Jens ist in FUSER verliebt und findet es schade, dass scheinbar nur wenige andere dem Spiel eine Chance gegeben haben.
FUSER: Dieses clevere Musikspiel solltet ihr nicht übersehen
Es ist jedes Jahr das Gleiche: Während im Sommer so gut wie keine interessanten Videospiele auf den Markt kommen, überfluten die Hersteller ihn im Herbst mit Blockbustern. Zugegeben, Ersteres trifft auf das Gaming-Jahr 2020 nicht zu (immerhin gab es The Last of Us: Part 2 und Ghost of Tsushima in der warmen Jahreszeit), Letzteres hingegen schon. Call of Duty: Black Ops – Cold War, Assassin's Creed Valhalla, Watch Dogs Legion, FIFA 21, Immortals Fenyx Rising, die Launch-Titel der PS5 und natürlich Cyberpunk 2077 – zwischen September und Dezember war kein Platz für Langeweile, weil fast jede Woche ein spannender Titel erschienen ist. Klar, das manches Werk dabei untergegangen ist. Das ist besonders schade, wenn es ein so gut designtes und innovatives Spiel wie FUSER trifft.
Ein teures Spiel, für das im Herbst keine Zeit war
Ich hatte seit der Ankündigung des jüngsten Musikspiels aus dem Hause Harmonix (Guitar Hero, Rock Band) richtig Bock darauf. "Eine DJ-Simulation, in der ich spielerisch eigene Mash-ups von bekannten Songs erstelle? Wo soll ich unterschreiben?", dachte ich damals. Zum Release habe ich FUSER aber erst einmal links liegen lassen müssen. Das Ding kam halt am 10. November auf den Markt, zeitgleich mit Assassin's Creed Valhalla, Yakuza: Like a Dragon und der PS5 (zumindest erschien sie an dem Tag in den USA, Kanada, Mexiko, Japan, Südkorea, Australien sowie Neuseeland und wir bekamen zeitgleich unsere Redaktionskonsole). Da war schlichtweg kein Platz für DJ-Sessions in meinem Zeitplan.
Im Weihnachtsurlaub konnte ich das Spiel aber nicht mehr weiter ignorieren: Im Steam Sale habe ich mir die VIP Edition gekauft, die 25 Extra-Songs enthält und selbst mit Rabatt noch teuer genug war (75 Euro). Und damit habe ich nicht mal alle Lieder, die verfügbar sind. Es gibt schließlich noch über 20 weitere Tracks, die ich einzeln für jeweils 1,99 Euro erwerben kann. Ja, man kann sehr viel Geld in FUSER investieren. In dieser Hinsicht steht es also ganz in der Tradition von Guitar Hero und Rock Band.
Musik zum Herumspielen
Spielerisch ist es aber was ganz Anderes als die großen Musikspiele der 2000er. Hier drückt ihr eben nicht im richtigen Zeitpunkt auf Plastikinstrumente, was mit Musik so viel zu tun hat wie DSDS, sondern mixt ganz unterschiedliche Songs zusammen und versucht, wohlklingende Mash-ups zu kreieren. In FUSER seid ihr wirklich musikalisch – so sehr wie in kaum einem anderen Spiel zuvor.
Was am Anfang der Kampagne noch sehr seicht wirkt, weil ihr einfach nach und nach die diversen Tonspuren der einzelnen Tracks miteinander vermischt (die Drums aus Song A mit den Gitarren aus Song B, dem Bass aus Song C und dem Gesang aus Song D), wird im weiteren Verlauf richtig komplex. Irgendwann spielt ihr eigene (digitale) Instrumente, erstellt damit Loops, greift auf unterschiedlichste Effekte zurück, verändert selbst die Tonart und das Tempo und erlernt mehrere DJ-Techniken. Klar, ihr werdet danach euch wohl kaum hinter Turntables stellen und das Publikum in einem Club so gut unterhalten können wie ein Martin Garrix oder Calvin Harris. Aber ihr werdet zumindest verstehen, dass mehr dazu gehört, ein guter Discjockey zu sein, als nur Songs abzuspielen. Und vielleicht erschafft ihr eben auch den einen oder anderen richtig coolen Mash-up.
Keine guten Zahlen
Das Konzept von FUSER ist absolut genial und ich habe schon Stunden damit verbracht, einfach nur im "Freestyle"-Modus für mich allein Songs zu mixen und meine eigenen Kreationen zu erstellen. Die dürfen leider nur maximal 64 Takte lang sein, was wirklich nicht viel ist und hoffentlich noch per Patch erweitert wird, cool ist es trotzdem. Und eigentlich könnte ich auch sehr viel Spaß damit haben, entweder im Koop zu "freestylen" oder mich im PvP mit anderen Hobby-DJs zu duellieren. Es gibt da bloß ein Problem: Zumindest auf dem PC, meiner präferierten Plattform, findet man kaum, sogar fast gar keine Spieler.
