Cyberpunk 2077 erzählt nicht nur eine gute Geschichte, aber nicht alle sind erstklassig.
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In Night City gibt es viel zu tun
In unserem Test zu Cyberpunk 2077 haben wir es bereits angerissen: CD Projekt RED hat nach The Witcher 3: Wild Hunt erneut ein riesiges Open-World-Spiel gebastelt, das neben seiner Hauptgeschichte enorm viele optionale Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. An dieser Stelle gehen wir näher auf all das ein, was ihr eben abseits der Story rund um den Biochip mit Johnny Silverhands digitalisierter Persönlichkeit in Night City tun könnt.
Keine Entspannung für V
Man soll ja immer mit den schlechten Nachrichten anfangen und dann die guten folgen lassen. Wir halten uns daran und teilen euch mit: Es gibt keine Minigames und Freizeitbeschäftigungen in Cyberpunk 2077. Dabei haben die meisten Spieler genau so etwas sicherlich erwartet. Das hat dann einen von zwei Gründen (oder beide): Einerseits wurde das Spiel im Vorfeld immer wieder mit GTA 5 verglichen – ist ja auch kein Wunder, spielt es doch in einer Großstadt, die ihr frei mit diversen Autos befahren könnt. Jeder Titel dieser Art weckt automatisch Erinnerungen an Rockstars Gangster-Epos. Und GTA 5 bietet ja nicht nur zahlreiche Haupt- und Nebenmissionen, sondern lässt euch auch beim Tennisspielen, Golfen oder der Jagd auf wilde Tiere entspannen – und das ist nur ein Bruchteil der Nebenaktivitäten.
Andererseits wäre da The Witcher 3, das nicht nur gezeigt hat, wie gut eine riesige Open World und dichtes Storytelling zusammenpassen können, sondern auch eines der besten "Minispiele" (die Anführungszeichen sind bewusst gesetzt) aller Zeiten enthält: Gwent oder Gwint, wie es in der deutschen Version des Fantasy-Abenteuers heißt. Das Kartenspiel rief so viel positive Resonanz hervor, dass CD Projekt RED sich sogar dazu entschied, ein eigenes Spiel daraus zu machen – letztendlich sind es sogar zwei geworden: der Free-to-Play-Multiplayer-Titel Gwent: The Witcher Card Game und das Singleplayer-RPG Thronebreaker: The Witcher Tales. Die Erwartung, dass es in Cyberpunk 2077 Nebenbeschäftigungen und wieder ein solch elaboriertes Minigame wie Gwent geben würde, waren vollkommen berechtigt. Doch nichts davon ist vorhanden.
Wettkämpfe mit Story-Kontext
Na gut, das stimmt nicht zu 100 Prozent. Es gibt sehr wohl zwei Arten von Freizeitaktivitäten, die aber in Form von Nebenquests implementiert sind und somit auch Geschichten erzählen. Das sind zum einen illegale Autorennen und zum anderen Faustkämpfe – spielerisch beides nicht weltbewegend, aber erzählerisch ganz nett. Mehrfach könnt ihr sie nicht absolvieren, um so Geld zu verdienen. Gewinnt ihr einen Kampf oder ein Rennen, ist die entsprechende Mission abgeschlossen.
Die Rennen sind zentraler Bestandteil einer Questreihe rund um einen Charakter, den ihr im Verlauf der Haupt-Story trefft, und die Arenakämpfe konfrontieren euch mit Gegnern, die stets eine Hintergrundgeschichte haben. Da wären zum Beispiel die Zwillinge, die so eng miteinander verbunden sein wollten, dass sie ihre Persönlichkeiten quasi verschmolzen haben und nun eine Person mit zwei Körpern sind – was Cyberware nicht alles ermöglicht.
Abseits dieser zwei Aktivitäten gibt es aber eben nichts, was euch von eurem Söldneralltag mal abschalten lässt, sofern ihr es euch nicht bloß in eurer Wohnung gemütlich machen und das Fernsehprogramm verfolgen wollt. Ihr findet zwar immer wieder mal Läden, in denen Arcade-Automaten stehen, auf denen unter anderem ein Plötze-Spiel läuft (Witcher-Fans wissen Bescheid), aber ihr könnt nicht mit ihnen interagieren. Und auch wenn Glücksspiel in Night City ein großes Ding ist, könnt ihr selbst nicht in Kasinos gehen und dort eure hart verdiente Kohle verprassen. All das ist schade, aber kein Beinbruch für Cyberpunk 2077. Denn einen Mangel an Inhalten kann man ihm nun wirklich nicht vorwerfen.
