Die Siedler feiert sein 25-jähriges Jubiläum mit einer History Collection. Wir lassen die Reihe Revue passieren.
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Faszination Siedler
Wir schreiben den 21. Juli 1969. An jenem Tag wird Geschichte geschrieben. Nicht nur, dass Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins ihre Reise zum Mond antreten, es wird auch einer der bekanntesten deutschen Spieleentwickler geboren. Die Rede ist von Volker Wertich, dem Schöpfer einer der bedeutendsten Computerspielreihen unseres Heimatlandes. Mit Die Siedler erschuf er Anfang der Neunziger einen Aufbautitel, der viele Jahre später als Klassiker des Genres gelten sollte.
Bis heute hat es die Serie auf sieben Hauptteile plus einige Spin-offs gebracht. Nicht immer war dabei alles rosig, aber Die Siedler hat nach wie vor eine große Fangemeinde, die sich nicht nur auf den für 2019 angekündigten Reboot freuen kann, sondern sicherlich auch großes Interesse an der morgen erscheinenden History Collection hat, die Siedler 1 bis 7 in für moderne PCs optimierten Versionen enthält. Die Veröffentlichung dieser Sammlung haben wir zum Anlass genommen, um einen Blick zurückzuwerfen und darzulegen, was an der Reihe so faszinierend ist und warum sie den Neuanfang im kommenden Jahr dringend nötig hat.
Es war einmal in Deutschland…
Wir Deutschen lieben Aufbauspiele und Wirtschaftssimulationen. Das ist kein Geheimnis. Wo es in anderen Ländern deutlich beliebter ist, in Videospielen die Sau rauszulassen und besonders viel zu zerstören beziehungsweise zu töten (was wir natürlich auch ganz toll finden), scheint kaum eine Nation es so sehr zu mögen, eigene Städte zu errichten oder Unternehmen zu managen wie wir zwischen Alpen und Nord- sowie Ostsee. Viele große Klassiker beider Genres stammen auch aus Deutschland. Die Siedler ist das wohl bekannteste Beispiel, existiert die Marke doch bis heute. Von Serien wie Patrizier oder Cultures kann man das nicht mehr behaupten.
1993 nahm alles seinen Anfang. Damals erschien das erste Die Siedler für den Amiga, ein Jahr später folgte die Portierung auf den PC. Zwei Jahre lang programmierte Volker Wertich bei Blue Byte das Strategiespiel und die Mühe sollte sich lohnen. Das auf den ersten Blick recht simple Spielprinzip, das bei näherer Betrachtung aber einen großen Tiefgang offenbarte, kam gut an. Die Siedler war erfolgreich genug, damit Blue Byte eine Fortsetzung produzierte. Die entstand jedoch ohne das Mitwirken des Serienschöpfers Wertich. Wie sich im Nachhinein herausstellte, war das aber überhaupt kein Grund zur Sorge.
Die Siedler 2: Veni, Vidi, Vici gilt bei vielen Fans der Reihe bis heute als der beste Teil. Das Debüt der Marke war bereits reif für den Aufbauspielolymp, doch erst der Nachfolger machte Die Siedler wirklich unsterblich. Dabei hatte sich an der Spielmechanik im Großen und Ganzen nicht viel verändert. Es gab lediglich mehr von allem: mehr Waren, mehr Gebäude, mehr Berufe. Und Die Siedler 2 sah dank neuer Engine deutlich hübscher aus als sein Vorgänger.
Viele Waren, viel Gewusel
Was Die Siedler, egal ob nun im ersten oder zweiten Teil, zu so einem spaßigen Spiel machte, war das clevere Konzept: Ihr seid der Herrscher eines Volkes und habt das Ziel, eine prächtige Stadt aufzubauen. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Wirtschaft. Geht es in Anno vorrangig darum, eure Bewohner zufriedenzustellen, stellt ihr mit der Warenproduktion in Die Siedler sicher, dass ihr immer mehr Gebäude errichten und euren Einflussbereich auf der Karte erweitern könnt. Letzteres bedeutet auch, eine Armee aufzustellen und gegnerische Spieler zu besiegen, um deren Territorium zu erobern. Zwar könnt ihr den Soldaten nicht aktiv Befehle erteilen und Kämpfe sind auch kein zentrales Spielelement, dennoch ist das Langzeitziel in jeder Partie die Kontrolle über die gesamte Spielwelt.
