Mit dem Spielestudio gibt uns Nintendo ein Tool an die Hand, um selbst zu Spiele zu erstellen. Wir haben's ausprobiert.
Spielestudio im Test: Mächtiger Spielebaukasten für Hobby-Entwickler
Worum geht es hier eigentlich?
Wir spielen alle gerne, sonst wärt ihr nicht auf dieser Webseite gelandet. Doch die meisten machen sich nur wenige Gedanken, wieviel Arbeit eigentlich hinter der Spieleentwicklung steckt. Das könnt ihr innerhalb eines gewissen Rahmens nun selbst erfahren, dem Spielestudio von Nintendo sei Dank. Allerdings gibt es bereits eine Vielzahl von Produkten, die ebenfalls die Möglichkeit bieten, selbst Spiele zu entwerfen oder zumindest mit den gegebenen Mitteln eigene Projekte auf die Beine zu stellen. Nintendos Spielestudio hingegen stellt jedoch die Entwicklung von Spielen in den Vordergrund und das fast ausschließlich.
Kreativ sein heißt das Motto
Man kann Nintendo vieles vorwerfen. Zum Beispiel, dass sie weiterhin an einigen angestaubten Konventionen festhalten oder selbst zu wenige Spiele für ein erwachseneres Publikum entwickeln und so weiter. Eines kann man dem japanischen Unternehmen aber nicht vorwerfen und das ist Innovationsmangel. Allein in den letzten beiden Jahren sind Produkte wie Nintendo Labo, Mario Kart Live: Home Circuit oder auch Jump Rope Challenge erschienen, die zeigen, dass mit ein wenig Kreativität extrem viel möglich ist. Jetzt fordert uns Nintendo auf, selbst kreativ zu werden und Spiele zu entwickeln.
Spielestudio Gameplay-Trailer:
Das Spielestudio ist kein Spiel im klassischen Sinne. Zwar hat Nintendo alle Register gezogen und dem Programmierbaukasten einen spielerischen Anstrich verpasst, aber im Kern bleibt es eine nüchterne Entwicklungsumgebung. Das zeigt sich schon direkt zu Beginn. Eingebaute Spiele? Sind nicht vorhanden, die müssen erst erstellt werden. Freies Programmieren? Ja, das ist möglich, aber erst, wenn einige Lektionen erfolgreich durchlaufen wurden. Also nichts wie rein ins Programmiervergnügen!
Es beginnt noch ganz harmlos ...
Das Spielestudio ist in zwei Bereiche aufgeteilt. Zum einen gibt es sieben Lektionen, in denen das Programmieren gelehrt wird. Zudem gibt es nach jeder Lektion einige Aufgaben, in denen wir das eben erlernte Wissen einsetzen müssen, um zu beweisen, dass wir verstanden haben, was wir zuvor gelernt haben. Zum anderen kann eben frei programmiert werden. Doch so weit sind wir noch nicht. Zunächst müssen wir verstehen, wie die einzelnen Komponenten zusammenhängen. Dazu gibt es ein Mini-Tutorial, in dem wir lernen, eine Figur zum Laufen und Springen zu bekommen.
Schritt für Schritt zur eigenen Spieleentwicklung
Das ist gar nicht so einfach. Statt uns jedoch endlose Zeilen Code schreiben zu lassen, damit sich schlussendlich einzelne Pixel auf dem Bildschirm bewegen, setzt Nintendo auf Knotixe. Das sind kleine Wesen, die für die verschiedensten Dinge verantwortlich sind. Oder anders ausgedrückt: Hinter diesen Charakteren verbirgt sich die eigentliche Programmierarbeit, mit der wir selbst aber nichts zu tun haben. Stattdessen müssen wir diesen Knotixen “sagen“, welche Eigenschaften sie besitzen sollen, was sie zu tun haben, wenn bestimmte Parameter erfüllt sind und in welchen Beziehungen sie zueinander stehen. Bei simplen Dingen wie etwa einer Laufanimation, die stattfinden soll, wenn wir den Control-Stick drücken, ist das noch relativ einfach nachvollziehbar. Statische Objekte wie eine Wand oder ein herumliegender Apfel lassen sich ebenso leicht umsetzen.
