Mittlerweile wurde das Rollenspiel Live A Live im Westen veröffentlicht. Es gibt neue Grafiken, Musik und eine englische Sprachausgabe.
Live A Live im Test: Rollenspielklassiker in neuem Gewand
1994 ist Live A Live für das Super Famicom auf den Markt gekommen, nur leider hat Square Enix das taktische Rollenspiel danach nicht im Westen veröffentlicht. Das wurde nun nachgeholt und zwar in Form eines 2D-HD Remakes mit neuen Grafiken, neuer Synchronisation und einigen Balancing-Anpassungen. Richtig eingefleischte Rollenspielfans werden den Titel kennen und haben womöglich auch die englische Fan-Übersetzung am eigenen Leib erfahren. Jetzt müsst ihr euch nicht mehr in einer Grauzone bewegen. Ihr könnt das Spiel nun ganz offiziell genießen. Stellt sich nur die Frage, ob Live A Live heutzutage noch überzeugen kann.
Acht Spiele oder ein Spiel?
Live A Live erschien zur Hochzeit der 16-Bit-RPGs. Spiele wie Secret of Mana, Breath of Fire oder Final Fantasy waren bereits etabliert und folgten stets einem bekannten Muster. Mit Live A Live hat Director Takashi Tokita (Chrono Trigger, Parasite Eve) sein erstes eigenes großes Rollenspiel verwirklicht, was so ganz anders ist als zahlreiche Genrevertreter. Auf den ersten Blick wirkt das Spiel nämlich wie eine Sammlung von Kurzgeschichten, die sich über Jahrhunderte erstrecken und jeweils in ein eigenes kleines Rollenspiel verpackt wurden. Eine zusammenhängende Geschichte ist erst einmal nicht zu erkennen. Erst, wenn ihr die ersten sieben Kapitel abgeschlossen habt und sich der letzte Teil des Spiels offenbart, werden die Zusammenhänge deutlich.
Diese ungewöhnliche Rahmenstruktur lässt, wie schon erwähnt, jedes Kapitel wie ein eigenes Spiel mit einer eigenen Geschichte erscheinen. Die Wahl, mit welchem Kapitel ihr die Reise beginnt, bleibt euch überlassen. Es ist auch möglich zwischen den einzelnen Geschichten munter zu wechseln. Gefällt euch die Geschichte des Urzeit-Kapitels nicht so, dann könnt ihr auch im Wilden Westen weitermachen oder der fernen Zukunft einen Besuch abstatten. Die Kapitel sind unterschiedlich lang. Von knapp einer Stunde bis zu fünf Stunden kann es dauern, eine Geschichte zu durchleben, je nachdem, wie akribisch ihr die Umgebung absucht und ob ihr an optionalen Nebenaufgaben interessiert seid. Es gibt auch eine Karte, falls ihr euch mal verlaufen solltet. Wirklich hilfreich ist sie aber nicht, da lediglich ungefähre Positionen möglicher Zielpunkte angegeben werden.
Immer wieder neu und anders
Zudem verfügt jede Geschichte in Live A Live über eine spezielle Gameplay-Mechanik, die diese Abgrenzung weiter forciert. Die Urzeit zum Beispiel kommt komplett ohne Sprache und Text aus, dafür könnt ihr als Höhlenmensch aber hervorragend riechen. Im Wilden Westen wiederum könnt ihr nur Fernkampfwaffen und Fallen einsetzen. Das Kapitel im alten Japan hingegen setzt voll auf Stealth, während ihr in der Gegenwart einfach nur sieben Nahkämpfe absolviert und euch dabei weiterentwickelt. In der nahen Zukunft setzt ihr psychokinetische Fähigkeiten ein, um eine Verschwörung aufzudecken und in der fernen Zukunft kommt es fast gar nicht zu Kämpfen. Das bedeutet aber nicht, dass es weniger gefährlich ist. Hier ist die Umgebung euer größter Feind. Erwartet aber nicht, dass sämtliche Mechaniken kompliziert einzusetzen oder komplex sind. Seid ihr zum Beispiel im alten Japan unterwegs, reicht ein Knopfdruck, um euch auch direkt vor den Augen eines Gegners zu tarnen. Egal wo, egal wann.
Rundenbasiert in Reinform und ohne Schnörkel
Abgesehen von diesen besonderen Fähigkeiten spielt sich Live A Live wie ein traditionelles taktisches Rollenspiel aus dem fernen Osten. Ihr sprecht mit anderen Charakteren, macht euch auf Suche nach Schlüsseln, setzt Gegenstände ein und löst kleinere Rätsel, die aber niemanden vor eine echte Herausforderung stellen sollten. Dazu kommt ein bisschen Crafting. Zufällige Kämpfe gibt es fast nicht. Ebenso wenig gibt es einen Talentbaum oder etwas in der Art. Erfahrung und neue Attacken werden recht linear erlernt. Ihr müsst euch also nicht darum kümmern, welche Attribute ihr hochlevelt, das geschieht automatisch. Kommt es dann zu einem Kampf, findet ihr euch auf einem Gitterschlachtfeld wieder.