Da muss man schon an Ubisoft denken
Wenn ihr nach den Auftaktmissionen die Weltkarte das erste Mal öffnet, erschlägt sie euch mit einer Riesenmenge Icons. Je weiter ihr voranschreitet, desto mehr werden es. Schnell könnt ihr euch vor gelben Frage- und Ausrufezeichen nicht mehr retten. Ganz wichtig: Wie viele euch davon auf der Karte angezeigt werden, hängt nicht von eurem Charakter-, sondern Street-Cred-Level ab. Das ist ein zweiter Wert, den ihr erhöht, indem ihr eben Missionen absolviert. Je höher er ist, desto mehr und bessere Waffen, Klamotten und Cyberware könnt ihr bei Händlern kaufen und desto mehr Quests werden freigeschaltet.
Die Nebenaufgaben in Cyberpunk 2077 sind in mehrere Ober- und Unterkategorien unterteilt. Grundlegend gibt es schon mal die Unterscheidung zwischen gelben und blauen Icons auf der Map. Erstere stehen sozusagen für die richtigen Nebenmissionen, letztere für Aktivitäten, die ihr für das NCPD, die örtliche Polizei, erledigt. Zu denen kommen wir weiter unten. Bleiben wir erst mal bei den gelben Symbolen. Hinter denen verbergen sich grundlegend zwei Arten von Quests: die, die im Spiel auch offiziell als Nebenmissionen bezeichnet werden, und "Aufträge" (im Englischen "Gigs"). Letztere sind sozusagen das täglich Brot von V. Es handelt sich um Aufgaben, die euch die Fixer erteilen. Sie sind quasi Vermittler von Söldnerjobs und in jedem Bezirk von Night City gibt es einen von ihnen, der euch direkt anruft, wenn ihr seinen Stadtteil das erste Mal betretet.
Viele Jobs für Söldner
Ihr müsst die Fixer nicht in ihren Büros aufsuchen, um Aufträge anzunehmen. Es reicht, in der Nähe eines Missionsorts zu sein. Dann meldet sich der jeweilige Fixer telefonisch bei euch und die Quest landet automatisch in eurem Journal. Die Aufträge sind weniger Story-lastig als die offiziellen Nebenmissionen und ihr könnt sie zumeist in wenigen Minuten erledigen, wobei das auch stets von eurem Spielstil abhängt. Wer schleicht, braucht eben länger als die Rambos unter euch.
Das Schöne an den Fixeraufträgen: Für jeden von ihnen gibt es eine handgebaute Location, die alle Spielstile gleichermaßen unterstützt. Ihr werdet also stets mehrere Einstiegspunkte und mögliche Routen zum Ziel finden. Zudem ist es nicht so, dass diese Quests gar keine Geschichten erzählen oder generisch wirken. Es gibt immer eine Form von Environmental Storytelling und oftmals Textdokumente zu finden. Manchmal sind auch Dialoge Teil von Missionen, aber nicht in dem Ausmaß wie in den größeren Quests.
Geschichten gibt es immer
Im Kern macht ihr zwar immer wieder das Gleiche (mal müsst ihr eine Zielperson ausschalten, mal ein Item klauen, mal jemanden retten), aber das Leveldesign ist stets interessant und es gibt eben immer einen erzählerischen Kontext. Letzterer schwankt jedoch in seiner Qualität. Ziemlich gut fanden wir etwa die Geschichte rund um einen der insgesamt 17 Cyberpsychos, die ihr für die Fixer erledigen sollt – das sind übrigens Menschen, die sich so viel Cyberware haben einbauen lassen, dass sie durchgedreht sind. Besagte Person hat auf dem Pacifica Pier mehrere Menschen erschossen. Wer sich dort genau umsieht, findet heraus, dass die Tyger Claws, eine der Gangs in Night City, die Tochter des Kerls entführt haben. Dumme Idee, denn der Mann war früher in einer Spezialeinheit des Militärs.