Da muss man erst den Nippel durch die Lasche ziehen ...
Deutlich schwieriger wird es, wenn es sich um einen automatischen 2D-Sidescroller handelt oder ein ganzes 3D-Spiel. Zwar bauen die Übungen Stück für Stück aufeinander auf, aber spätestens wenn Kameraeinstellungen, Perspektiven, Gewinnkriterien und ein automatisch ablaufender Spielbildschirm sowie Zähloperationen anfangen, eine Rolle zu spielen, trennt sich die Spreu vom Weizen. Dann zeigt sich nämlich, wer wirklich kreativ denken kann und wer nur stumpf nach Schema F vorgeht. (Kleiner Spoiler: Wir gehören zur letzteren Gruppe.) In Nintendos Spielestudio wird uns zwar haarklein vorgekaut, wie was funktioniert, aber ohne die entsprechenden Ideen ist das nur die halbe Miete. Wer dieses Grundverständnis mitbringt, ist klar im Vorteil gegenüber anderen, muss aber damit leben, dass Nintendo jede Übung bis zum Erbrechen durchexerziert. Eine Option, diese “Lehrstunden“ zu überspringen, wäre wünschenswert gewesen. Uns hat das, wie viele andere Kollegen, auch gestört, bis wir die Software ein paar Tage haben liegen lassen und wieder einsteigen wollten. So überfürsorglich die ganzen Erklärungen sind, so hilfreich sind sie doch, wenn wir einmal der Faden verloren hatten. Außerdem existieren noch weitergehende Übungen, die aber nicht zwingend notwendig sind.
Spiele ohne Publikum? Das geht besser!
Nintendo hat aber an anderer Stelle einen kapitalen Fehler gemacht. In Spielestudio selbst gibt es keine Möglichkeit, nach Spielen von anderen Leuten zu suchen. Man benötigt zwingend die Spiel-ID oder Ersteller-ID, um sich Produkte von anderen anzusehen und auszuprobieren. In Zeiten von Social Media, Foren und Co können diese IDs zwar schnell geteilt werden, aber komfortabel ist anders. Daher wird Spielern und Nachwuchsprogrammierern nichts anderes übrig bleiben, als über andere Kanäle ihre Werke zu bewerben und Webseiten wie Reddit oder MyGarage.Games zu nutzen. Löblich ist dagegen die Maus-Unterstützung im TV-Modus der Switch. Einstöpseln, anschalten und los geht’s! Statt mit Buttons oder Touchscreen verknüpft ihr mit der Maus die einzelnen Knotixe und bastelt so lange herum, bis hoffentlich ein Spiel dabei entsteht. Außerdem ist es mit der Maus einfacher, selbst Texturen und Sprites zu zeichnen, damit nicht alle Werke ähnlich aussehen.
Fazit
Wir haben bewusst auf eine Wertung verzichtet, da es sich bei Spielestudio nicht um ein Spiel handelt. Stattdessen erstellen wir selbst unsere eigenen Titel und haben dementsprechend den Spielspaß selbst in der Hand. Was Nintendo allerdings fabelhaft gelungen ist, ist das Heranführen an die Entwicklung auf spielerische und verständliche Art und Weise. Außerdem sind die Knotixe einfach ein paar putzige Kerlchen. Allerdings dürfte sich die Zielgruppe für diese Software als sehr klein erweisen, denn eine gewisse Leidenschaft zum Erstellen von Inhalten sollte man schon haben und Kenntnisse über Wenn-Dann-Bedingungen sind von Vorteil. Wer sich aber durchbeißt und einen Plan hat, kann ziemlich beeindruckende Spiele erschaffen.