Necromunda: Hired Gun macht verdammt viel Spaß, ... wenn man sich mit seinen Schwachstellen arrangieren kann.
Necromunda – Hired Gun im Test: Doom trifft Titanfall trifft Warhammer
Necromunda: Hired Gun ist ein seltsamer Fall. Es ist eigentlich ein Spiel, in dem viele Dinge nicht funktionieren. Und trotzdem haben wir sehr viel Freude damit. Denn das, worauf es am Ende ankommt, gelingt dem Ego-Shooter aus dem Hause Streum On Studio ganz hervorragend.
Kein schöner Ort
Wenn man sich nicht mit Warhammer 40k auskennt, wird man vielleicht gar nicht wissen, dass Necromunda: Hired Gun in dem Science-Fiction-Universum von Games Workshop angesiedelt ist. Der namensgebende Planet Necromunda ist eine besonders unwirtliche Gegend. Die Menschen leben hier in riesigen Makropolen, die teilweise bis in die Atmosphäre ragen. Der Grund dafür ist, dass die Oberfläche des Himmelskörpers aufgrund der starken Verschmutzung durch die Industrie und zahlreiche Kriege unbewohnbar geworden ist. Necromunda: Hired Gun spielt in einer dieser Makropolen, wo ihr euch in der Rolle eines Kopfgeldjägers oder einer Kopfgeldjägerin mit allerlei Gangs anlegt.
Das Setting ist ziemlich cool. Nun mag man vielleicht denken: "Hmmm, wenn man da die ganze Zeit in so einem gigantischen Gebäudekomplex ist, wird das dann nicht nach einer Weile langweilig?" Tatsächlich nicht. Die 13 Levels der Kampagne bieten genug Abwechslung. Klar, Necromunda: Hired Gun ist von Anfang bis Ende sehr düster und Schwarz- sowie Grautöne dominieren die Farbpalette – und Rot, wegen … Na ihr wisst, schon. Blut und so. Vor allem ist es aber das Leveldesign selbst, das für Vielfalt sorgt. Mal seid ihr auf einem großen, fahrenden Zug unterwegs, mal auf einer Art Schrottplatz, mal in einem Gefängnis oder in dunklen Kanalrohren. Necromunda ist ein interessanter Schauplatz: industriell, finster, unangenehm, ein hartes Pflaster. Keine Ahnung, ob dort auch normale Menschen wohnen oder nur irgendwelche augmentierten Gangster, so tief stecken wir in der Lore nicht drin. Das Spiel gibt uns jedenfalls das Gefühl, dass hier jeder knallhart ist und kaum jemand für irgendwen irgendwelche Sympathien hegt.
"Gegen wen kämpfen wir da nochmal?"
Ehrlich gesagt, versucht Necromunda: Hired Gun aber auch gar nicht erst, euch seine Welt wirklich näher zu bringen. Klar, im Intro werden ein paar Worte dazu verloren, wo die Handlung spielt. Aber im Folgenden bekommt ihr so viele Namen von Gangs um die Ohren geklatscht, ohne dass die näher vorgestellt werden, dass wir recht schnell bei Zwischensequenzen und Dialogen das Hirn ausgeschaltet haben.
Wir haben schon mitbekommen, dass unserer Charakter einem gewissen Silver Talon hinterherjagt, der dafür verantwortlich ist, das am Anfang unsere zwei Kopfgeldjägerkollegen getötet werden. Aber mehr ist nicht hängengeblieben – was auch damit zu tun haben mag, dass die Inszenierung ziemlich billig ist und die Gespräche weder gut geschrieben noch gut vertont sind. Die englische Sprachausgabe ist bestenfalls Mittelmaß, von der deutschen ganz zu schweigen, und in Zwischensequenzen werden immer mal wieder ganz seltsame Kamerawinkel gewählt oder ungelenke Animationen abgespielt. Wenn ihr Spiele gerne wegen ihrer Geschichten zockt: Necromunda: Hired Gun ist dann vielleicht nicht das Richtige für euch.
Das rockt!
Jetzt sind wir mal ganz ehrlich: Doom Eternal erzählt auch keine gute Geschichte. Es inszeniert sie deutlich besser, aber das war's dann auch. Trotzdem hat der Titel bei uns im Test die Höchstwertung kassiert. Warum, das könnt ihr da selbst nachlesen. Es soll ja nur zeigen, dass Necromunda: Hired Gun auch ohne eine gute Geschichte sehr viel Spaß machen kann. Und wie es das macht! Wir sind an dieser Stelle zwar mit unseren Kritikpunkten noch nicht am Ende, aber widmen wir uns doch erst mal dem, weshalb wir das Spiel trotz allem empfehlen: Das Ding spielt sich einfach großartig. Das Gunplay ist vielleicht nicht auf dem Niveau der großen Konkurrenz aus dem Hause id Software, aber auch gar nicht mal so viel schlechter. Necromunda: Hired Gun bietet ein sehr breites Spektrum an Waffen, die sich fast alle großartig anfühlen. Neben diversen Pistolen, Schrotflinten und Automatikgewehren gibt es auch die "Warhammer 40k"-typischen Bolter und Plasmakanonen, die ordentlich "Wumms" haben. Die Soundeffekte sind zwar alles in allem nur solide, aber das richtig gute Trefferfeedback dank klarem Indikator am Fadenkreuz und reichlich Splatter-Effekten ist fabulös.
