Pentiment ist ganz anders, als man es erwarten würde und es ist definitiv nichts für den Massenmarkt.
Pentiment im Test: Bayrisch-gemächliches Adventure für ruhige Stunden
2022 ist aus spielerischer Hinsicht schwierig, zumindest für Microsoft. Mit As Dusk Falls ist in diesem Jahr bisher erst eine wirkliche Neuveröffentlichung erschienen, die von den Xbox Game Studios stammt. Einen richtig großen Blockbuster gibt es in diesem Jahr gar nicht. Die einzige weitere Neuveröffentlichung, mit der man ins Weihnachtsgeschäft geht, ist ein eher kleines Projekt von Obsidian Entertainment. Das Adventure Pentiment entführt euch ins 16. Jahrhundert nach Bayern. Wir haben uns ebenfalls auf die Reise ins Mittelalter begeben und das sind unsere Eindrücke.
Auf ins Nürnberg des 16. Jarhunderts
In Pentiment schlüpft ihr in die Rolle von Andreas Maler, einem Künstlergesellen, der sich im 16. Jahrhundert in Oberbayern durchschlägt. Er arbeitet nach seinen Wanderjahren nun im Skriptorium der Abtei Kiersau. Irgendwann in der Zukunft steht seine Hochzeit mit einer Frau, die er noch nie zuvor getroffen hat, an. Aber bevor es soweit ist, sieht er sich mit einer Reihe von Morden konfrontiert.
Das Besondere dabei ist, dass sich die Handlung nicht über einen kurzen Zeitraum, sondern über 25 Jahre zieht und in dieser Zeit kann einiges passieren. Nichts ist, wie es scheint.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Der größte Teil des Spielverlaufs besteht aus Dialogen: Davon gibt es eine Menge, gerade zu Beginn von Pentiment. Das Spiel benötigt nämlich etwas Zeit, bevor es richtig losgeht. Doch blindlings die Dialoge wegklicken, solltet ihr dennoch nicht. Je nachdem, mit wem ihr sprecht und ob ihr zum ersten Mal mit einer Person sprecht, könnt ihr beispielsweise euren Bildungshintergrund und andere Details aus eurem Leben bestimmen. Das wirkt sich später auf weitere Konversationen und Begegnungen aus.
Sobald nämlich der erste Mord passiert ist, geht es vor allem um die Details und Nuancen in einem Gespräch. Schließlich wollt ihr ja irgendwie den Mörder finden. Das kann sich jedoch manchmal etwas hinziehen, denn nicht jeder Bewohner erzählt etwas Wichtiges und bevor ihr das Gespräch nicht begonnen habt, könnt ihr das nicht wissen. Oft sind andere aktuelle Dinge, die die damalige Gesellschaft umtrieben hat, ebenfalls Gesprächsthemen. Dank verschiedener Auswahlmöglichkeiten dürft ihr versuchen, ein Gespräch in eine bestimmte Richtung zu lenken oder euren Standpunkt zu verdeutlichen.
Details in Hülle und Fülle
Damit ihr nie den Überblick verliert, wird im Hintergrund ein umfangreiches Tagebuch geführt. Dort werden Details zu allen Personen, die ihr getroffen habt, festgehalten. Es gibt eine Karte, ein Glossar, die aktuelle Aufgabe und weitere Informationen betreffend eurer Persönlichkeit. Insbesondere die Karte ist in den ersten Spielstunden wichtig. Durch die 2D-Perspektive und viele verwinkelte Wege braucht es etwas Zeit, bis man sich zurechtfindet. In diesem Fall ist die Karte Gold wert.
Zudem ist euer Leben in Pentiment von vielen Laufwegen geprägt. Da geht es mal zur Abtei, dann auf den Friedhof oder in die örtliche Taverne, um abends etwas zu speisen oder eine Runde Karten zu spielen. Gerade bei einem solchen Treffen, vor allem, wenn der Alkohol in Strömen fließt, lassen sich dem einen oder anderen Verdächtigen ein paar mehr Informationen entlocken. Oder ihr spaziert einfach so durch die Straßen und hofft, dass ihr ein interessantes Gespräch belauschen könnt.