Die große Besonderheit von Die Siedler ist, dass jede Ressource und jeder Siedler im Spiel physisch vorhanden sind. Das bedeutet, dass zum Beispiel jedes Stück Holz, das in eurem Lager landet, einzeln abgebaut wird und von einem Träger von der Holzfällerhütte zu eurer Burg gebracht wird. Und wenn ihr 100 Siedler in eurer Stadt habt, dann sind auf den Straßen und bei den unterschiedlichen Produktionseinrichtungen auch genauso viele Männchen zu sehen. Das führt dazu, dass auf dem Bildschirm die ganze Zeit ordentlich Bewegung herrscht. Die Siedler war es, das den Begriff „Wuselfaktor“ geprägt hat – und das absolut zu recht.
Von 2D zu 3D
Auf Die Siedler 2 folgte im Jahr 1998, wer hätte das gedacht, Die Siedler 3. Volker Wertich war wieder als leitender Entwickler mit an Bord und die Grafik machte erneut einen großen Sprung. Spielerisch sollte die bewährte Formel nicht ganz unberührt gelassen werden. Die offensichtlichste Änderung betraf die Wege: In den ersten beiden Teilen waren die noch zwingend notwendig, damit die Siedler von A nach B kamen. In Teil 3 ließ Blue Byte das System komplett weg, Träger und Co fanden ihre Wege selbstständig. Außerdem spielte das Militär eine größere Rolle, da ihr eure Soldaten aktiv steuern konntet. Die Hardcore-Fans der beiden Vorgänger waren mit diesen Veränderungen nicht ganz glücklich, trotzdem war Die Siedler 3 immer noch sehr erfolgreich und beliebt.
Mit Teil 4 trennten sich die Wege von Volker Wertich und Die Siedler endgültig – na ja, zumindest dachten wir das bis zur gamescom dieses Jahres noch, wo der Reboot angekündigt und bekannt gegeben wurde, dass der Serienschöpfer an der Entwicklung beteiligt ist. Die Siedler 4 erschien 2001 und war der letzte 2D-Titel der Reihe, der das Konzept seines direkten Vorgängers weiter verfeinerte und damit auf viel Anklang stieß. Doch danach ging es leider bergab. Das Ende der 2D-Ära markierte Die Siedler: Das Erbe der Könige im Jahr 2004. Es war der erste Ableger der Marke, der unter dem Banner von Ubisoft erschienen ist. Im Februar 2001, dem Erscheinungsmonat von Die Siedler 4, kaufte der französische Publisher Blue Byte für circa 26 Millionen D-Mark auf.
Veränderungen sind nicht immer gut
Mit dem fünften Teil schlug Die Siedler eine völlig andere Richtung ein als seine Vorgänger. Der Fokus lag nicht mehr auf der Wirtschaft und komplexen Warenkreisläufen, sondern klassischen Echtzeitstrategieschlachten und Heldeneinheiten. Man merkte Die Siedler: Das Erbe der Könige an, dass sich Blue Byte ein wenig am zwei Jahre zuvor erschienen Genremeilenstein WarCraft 3 orientiert hatte. Der Aufbau der eigenen Siedlung spielte zwar immer noch eine größere Rolle als in Blizzards Strategie-Hit, doch das änderte nichts daran, dass das Spiel bei den Fans gar nicht gut ankam. Mit dem fünften Teil entfernte sich die Serie einfach zu sehr von der ursprünglichen Idee. Ein Verkaufserfolg war er zwar trotzdem, sonst hätte es wohl kaum noch zwei Add-ons gegeben, aber heute erinnern sich nur wenige Leute mit Freude an Die Siedler: Das Erbe der Könige.