Wie CD Projekt RED hier eine Geschichte ohne Zwischensequenzen und lange Dialoge erzählt, ist fantastisch. Leider erreichen eben nicht alle Gigs diese Qualität. Daher können sie auch nicht mit den Hexeraufträgen aus The Witcher 3 mithalten, in die die Entwickler mehr Aufwand gesteckt haben. Zeitverschwendung sind die Fixer-Missionen trotzdem nicht, weil eben das Gameplay Laune macht und ihr die monetären Belohnungen gut gebrauchen könnt, um euch zum Beispiel neue Cyberware zu kaufen.
Die Highlights abseits des Hauptpfades
Die gelben Icons auf der Map in Cyberpunk 2077 stehen aber eben nicht nur für Fixer-Aufträge. Zum einen kann es sich dabei um die Standorte von Autos handeln, die euch die Fixer für teilweise sehr viel Geld verkaufen, zum anderen um Nebenquests, die ihr etwa von fremden Personen erhaltet. Zum Beispiel gibt es im Club Afterlife einen Typ, der möchte, dass ihr ein Paket für ihn abholt – klingt nach einer öden Fetch Quest, hat aber einen Twist. An anderer Stelle helft ihr jemandem, der Schmerzen in einer, sagen wir mal, sehr empfindlichen Körperzone hat. Wo die Hauptquests in Cyberpunk 2077 durchgehend ernst und düster sind, finden sich in den Nebenmissionen öfters leichtherzige Momente. Das gefällt uns sehr, denn dieser Ausgleich ist auch wirklich nötig.
Die besten Nebenquests des Spiels sind letztendlich aber die, die ihr von Charakteren erhaltet, welche ihr während der Hauptgeschichte kennenlernt. Sie stehen den Hauptmissionen in nichts nach, vertiefen die Profile der Figuren, führen mitunter sogar zu Romanzen – und ja, auch zu Sex. Inhaltlich wollen wir da gar nicht ins Detail gehen, zumal einige dieser Questreihen (ja, es handelt sich hierbei um lange Auftragsketten, die euch mehrere Stunden beschäftigen) auch Auswirkungen auf den Verlauf der Haupt-Story haben. Daher müsst ihr einfach so auf unsere Empfehlung vertrauen, sie alle zu machen. Jede einzelne davon lohnt sich.
Auch die Polizei zählt auf euch
Kommen wir abschließend noch zu den erwähnten NCPD-Missionen, die im Spiel jedoch bloß als Nebenaktivitäten klassifiziert sind. Sie sind die simpelste Form von Beschäftigung in Night City, da es in der Regel bloß darum geht, alle Gegner auszuschalten. Hier und da müsst ihr mal noch Beweismittel sichern (die bekommt ihr als Loot von einem Feind), aber das war es dann auch schon. Wirklich spannend sind diese Aufträge nicht, aber auch hier findet sich immerhin ein wenig Storytelling.
Manchmal sind mehrere NCPD-Missionen sogar erzählerisch miteinander verbunden, etwa wenn ihr in einem Fall die Leiche einer Person findet und in einem anderen deren Unterschlupf. Trotzdem: Ihr solltet Cyberpunk 2077 besser nicht mit der Maßgabe spielen, alle NCPD-Aktivitäten abzuarbeiten. Nehmt hier und da mal was mit, wenn ihr gerade zufällig daran vorbeifahrt, aber konzentriert euch sonst auf die Nebenmissionen und Fixer-Aufträge! Damit allein seid ihr ja bereits etliche Stunden über den Umfang der reinen Hauptgeschichte hinaus beschäftigt.
Fazit
Alles in allem bietet Cyberpunk 2077 genug optionale Inhalte, um euch 50 bis 100 Stunden zu beschäftigen. Nicht alles davon ist auf höchstem Niveau, aber das ist in The Witcher 3 nicht anders gewesen. Und eines steht fest: Wir haben lieber die etlichen halbgaren NCPD-Missionen im Spiel als ein Pendant zu den Schmugglerfässern in Skellige. So etwas gibt es in Cyberpunk 2077 nicht und das ist gut so.