereits etliche Stunden investiert und somit wäre es sowieso angemessen, dem Entwickler ein wenig Geld für den ganzen Spaß, den ich bis dahin für lau gehabt habe, zu überlassen. Im Fall von Valorant wiederum ist es kein Hexenwerk, jeden der aktuell elf Agenten allein durchs Spielen freizuschalten, zumal ich eh schon vorher meine Favoriten gefunden habe und auch kein Charakter mächtiger ist als die anderen.
Natürlich gibt es auch viele Negativbeispiele. Gerade im Browser- und Mobilegame-Sektor finden sich diverse Titel, gegen die sich Pay-to-Win-Vorwürfe erheben lassen oder die durch Systeme wie Wartezeiten ihre Spieler dazu verleiten, Geld auszugeben. Das Trackmania, das Anfang Juli erschienen und ein Remake von Trackmania Nations ist, hat zum Glück nichts dergleichen. Es gibt darin nicht einmal Mikrotransaktionen. Im Spiel selbst habt ihr keinerlei Möglichkeiten, eure Moneten für irgendwelche Inhalte auszugeben.
Klassengesellschaft
Das Finanzierungsmodell von Trackmania unterscheidet sich grundlegend von dem eines Fortnite, Valorant, Path of Exile und was es sonst noch alles gibt. Es gibt drei Arten von Zugängen: Die Starter-Variante ist komplett kostenlos. Jeder kann das Spiel per Uplay gratis herunterladen und zocken. Allerdings habt ihr dann nicht auf alle Inhalte Zugriff.
Es gibt zwar keinen Battle Pass in Trackmania, aber trotzdem ein Saisonmodell. Eine Spielzeit erstreckt sich über drei Monate und zeichnet sich dadurch aus, dass sie 25 neue, von Entwickler Nadeo designte Strecken bietet. Das bedeutet, jedes Vierteljahr erwartet euch in dem Titel eine neue Wagenladung an Kursen. Das klingt erst mal gar nicht so schlecht, doch zum einen habt ihr euch an 25 Strecken schnell sattgesehen und zum anderen stehen sie euch nicht dauerhaft zur Verfügung, wenn ihr nur Starter-Zugang habt. Sobald eine neue Saison beginnt, könnt ihr euch nicht mehr an den Pisten der vorherigen Spielzeit versuchen.
"Ja, aber es gibt doch noch die User-Strecken und ich kann meine eigenen Kurse basteln", sagt nun der erfahrene Trackmania-Spieler. Grundsätzlich mag das stimmen, doch als Nichtzahler habt ihr im neuen Trackmania nur Zugang zu einem kleinen Teil der Spielerkreationen und einer abgespeckten Variante des Leveleditors. Wollt ihr das Gesamtpaket, müsst ihr Geld in die Hand nehmen. Für zehn Euro im Jahr erhaltet ihr Standard-Zugang und dürft alle Strecken, die nach und nach ins Spiel kommen, behalten. Außerdem stehen euch mehr Nutzerstrecken zur Verfügung, weil ihr etwa alle öffentlichen Kampagnen, die von Mitgliedern von Spieler-Clubs erstellt wurden, zocken dürft.
Apropos Clubs: Um selbst einen gründen oder einem anderen beitreten zu können, braucht ihr den Club-Zugang. Das ist ein Abo, bei dem ihr entweder 30 Euro für ein Jahr oder 60 Euro für drei Jahre bezahlt. Nur damit könnt ihr auch an der Open Grand League teilnehmen.
Die berühmte Katze im Sack
Was mich an diesem Modell stört: Ubisoft packt Inhalte hinter die Paywall. Das an sich wäre gar nicht mal sonderlich schlimm, wenn ich denn einmal Geld bezahlen müsste, um das komplette Spiel direkt zu erhalten. Aber das ist nicht der Fall. Zum einen erwerbe ich nur den Zugang für einen begrenzen Zeitraum. Ja, ich behalte alles, was in dem erscheint, aber nach spätestens drei Jahren werde ich eben wieder zur Kasse gebeten.
Nun könnte man argumentieren, dass ich für den Drei-Jahres-Club-Zugang ja eigentlich eine ganze Menge Inhalte bekomme: 300 offizielle Strecken, dazu etliche User-Kreationen und die Editoren für Strecken, Replays und Fahrzeug-Skins in ihrem vollen Funktionsumfang. Dafür kann man doch schon mal 60 Euro verlangen, oder? Andere Spiele kosten genauso viel, bieten mitunter sogar weniger und werden dann noch mit DLCs erweitert.
Mir geht es an dieser Stelle aber weniger um die Menge als viel mehr darum, dass ich hier die Katze im Sack kaufe. Selbst wenn ich mir nur den Standard-Zugang für ein Jahr hole, kaufe ich aktuell 75 Strecken von Nadeo, die noch gar nicht im Spiel sind und rein theoretisch der größte Rotz sein können (nicht, dass ich das erwarte, die Trackmania-Entwickler haben ja schon ein Händchen für gutes Leveldesign). Im Fall des Club-Zugangs für drei Jahre potenziert sich das nochmal, da wir dann von 275 Strecken sprechen. Noch dazu ist gar nicht gesagt, dass Trackmania überhaupt erfolgreich genug sein wird, dass es in zwei Jahren noch so von Nadeo unterstützt wird, wie das derzeit angekündigt ist? Was, wenn Ubisoft mit den Einnahmen nicht zufrieden ist und 2021 festlegt, dass das Budget deutlich gekürzt wird?
Wenn die Monetarisierung den Spielspaß mindert
Ich bin auch kein großer Fan von Season Passes. Wenn ich Geld für ein Spiel ausgebe, dann möchte ich auch genau wissen, was ich dafür bekomme – nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Wenn ich die Wahl hätte, ob ich mir den Club-Zugang für Trackmania oder den Vorgänger Trackmania Turbo kaufen sollte, ich würde zu letzterem greifen. Das bietet ohnehin mehr Abwechslung, weil es mehrere Szenarien enthält und mich nicht nur in riesigen Stadien herumbrettern lässt.
Das neue Trackmania ist beileibe kein schlechtes Rennspiel. Das Gameplay ist auf dem gewohnt hohen Niveau der Serie und macht schnell süchtig. Man kann es schließlich nicht auf sich sitzen lassen, nur die Silbermedaille auf einer Strecke gewonnen zu haben, also fährt man sie noch etliche weitere Male, bis man die Goldtrophäe einsackt. Aber das Geschäftsmodell fügt dem Ganzen einen für mich faden Beigeschmack hinzu. Ich hätte es deutlich lieber gesehen, wenn Nadeo und Ubisoft statt auf unterschiedliche Zugänge auf In-Game-Käufe wie Skins oder rein dekorative Streckenobjekte zur Nutzung für die eigenen Kurskreationen gesetzt hätte und dafür alle Levels komplett gratis wären. Warum das nicht geschehen ist? Vermutlich haben sich die Verantwortlichen gedacht, dass dieses Modell bei einem Trackmania nicht erfolgreich genug gewesen wäre. Fragt sich nur, ob die gewählte Variante so viel besser laufen wird. Ich habe da so meine Zweifel.