Blue Byte und Ubisoft haben die Kritik der Spieler aber nicht ignoriert. Um sie zu besänftigen, ließen sie sich etwas Geschicktes einfallen: 2006 veröffentlichte man mit Die Siedler 2: Die nächste Generation ein Remake des zweiten Teils zu dessen zehntem Geburtstag. Spielmechanisch war der Titel fast identisch mit dem Original, von ein paar kleinen Detailänderungen zugunsten eines modernen Spielgefühls einmal abgesehen. Aber dank der charmanten 3D-Optik konnte Ubisoft das Spiel auch denjenigen schmackhaft machen, denen das alte Die Siedler 2 mittlerweile zu altbacken aussah. Die Rechnung ging auf: Die Siedler 2: Die nächste Generation kam bei den Fans richtig gut an und verkaufte sich gut, so dass es zwei Jahre später mit Die Siedler: Aufbruch der Kulturen einen Nachfolger gab, der Elemente aus Teil 2 und 3 miteinander verband.
Dazwischen veröffentlichte Ubisoft 2007 Die Siedler: Aufstieg eines Königreichs. Der sechste Teil legte den Fokus im Gegensatz zum Vorgänger wieder auf den Aufbaupart, die Wirtschaft war aber trotzdem weitaus weniger komplex als in den Anfangsjahren der Marke. Die Produktionsketten waren wesentlich kürzer als in den alten Teilen und darunter litt der spielerische Anspruch. Die Siedler: Aufstieg eines Königreichs näherte sich mehr der Anno-Reihe an, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht von Blue Byte entwickelt und von Ubisoft vertrieben wurde, ohne aber an die Genialität eines Anno 1701 heranzureichen. Es war beileibe kein schlechtes Aufbauspiel, aber eben auch kein richtig großer Hit.
Wenn der Kopierschutz schlaucht…
Mit Die Siedler 7 hätte alles wieder besser werden sollen – und eigentlich wurde es das auch. Blue Byte besann sich wieder darauf, die Wirtschaft in den Mittelpunkt zu stellen. Die Produktionsketten und Warenkreisläufe wurden wieder komplexer und die Träger kehrten nach Jahren der Abwesenheit zurück. Dass sich die Entwickler bei Die Siedler 7 scheinbar ein wenig am Brettspielklassiker „Die Siedler von Catan“ orientiert hatten, machte sich ebenfalls positiv bemerkbar. In den Partien ging es nämlich darum, Siegpunkte zu gewinnen. Das ging auf drei unterschiedlichen Wegen: per geschicktem Handel, das Erobern von Kartensektoren oder die Erforschung von Technologien. Diese Mechanik war ungemein spaßig.
Leider lag auf Die Siedler 7 ein großer Schatten: der Ubisoft Game Launcher. 2010, als das Spiel auf den Markt kam, gehörte es zu den Ubisoft-Titeln, die zu Kopierschutzzwecken eine permanente Internetverbindung benötigten. Das allein ließ die Spieler schon nicht vor Freude jubeln. Ein Online-Zwang bei einem Spiel mit ausgeprägtem Singleplayer-Anteil? Das war in den Augen vieler ein No-Go. Hinzu kam, dass an Ostern 2010, also kurz nach der Veröffentlichung von Die Siedler 7, die Ubisoft-Server dem Ansturm der Spieler nicht standhielten. Es kam zu Verbindungsabbrüchen und längeren Serverausfällen. Letzteres bedeutete wiederum, dass man das frisch erworbene Die Siedler 7 nicht spielen konnte – sehr ärgerlich! Heutzutage ist der Titel glücklicherweise auch offline spielbar, was gut für diejenigen zu wissen ist, die sich die History Collection kaufen wollen.
Ein missglücktes Spiel sorgt für eine lange Pause
Ein Spiel, das bis heute nicht offline spielbar ist, ist Die Siedler Online. Aber da es sich hierbei um ein Browsergame handelt, dürfte das weder irgendwen verwundern noch aufregen. Der Free-to-Play-Titel läuft seit 2010 und gehört definitiv zu den hochwertigsten Spielen im Browser. Und er ist das einzige Die Siedler, das seit 2010 aktiv weiterentwickelt und regelmäßig mit neuen Inhalten erweitert wurde. Abseits davon war es im aktuellen Jahrzehnt nämlich ganz schön ruhig um die Serie geworden.