Die Auseinandersetzungen mit Gegnern laufen rundenbasiert ab. Solange ihr euch nicht bewegt, könnt ihr euch so lange Zeit lassen, wie ihr wollt. Erst, wenn sich der eigene Charakter in Bewegung setzt, beginnt sich sowohl bei Gegnern als auch möglichen Verbündeten eine Leiste zu füllen. Ist diese voll, kann eine Aktion ausgeführt werden. Ansonsten geht alles schön der Reihe nach vonstatten. Je nach Aktion oder eingesetztem Gegenstand ist die Reichweite einer Attacke eine andere. Anhand des Gitternetzes könnt ihr sehen, auf welche Felder sich welche Aktionen auswirken. Dabei solltet ihr darauf achten, dass die Gegner nicht gegen eure Attacken resistent sind und dementsprechend eure Vorgehensweise darauf abstimmen. Auf den ersten Blick können einige Gegner dabei übertrieben stark zu wirken, aber es gibt immer eine Taktik. Eines sei an dieser Stelle noch erwähnt: Es gibt zwar eine automatische Speicherfunktion, die in 90 Prozent der Fälle tadellose Dienste leistet, aber ab und an empfiehlt sich manuelles Zwischenspeichern, sonst müsst ihr nach einer Niederlage manchmal ganze Abschnitte erneut spielen.
Optisch hat der Titel eine ganzheitliche Frischzellenkur verpasst bekommen. Das war auch bitter nötig, denn das Original Live A Live war alles andere als eine Schönheit. Square Enix setzt wie auch bei Legend of Mana oder Octopath Traveler auf einen 2D-HD-Grafikstil. Das bedeutet, dass die Hintergründe und Umgebungen in hochauflösender HD-Grafik sowie verschiedenen Unschärfeeffekten präsentiert werden, während sich Figuren weit mehr am Original orientieren und wenige Animationsphasen besitzen. Im Vergleich zu Octopath Traveler und Co wurde aber der Unschärfeeffekt nicht so exzessiv eingesetzt. So entsteht, auch dank der verschiedenen Kapitel, immer wieder ein anderes stimmungsvolles Gesamtbild. Während zum Beispiel im Wilden Westen Rot- und Brauntöne das Geschehen bestimmen, sind es in der fernen Zukunft eher sterile Umgebungen in Weiß und Grau. Besondere Erwähnung verdienen auch der mitreißende Soundtrack und die neue Sprachausgabe, die wahlweise in Englisch oder Japanisch zu hören ist. Auch hier wird jedes Kapitel mit einer eigenen Musik untermalt, um die jeweilige Atmosphäre zu unterstreichen.
Fazit:
Live A Live ist ein bunter Blumenstrauß voller Überraschungen. Nicht alle Kapitel werden einem gleich gut gefallen, aber in ihrer Gesamtkomposition ergibt sich eine gelungene Zusammenstellung verschiedener Kurzgeschichten. Mit der Gameplay-Vielfalt erinnert das Spiel auch ein bisschen an It Takes Two, nur eben in einem anderen Genre. Die verschiedenen Mechaniken sind ziemlich gut auf die jeweilige Länge eines Kapitels angepasst. Viel weiter hätten sie das Spiel nicht tragen können, ohne in einen repetitiven Ablauf zu verfallen.
Die Struktur des Titels hat darüber hinaus noch einen weiteren Vorteil. Man muss Live A Live nicht in einem Rutsch durchspielen oder sich in eine vielschichtige Handlung einarbeiten. Viele Kapitel eignen sich für einen Abend, perfekt also für alle Berufstätigen, Studenten, Schüler und Personen, die sonst wenig Zeit haben. Allerdings ist Live A Live für ein Rollenspiel recht kurz und nicht sonderlich komplex. Das solltet man stets im Hinterkopf haben, aber die Zeit, die in Live A Live verbringt, werdet ihr auf jeden Fall nicht so schnell vergessen.
- 8 RPGs in einem
- viele verschiedene Mechaniken
- englische und japanische Sprachausgabe
- optionale Aufgaben
- geeignet für Personen mit wenig Freizeit
- für ein Rollenspiel sehr kurz
- nicht sonderlich komplex
- detailarme Kartenfunktion