Minispiele, Ermittlungen und mehr
Bedingt durch die lange Zeitspanne, solltet ihr aber genau überlegen, wie ihr antwortet und in welchem Tonfall ihr redet, denn die Entscheidungen wirken sich auf folgende Generationen aus. Das kann Ermittlungen Jahre später entweder erschweren oder erleichtern. Zu beachten ist auch, dass es verschiedene Enden gibt, je nachdem, wie ihr euch zuvor entschieden und wen ihr verdächtigt habt. Es kann also sein, dass eure Handlungen das Schicksal einzelner Dorfbewohner beeinflussen. Ein Richtig oder Falsch gibt es in Pentiment nicht.
Um das Ganze etwas aufzulockern, werden einige der täglichen Aufgaben, die Menschen in dieser Epoche hatten, in kleine Minispiele verpackt. Beispielsweise futtert ihr während eines Gesprächs eure Mittagsmahlzeit, die aus Roggenbrot, Mandeln und Käse besteht. Oder man zeigt unter anderem beim Backhandwerk sein Talent.
Alle sollen spielen
Wie seit einigen Jahren üblich, gibt es auch in Pentiment umfangreiche Möglichkeiten der Barrierefreiheit. So stimmig es auch ist, alte Schriftarten zu verwenden, umso schwieriger kann es für körperlich oder geistig eingeschränkte Personen sein, diese zu lesen. Zugegeben, auch wir haben von Zeit zu Zeit unsere Schwierigkeiten damit. Auf Wunsch könnt ihr aber diverse Hilfen aktivieren. Dazu gehören eine Text-to-Speech-Unterstützung, ein höherer Kontrast, größere Schriftzeichen und die Möglichkeit, einfach lesbare Schriftarten auszuwählen.
Optisch wie aus der Zeit gefallen, aber passend
Optisch ist das Spiel kein technischer Meilenstein, aber den Entwicklern bei Obsidian Entertainment ist es auf beeindruckende Weise gelungen, den Stil dieser Epoche einzufangen. Wer sich ein bisschen mit der Zeit auseinandersetzt und beispielsweise alte Gemälde mit dem Abbild von Martin Luther und Co oder Holzschnitte kennt, der wird die Ähnlichkeiten sofort wiedererkennen. Pentiment wirkt wie ein animiertes und koloriertes Werk aus dieser Zeit. Das bedeutet aber auch, dass Animationen gewollt nicht superflüssig sind und auch der Detailgrad nicht immer auf dem höchsten Niveau ist. Dieser Stil muss nicht jedem gefallen, aber er passt perfekt zum Geschehen. Gleiches gilt auch für die Musik. Stets passend, oftmals mit Folklore-Einflüssen garniert und eine gelungene Untermalung. Sprachausgabe gibt es keine, dafür spielen die Entwickler gekonnt mit den historischen Schriftarten, um die Atmosphäre zu waren.
Fazit:
Pentiment ist mit Sicherheit nichts für den Massenmarkt. Dafür sind Thema und Optik viel zu speziell. Wer jedoch über eine gute geschichtliche Allgemeinbildung verfügt und sich für Adventures interessiert, für den ist das Spiel eine gute Wahl. Die Geschichte rund um Andreas Maler ist liebevoll erzählt, strotzt nur so vor inhaltlichen Details und ist eben mal etwas anderes. Die Idee, durch Gespräche sowie deren Verläufe, die eigene Erfahrung und ein wachsames Auge Morde aufzuklären, macht Spaß. Zudem läuft alles in einem relativ gemächlichen Tempo ab, so dass man nach Schule, Uni oder Beruf etwas abschalten kann, ohne von einem Adrenalinrausch zum nächsten zu hetzen. Oder anders ausgedrückt: Pentiment eignet sich hervorragend für kalte Herbst- oder Winternächte. Wer adrenalingespickte Action sucht, ist hier falsch.
- viele geschichtliche Bezüge
- Geschichte entfaltet sich über Jahre
- verschiedene Enden
- historisch passender Grafikstil..
- ...der nicht jedem gefällt
- sehr ruhiges Spieltempo
- keine Sprachausgabe