Dabei hätte es eigentlich anders kommen sollen: 2014 kündigte Ubisoft Die Siedler: Königreiche von Anteria an. Doch die Enthüllung jenes Spiels löste bei den Fans alles andere als Begeisterungsstürme aus. Ähnlich wie schon beim fünften Teil ließ sich Blue Byte von Dingen inspirieren, die so gar nichts mit Aufbauspielen zu tun haben: In Königreiche von Anteria gab es auf einmal Rollenspielelemente in Form von Helden, die im Level aufstiegen und mit der Zeit immer bessere Ausrüstung erhielten. Und diese Helden habt ihr aktiv in Missionen gesteuert, die sich rein auf Kämpfe konzentrierten. Den Aufbau einer Stadt gab es zwar noch, doch in der Kampagne habt ihr nur eine einzige Siedlung errichtet und nicht mehrere Ortschaften auf diversen Karten.
Den Vogel schossen Blue Byte und Ubisoft damit ab, dass das Spiel zum einen eine Online-Pflicht und Mikrotransaktionen haben sollte. Die Siedler: Königreiche von Anteria wirkte wie ein typisches Free-to-Play-Spiel, sollte aber zum Vollpreis verkauft werden. Kein Wunder, dass da Kritik laut wurde. Nicht nur, dass das Spiel wenig mit dem „Die Siedler“-Grundkonzept zu tun haben sollte, es sollte uns auch noch auf besonders perfide Art Geld aus der Tasche locken. 2015 zogen die Verantwortlichen die Konsequenzen aus dem heftigen Gegenwind: Die Betaphase wurde vorzeitig abgebrochen und Blue Byte ging nochmal zurück ans Reißbrett. Letztendlich erschien der Titel 2016 mit einigen inhaltlichen Änderungen und unter anderem Namen. Das „Die Siedler“ im Titel wurde gestrichen und aus Königreiche von Anteria wurde Champions of Anteria. Geholfen hat das dem Spiel nicht wirklich: Es ging komplett unter, konnte spielerisch aber auch nicht überzeugen. Immerhin beschmutzte es so nicht die altehrwürdige Marke, die dafür aber eben viel zu lange brachlag.
Der optimistische Blick in die Zukunft
Dieses Jahr gab es dann endlich wieder eine gute Nachricht für Fans: Die Siedler erfährt einen Reboot, Volker Wertich ist zum ersten Mal seit dem dritten Teil wieder involviert und spielerisch möchte Blue Byte wieder an alte Erfolge anknüpfen. Es soll ein klassisches Aufbauspiel mit umfangreichen Warenkreisläufen, Trägern, manuellem Straßenbau und geringerem Fokus auf Kämpfe werden. Was es bislang von dem Spiel zu sehen gab, macht einen richtig guten Ersteindruck und wir können es kaum erwarten, einmal selbst Hand anzulegen.
Dass Blue Byte sich Wertich an Bord geholt hat und zurück zu den Wurzeln der Serie geht, ohne dabei einfach nur ein Die Siedler 2 in moderner Optik zu produzieren, wie man es 2006 gemacht hat, ist genau der richtige Schritt nach den Experimenten der vergangenen Jahre – zumal es möglicherweise die letzte Chance ist, die Marke vor dem endgültigen Untergang zu bewahren, von Die Siedler Online einmal abgesehen (das hat zwar keine riesige, aber dennoch sehr treue Community). Wenn der neue Teil wieder die Fans enttäuschen sollte und kein Verkaufserfolg wird, könnte das das Ende der Reihe bedeuten. Schließlich hat Ubisoft mit Anno längst eine andere große Aufbaustrategieserie. Die mag vielleicht mit ihren beiden jüngsten Ablegern Anno 2070 und 2205 auch nicht mehr so ganz den Ruhm älterer Teile erreicht haben, die Vorzeichen fürs nächste Spiel, also Anno 1800, stehen aber gut.
Für Die Siedler (der Reboot hat zumindest bislang keinen Untertitel) gilt das Gleiche, auch wenn wir davon noch bedeutend weniger wissen. Aber wir haben großes Vertrauen in Blue Byte und Volker Wertich. Die Siedler ist trotz ihrer Ausreißer nach unten eine tolle Serie und die Entwickler werden alles daransetzen, dass sie das auch noch die nächsten Jahrzehnte bleiben wird. Und wer sich mit der Marke bislang noch gar nicht befasst hat und ein wenig deutsche Computerspielgeschichte nachholen möchte, dem bietet sich nun mit der Die Siedler: History Collection die perfekte Gelegenheit dafür.