Scavengers vermischt diverse Mechaniken beliebter Genres und ist dadurch interessant, aber auch recht überladen.
Scavengers angespielt: Ein wilder Mix
Scavengers ist Battle Royale. Scavengers ist ein Hero-Shooter. Scavengers ist Survival. Scavengers ist wie der "Beutegeld"-Modus von Call of Duty: Warzone. Was ist Scavengers eigentlich nicht? Nun, es ist weder Rogue- noch Souls-like, kein MOBA und es springt auch nicht auf den Sammelkartenspieltrend auf. Aber das wäre ja dann auch zu viel des Guten. Oder Schlechten? Das kommt sicherlich darauf an, wen man fragt.
Fest steht: Scavengers will auf gleich mehreren Hochzeiten tanzen. Das ist sehr gewagt, denn der Einstieg in das Multiplayer-Spiel fällt nicht gerade leicht. Es gibt zwar ein Tutorial, das euch alle wichtigen Elemente näherbringt, aber wir haben trotzdem ein paar Runden spielen müssen, bis wir verstanden haben, wie alles miteinander zusammenhängt. Die Frage ist: Lohnt es sich, diese Hürde zu überwinden?
Eine große Sammelaufgabe
In Scavengers werden 20 Teams à drei Spieler auf einer großen, schneebedeckten Karte abgesetzt. Sie alle spawnen an zufälligen Orten, anstatt wie in Fortnite, PlayerUnknown's Battlegrounds und Co mit dem Fallschirm abzuspringen und sich einen Startpunkt auszusuchen. Das Ziel ist es, die meisten Datenpunkte zu sammeln und am Ende mit einem Flugschiff aus dem Gebiet zu entkommen. Die Punkte lassen sich an bestimmten Orten "abbauen". Es gibt aber auch KI-Feinde, die sie nach dem Tod fallen lassen und Gleiches gilt für menschliche Gegenspieler. Wollt ihr zwischendurch gesammelte Punkte sichern, sucht ihr ein Datenterminal auf und harrt dort eine Weile aus. Was ihr auf diese Weise bunkert, kann euch keiner mehr nehmen.
Wie in einem Battle-Royale-Spiel sucht ihr euch eure Ausrüstung in der Gegend zusammen und wenn ein Team komplett ausgelöscht ist, scheidet es aus der Partie aus. Nur solange noch mindestens ein Mitspieler unter den Lebenden weilt, könnt ihr respawnen. Es geht aber eben primär darum, die meisten Punkte zu sammeln und nicht das letzte überlebende Team zu sein. Zudem müsst ihr nicht all eure Waffen sowie Verbrauchsgegenstände in Kisten, Schränken oder bei Leichen finden. Ihr sammelt nämlich auch Schrott, aus dem ihr Waffen, Rüstung und sonstige Items bastelt – einfach so nebenbei, ihr müsst dafür keine bestimmten Orte aufsuchen.
Helden und Crafting gibt’s auch
Als ob das nicht schon ausreichen würde für einen spaßigen Multiplayer-Shooter, gibt es noch mehr Mechaniken: Zum einen spielt ihr Helden mit einzigartigen Fähigkeiten und Waffen. Immerhin hat jeder Charakter nur einen aktiven Skill, mehr wäre auch angesichts der beachtlichen Anzahl sonstiger Features in Scavengers zu viel des Guten. Die speziellen Waffen müsst ihr stets per Crafting herstellen. In der Early-Access-Version gibt es sieben Helden und sie decken die Genrestandards ab. Es gibt den Sniper, den Tank, den flotten Recken mit Maschinenpistole und die Bogenschützin, die sich kurzzeitig unsichtbar machen kann.
Was ihr in einem Match wann herstellen könnt, bestimmt nicht nur euer Schrotthaushalt, sondern auch euer Level. Innerhalb der Partien sammelt ihr Erfahrungspunkte und steigt im Rang auf. Die Primärwaffe eures Charakters sowie seine Rüstung könnt ihr erst auf Stufe 2 basteln. Obendrein gibt es auch noch Survival-Mechaniken: Ihr müsst immer wieder was essen, weil eure maximale Ausdauer stetig sinkt. Ihr macht also entweder Jagd auf Tiere, sammelt Beeren oder findet Nahrung in Kisten. Und dann ist auch noch das raue Klima der Spielwelt. Auf der Karte wüten Schneestürme, die die Form von Tornados haben und umherwandern. Seid ihr mitten in so einem drin, müsst ihr euch einen sicheren Unterschlupf suchen, an geeigneten Stellen ein Feuer entzünden oder ein bestimmtes Item namens "Thermal-Bonus" verwenden, um nicht zu erfrieren.