Wir finden es zudem geradezu erfrischend, dass Munitionsknappheit überhaupt keine Rolle spielt. Selbst für die richtig starken Knarren habt ihr oftmals mehrere 100 Schuss zur Verfügung und Munitionskisten finden sich an jeder Ecke. Das heißt nicht, dass Necromunda: Hired Gun ein einfaches Spiel ist. Wir sind zwar auf dem normalen Schwierigkeitsgrad selten gestorben (und wenn doch, ist das nicht schlimm, weil ihr von Haus aus immer drei Leben habt und an Ort und Stelle wieder aufersteht), aber waren oftmals kurz davor. Ihr könnt auch nur maximal drei Medi-Packs bei euch tragen und die müsst ihr euch vor einer Mission kaufen. Im Level selbst findet ihr keine Heilgegenstände. Ist die Medizin aufgebraucht, helfen euch nur noch Kills dabei, verlorene Lebensenergie zurückzugewinnen.
"Jump and Dash!"
Nercomunda: Hired Gun entwickelt in seinen Gefechten einen wunderbaren Flow. Das fantastische Movement hat daran einen großen Anteil. Früh im Spiel schaltet ihr nicht nur einen Doppelsprung frei, mit dem ihr wirklich sehr hoch springen könnt, sondern auch einen Greifhaken. Zudem könnt ihr über den Boden rutschen, in der Luft in jede Richtung dashen und Wallruns ausführen. Da kommen Erinnerungen an Titanfall hoch und das ist immer gut.
Das Leveldesign unterstützt die hohe Mobilität hervorragend. Die Umgebungen sind meistens sehr weitläufig und vertikal. Nur selten führt euch das Spiel durch enge Korridore. Zudem lohnt es sich, die Levels genau zu erkunden, denn in jedem sind mehrere Schatzkisten versteckt, die unter anderem Waffen enthalten. Und "versteckt" meinen wir hier wörtlich. Viele von ihnen haben wir schlicht nicht gefunden. Ihr könnt zwar Karten kaufen, die euch die Positionen anzeigen, aber die sind ziemlich teuer. Schade ist nur, dass es gar keine Form von normaler Übersichts-Map wie in Doom gibt. Das hat gerne mal dazu geführt, das wir uns verlaufen haben beziehungsweise nicht wussten, wo wir eigentlich hinmüssen. Der aktuelle Zielpunkt wird nämlich nicht immer angezeigt, was etwas unglücklich ist.
Diese Makropole hat viel zu bieten
Dafür sind die 13 Hauptmissionen durch die Bank abwechslungsreich gestaltet. Klar, letztendlich seid ihr fast nur am Ballern oder lauft von A nach B, aber durch die eingangs erwähnte Vielfalt an Schauplätzen und die unterschiedlichen Aufgabenstellungen wird das nicht langweilig. Es gibt beispielsweise eine Verteidigungsmission, in der ihr gegen mehrere Gegnerwellen ausharren müsst. An anderer Stelle flieht ihr vor einer Maschine, die euch sonst zerfleischt. Es gibt sogar mal eine Art "Rätsel" (zugegeben, es ist sehr simpel und erfordert bloß, sich die Umgebung richtig anzuschauen) und Erkundungspassagen.
An die Genialität eines Doom Eternal kommt Necromunda: Hired Gun nicht heran, aber eintönig ist es auf keinen Fall, zumal die Bandbreite an Gegnertypen sich sehen lassen kann. Neben Kanonenfutter gibt es etwa Feinde, die sich teleportieren können, stark gepanzerte Roboter, besonders muskulöse Zwei-Meter-Typen, die mit schweren Metallbrocken nach euch werfen und noch einiges mehr. Die haben zwar alle eine recht beschränkte KI, die sich gerne mal Aussetzer leistet, aber bei dem hohen Spieltempo und den großen Gegermassen, mit denen ihr es zu tun bekommt, fällt das kaum ins Gewicht.
Skill braucht ihr schon, die Fähigkeiten aber nicht wirklich
Die 13 Kampagnenmissionen könnt ihr locker in unter acht Stunden durchspielen. Klingt nach recht wenig Inhalt? Nun ja, Necromunda: Hired Gun hat schon noch mehr zu bieten – zumindest auf dem Papier. Das Spiel setzt auf ein umfangreiches Progressionssystem. Mit jeder abgeschlossenen Mission verdient ihr Geld und steigt im Rang auf. So schaltet ihr neue Waffen zum Kauf beim Händler im Hub-Level frei, in das ihr nach fast jeder Mission zurückkehrt. Hier findet auch sehr viel vom Storytelling in Form von Dialogen statt.