Ich weiß nicht, wie es auf den Konsolen aussieht, aber auf Steam haben wohl nicht sonderlich viele Leute FUSER gekauft. Derzeit zählt das Spiel gerade einmal knapp über 600 Bewertungen auf der Distributionsplattform von Valve. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass nur ein Bruchteil der Käufer auch Reviews schreibt, ist es wahrscheinlich, dass die Verkaufszahlen bestenfalls im niedrigen fünfstelligen Bereich liegen – eher darunter, denn ein Blick auf SteamCharts.com verrät: Der Maximalwert an zeitgleich aktiven Spielern wurde kurz nach Release erreicht und liegt gerade einmal bei 837. In den vergangenen 30 Tagen betrug der Höchststand nur 268, während die durchschnittliche Spielerzahl bei 88,3 liegt. Ein Erfolg ist was anderes.
Gut, FUSER ist auch im Epic Games Store erhältlich, aber es ist unwahrscheinlich, dass dort mehr Leute zugeschlagen haben als auf Steam. Da es auf der Plattform des Fortnite-Entwicklers keine Review-Funktion gibt und auch keine SteamCharts-ähnliche Seite mit Daten zu den Spielerzahlen existiert, fehlen uns diesbezüglich jedoch Anhaltspunkte dafür, wie erfolgreich FUSER dort ist. Verkaufszahlen für die Konsolenversionen liegen uns ebenfalls nicht vor. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass die millionenfach abgesetzt wurden. Denn dann hätte Publisher NCsoft sicherlich längst eine entsprechende Pressemitteilung herausgegeben.
Hoffnung auf späten Erfolg
Es wäre äußerst schade, wenn sich FUSER wirklich als Flop erweisen und Harmonix es deshalb nicht langfristig unterstützen sollte. Ich habe mich wirklich ein wenig in dieses Kleinod verliebt. Ich mag Musikspiele per se, habe zuletzt 2015 mit Guitar Hero Live sehr viel Freude gehabt und finde es schade, dass das kein Erfolg geworden ist und darum dessen Online-Funktionen längst deaktiviert wurden. Aber FUSER ist für mich das Beste, was das Genre bislang hervorgebracht hat, eben weil ich darin selbst kreativ werden kann und nicht bloß mein Geschick beweise, indem ich irgendwelche schnellen Metal-Songs auf höchstem Schwierigkeitsgrad fehlerfrei spiele (was ich eh nie geschafft habe).
Ich hoffe so sehr darauf, dass FUSER nun, wo die Flut an Blockbustern abgeflaut ist und die nächste noch eine Weile auf sich warten lässt, doch noch eine größere Menge an Spielern findet. Niemand, der auch nur ansatzweise musikalisch interessiert ist, sollte es ignorieren. Ihr müsst nicht mal zwingend ein Fan von elektronischer Musik sein, denn die Auswahl im Spiel deckt auch andere Genres wie Rock, Hip Hop und sogar Country ab. Verdammt, ihr könnt hier "Killing in the Name" von Rage Against the Machine mit "Dragostea Din Tei" von O-Zone mixen! Möchte man das? Nun, bevor ich FUSER gespielt habe, wäre mir bei dem Gedanken wohl mein Mittagessen hochgekommen. Aber jetzt weiß ich: Das kann enorm lustig sein. Und neben so verrückten Mash-ups sind eben auch richtig gute Sachen machbar, etwa wenn ihr "Bring Me to Life" von Evanescence mit "Blinding Lights" von The Weeknd kombiniert.
Ja, ich weiß, der Einstiegspreis ist recht hoch. Rein darauf bezogen, was FUSER spielerisch zu bieten hat, ist es eigentlich keine 60 Euro wert. Aber ihr habt eben auch schon in der Basisversion über 80 Songs und Musiklizenzen sind nicht billig. Gebt dem Ding daher eine Chance! Auf dem PC könnt ihr es ja im Zweifelsfall nach zwei Stunden wieder zurückgeben, wenn es euch nicht zusagt. Ein schlechtes Spiel kauft ihr euch hier aber auf gar keinen Fall, denn FUSER ist meiner Ansicht nach in Sachen Gamedesign einer der besten Titel des vergangenen Jahres. Und jetzt entschuldigt mich, ich muss zurück auf die Bühne!