Bis hierhin ist das schon sehr viel, was man als Neueinsteiger in Scavengers verarbeiten und verstehen muss – aber noch nicht alles. Es kommt nämlich noch das übergreifende Progressionssystem hinzu: Ihr findet in den Matches diverse Ressourcen. Aus denen könnt ihr wiederum Materialien unterschiedlicher Art gewinnen. Die braucht ihr für die Erforschung von Waffen, Wurfgeschossen (Granaten und Co), Verbrauchsgegenständen und passiven Talenten. Erforschte Items stehen euch aber nicht von Haus aus in den Matches zur Verfügung, sondern sind lediglich für das Crafting freigeschaltet. Jedem Charakter könnt ihr eine Sekundärwaffe, ein Wurfgeschoss und zwei sonstige Gegenstände zuweisen, die ihr mit ihm in den Partien herstellen könnt.
Ein Hauch von Mobilegame
Was an sich eine nette Form von Progression ist, hat einen faden Beigeschmack: Scavengers ist ein Free-to-Play-Spiel. Es soll sich einerseits durch den Verkauf von Skins finanzieren. Andererseits gibt es eine Mechanik, die spielerisch relevant ist und dennoch monetarisiert wird. Keine Sorge, einen Pay-to-Win-Faktor hat Scavengers nicht. Aber es ist nun mal so, dass die Forschung Zeit kostet. Eine neue Waffe freizuschalten, dauert je nach Modell gerne mal 20 oder 30 Minuten. Dieser Vorgang lässt sich durch den Einsatz der Echtgeldwährung "Chips" überspringen. Gleiches gilt, wenn ihr die allgemeine Forschungsstufe erhöhen wollt. Erstmal müsst ihr eine bestimmte Menge an Projekten abschließen, um die nächsthöhere Ebene erforschen zu können. Dann braucht ihr auch hierfür entsprechendes Material und die Forschung dauert dann mehrere Stunden – oder nur eine Sekunde, wenn ihr Chips ausgebt.
Im Early Access könnt ihr noch kein echtes Geld in Scavengers investieren. Der In-Game-Shop ist zwar vorhanden und darin sind auch schon erste Skins, ein EP-Bonus und vier der sieben Helden (nur drei sind von Anfang an freigeschaltet) erhältlich, aber ihr könnt noch keine Chips kaufen. Stattdessen startet ihr, wenn ihr mit Scavengers anfangt, mit einer größeren Menge und es gibt jeden Tag 200 kostenlose Chips, was aber sicherlich nur während der Early-Access-Phase der Fall sein wird. Und wenn die mal vorbei ist, könnte es sehr langwierig werden, Forschungsprojekte abzuschließen.
Vor allem die Herstellung besserer Sekundärwaffen in den Matches ist ein großer Vorteil gegenüber den Spielern, die auf das Glück angewiesen sind, sie zufällig aus Kisten zu ziehen. Nur wird es eben, wenn ihr kein Geld investieren wollt, in der finalen Version lange dauern, bis ihr jene Waffen erforschen könnt und dann auch erforscht habt. Scavengers fordert hier also genauso eure Geduld heraus wie typische Mobilegames – allerdings mit dem gewaltigen Unterschied, dass ihr trotz Wartezeit das eigentliche Kern-Gameplay weiterhin erleben könnt. Ihr werdet also nie Zwangspausen einlegen müssen. Trotzdem kommen wir nicht drumherum, das System zu kritisieren.
Einschätzung
Es gibt mittlerweile genug Free-to-Play-Spiele, die sich nur durch den Verkauf von Kosmetik finanzieren und beweisen, dass man damit sehr erfolgreich sein kann. Warum kann Scavengers nicht den gleichen Pfad einschlagen? Das stört vor allem deshalb, weil der Titel durchaus Spaß macht – wenn man sich mal eingearbeitet hat. Die Map überzeugt vielleicht nicht mit cleverem Design und ähnlich abwechslungsreichen wie einprägsamen Orten, wie sie ein "Verdansk" aus Call of Duty: Warzone oder die Maps in Apex Legends bieten. Aber das Ballern macht dank gutem Trefferfeedback Spaß, die Bewegung durch die Spielwelt geht recht flüssig von der Hand und sobald wir das Konzept in Gänze verstanden hatten, konnten wir ihm auch etwas abgewinnen.
Es könnte aber eben passieren, dass Scavengers viele Spieler abschrecken wird – weniger mit seiner Monetarisierung (wenn sie dann mal im Spiel drin ist), sondern mehr mit seiner überbordenden Anzahl an Mechaniken. Den Hero-Shooter-Aspekt und das Crafting könnte man zum Beispiel auch komplett streichen, ohne dass dem Spiel dadurch viel verlorengehen würde. Ach ja, und vielleicht sollten die Entwickler nochmal die Laufanimationen und Waffensounds überarbeiten. Beides ist nämlich ganz schön mies.