Das Geld könnt ihr aber nicht nur in neue Schießprügel investieren, sondern auch in Upgrades für euren Charakter. Der ist ein Cyborg, an dem gefühlt die wenigsten Körperregionen noch natürlich sind. Mit de Aufwertungen erhöht ihr nicht nur eure Lebensenergie, sondern schaltet auch aktive Fähigkeiten wie einen Zeitlupenmodus frei. Das klingt auf dem Papier cool, in der Praxis ist aber all das vollkommen unnötig, zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Der Einsatz der Skills ist auch nicht gerade intuitiv. Standardmäßig liegen die Fähigkeiten auf den hinteren Zifferntasten der Tastatur (ab der 7). Ok, es gibt noch ein Schnellauswahlrad, aber während ihr das benutzt, läuft das Spiel in Echtzeit weiter.
Wir haben so gut wie nie irgendwelche Fähigkeiten eingesetzt. Auch ohne die kamen wir wunderbar zurecht. Gleiches gilt übrigens leider für den Cyber-Mastiff, den Hundebegleiter des Hauptcharakters. Der ist nicht jederzeit an eurer Seite, sondern ihr müsst ihn auf Knopfdruck zu euch rufen und dann auf Gegner hetzen. Prinzipiell finden wir den Vierbeiner, der sich ebenfalls upgraden lässt, cool, aber wir haben ihn verdammt selten benutzt – meistens, weil wir einfach nicht an ihn gedacht haben. Aber auch hier hat sich gezeigt: Wirklich notwendig sind seine Dienste nicht. Vielleicht ist das auf den höheren Schwierigkeitsgraden anders. Auf dem normalen reichen aber eben eure Feuerkraft und geschicktes Movement aus.
Wenn's noch mehr sein darf ...
Letztendlich war uns die gesamte Progression also ziemlich egal, weshalb wir auch wenig motiviert waren, die Nebenmissionen zu spielen. Das sind zufällig generierte Aufträge mit mehreren Kategorien (mal eine bestimmte Anzahl Gegner ausschalten, mal Items besorgen oder eine Stellung verteidigen), die zudem in drei Härtegrade (unabhängig vom gewählten Schwierigkeitsgrad) unterteilt sind. Sie spielen allesamt in den Levels der Kampagne, sodass ihr hier nichts Neues zu Gesicht bekommt. Wer sich nach dem Abspann noch weiter durch die Makropole ballern möchte, um sich alle Upgrades, Waffen und besonders teure Skins zu verdienen, kann das machen und so noch ein paar mehr Spielstunden herausholen. Aber einen wirklich großen Mehrwert bietet das alles nicht.
Lauter, bitte!
Technisch merkt man Necromunda: Hired Gun an, dass es von einem kleinen Team stammt. Das heißt nicht, dass es keine hübschen Bilder bietet. Gerade die Lichteffekte machen einiges her und auch die Umgebungen selbst sehen schick aus. Dem gegenüber stehen aber die teils sehr groben Charaktermodelle, die zudem nicht gut animiert sind. In Sachen Performance hinterlässt die PC-Version einen soliden Eindruck, manchmal kam es aber gerade zu Beginn einer Mission zu Rucklern. Die meiste Zeit über erfreuten wir uns aber an einer hohen Bildrate, die gerade bei so einem schnellen Shooter nicht unwichtig ist.
Was jedoch komplett misslungen ist: die Soundabmischung in Zwischensequenzen und Dialogen. Oftmals sprechen die Charaktere sehr leise, während die Umgebungsgeräusche recht laut sind, sodass wir ohne Untertitel aufgeschmissen gewesen wären. Während der Action selbst gibt es solche Probleme zum Glück nicht. Hier erfreuen wir uns stattdessen am gelungenen Metal-Soundtrack, der perfekt zum Spielgeschehen passt.
Fazit
Necromunda: Hired Gun hat viele Probleme: die schwache Story, die schlechte Inszenierung, das unnötig aufgeblähte Progressionssystem, die kleinen technischen Problemchen. Es ist halt kein Spiel von einem Top-Studio. Aber das, was bei einem Shooter unbedingt funktionieren muss, funktioniert – und das sogar ziemlich gut. Die Action ist ein großer Spaß, weil die Waffen sich wuchtig anfühlen und das Leveldesign uns viel Bewegungsfreiheit gewährt. Noch dazu ist die Kampagne zu keinem Zeitpunkt langweilig, sondern bietet in jeder Mission etwas Neues. Wer die beiden jüngsten Doom-Teile schon in- und auswendig kennt, für den ist Necromunda: Hired Gun ein guter Nachschlag, wenn man lernt, seine Fehler zu akzeptieren.
- Gutes Gunplay
- Abwechslungsreiche Hauptmissionen
- Spaßiges Movement
- Viele, viele Waffen
- Fetzige Musik
- Uninteressante Story
- Überladene Progression
- Skills und Cyber-Mastiff kaum nötig
- Schlechte Tonabmischung
- Schwache Sprachausgabe