In Gotham Knights stirbt nicht nur der Dunkle Ritter, sondern aufgrund des unausgegorenen Konzepts auch schnell der Spielspaß.
Gotham Knights im Test: Kein Batman, dafür ein "Bad Game"
Quizfrage: Woran erkennt man, dass ein Story-lastiges Singleplayer-Spiel mit optionalem Koop-Modus ursprünglich ganz bestimmt mal ein Service Game werden sollte? Na, ist doch ganz einfach: wenn es euch zu Grind verpflichtet, quasi unendlich oft die immer gleichen langweiligen Nebenaufgaben generiert sowie ein aufgesetztes Loot-System und zahlreiche kosmetische Anpassungsoptionen, aber keinerlei Mikrotransaktionen bietet. Nun, und dann kommt eben noch hinzu, dass das Spiel von vorne bis hinten nicht gut durchdacht erscheint. Willkommen in Gotham, genauer gesagt in Gotham Knights!
Zeit für eine neue Heldengeneration
Batman ist tot. Damit beginnt die Geschichte des von WB Games Montreal entwickelten Action-Rollenspiels. Der coolste Superheld aller Zeiten (sorry, Iron Man, Deadpool und Co) opfert sich im Kampf gegen Ra's al Ghul und zerstört dabei auch die Bat-Höhle sowie Wayne Manor. Vorher richtet er sich aber noch in einer letzten Videobotschaft an seine (teils) ehemaligen Schüler: Batgirl, Nightwing, Red Hood und Robin. Ihnen obliegt es fortan, die Bewohner von Gotham City zu beschützen. Blöderweise genießen sie aber nicht das Ansehen in der Stadt, das der Dunkle Ritter einst hatte. Commissioner Gordon weilt ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden und seine Nachfolgerin ist kein großer Fan von Leuten in Kostümen, die Selbstjustiz üben.
Das Superheldenquartett muss sich nun mit Batmans letztem Fall beschäftigen, der sich um einen Wissenschaftler mit, … nun ja, sagen wir mal, fragwürdigen Absichten dreht. Dabei bekommen sie es mit bekannten Schurken wie Talia al Ghul, dem Pinguin und Harley Quinn zu tun, im Mittelpunkt steht jedoch der Rat der Eulen, ein alter Geheimbund, der Gotham aus dem Geheimen heraus zu kontrollieren versucht. Die Geschichte von Gotham Knights bietet solide Unterhaltung für Fans der Comics und die eine oder andere nette Wendung. Allerdings kommt sie nicht an das Niveau der "Batman: Arkham"-Spiele von Rocksteady heran.
Ein weiteres Problem ist, dass komplette Neueinsteiger ins Batman-Universum nicht sonderlich gut eingeführt werden. Es gibt einen Kodex mit Hintergrundinfos zu den einzelnen Charakteren, ja. Doch wenn ihr beispielsweise noch nie etwas davon gehört habt, dass Jason Todd alias Red Hood der zweite Robin war, bis er vom Joker umgebracht wurde, um dann wiederaufzuerstehen, eine neue Geheimidentität anzunehmen und zunächst als eiskalter Rächer und Antiheld zu agieren, habt ihr logischerweise gar keinen Bezug zu der Figur und werdet den auch nicht so schnell erlangen. Gotham Knights richtet sich klar an Kenner.
Nein, es ist wirklich kein Life-Service-Spiel
Als Warner Bros. Gotham Knights angekündigt hat, hat man es als Koop- und Action-Rollenspiel beworben – ein gewaltiger Unterschied zur "Batman: Arkham"-Reihe, obwohl der Titel ja doch irgendwie an deren Erfolge anknüpfen soll. Die Entwickler kamen in der nachfolgenden Zeit nicht umhin, immer wieder zu betonen, dass man das komplette Abenteuer auch problemlos solo erleben könne. Wie sich nun herausgestellt hat, haben sie nicht gelogen. Es ist überhaupt kein Problem, Gotham Knights im Singleplayer zu spielen. Der Koop-Modus ist rein optional, auch wenn Features wie das Social-Rad und eine SOS-Funktion, über die ihr nach Hilfe "rufen" könnt, den Anschein erwecken, es handele sich um ein waschechtes Multiplayer-Spiel.
Bevor ihr euch nun aber denkt: "Cool, mich hat das Koop-Konzept immer abgeschreckt, weil ich diese Art Spiel wegen der Geschichte doch lieber allein zocke", haltet ein! Ja, Gotham Knights ist nicht der nächste Service-Game-Flop à la Marvel's Avengers. Warner Bros. versucht nicht einmal, euch irgendwie noch mehr Geld zu entlocken, nachdem ihr das Spiel gekauft habt. Mikrotransaktionen sind völlig abwesend. Es gibt zwar allerlei alternative Kostüme für die vier spielbaren Charaktere, die ihr auch noch im Einzelnen optisch anpassen könnt, aber all diese Möglichkeiten schaltet ihr im Spielverlauf frei – coole Sache! Ich wäre aber zufriedener gewesen, wenn Warner Bros. dafür Kohle verlangt hätte und dafür das Spiel an sich richtig gut gewesen wäre. Hey, ich habe geschrieben, es ist kein Service-Game-Flop, aber ein Flop ist es allemal.
Ein weiterer Tiefpunkt im Open-World-Spiele-Segment
Die Handlung ist solide und die zahlreichen Zwischensequenzen können sich sehen lassen, weshalb die Hauptmissionen in Gotham Knights ganz annehmbar sind. Es ist nicht so, als würde euch das Spiel hier in Massen mit bombastisch inszenierten Momenten zuballern oder ein außerordentlich cleveres Leveldesign bieten, die Schauplätze sind aber durchaus atmosphärisch gestaltet und die Story ist eigentlich gut genug, um euch zum Weiterspielen zu motivieren. Doch die großen Probleme von Gotham Knights stehen dem im Weg, allen voran alles, was mit der Open World zu tun hat.
Die Entwickler haben im Vorfeld betont, dass euch hier die größte virtuelle Umsetzung von Gotham City aller Zeiten erwartet. Ja, nun, leider ist sie auch die mit Abstand langweiligste und das spielerisch sowie optisch. Klar gibt es bekannte Wahrzeichen aus den Comics und Filmen wie die Arkham-Anstalt oder den Glockenturm der Union Station, der den Helden als Hauptquartier dient. Aber davon abgesehen, könnte dieses Gotham auch einfach eine x-beliebige US-Großstadt sein. Vielerorts mangelt es der Spielwelt an Details und gefühlt sehen alle Straßenzüge gleich aus. Die artistische Brillanz eines Batman: Arkham City oder Arkham Knight wird hier nicht im Geringsten erreicht.
Dass es in dieser Open World dann auch nichts Interessantes zu tun oder zu entdecken gibt, kommt erschwerend hinzu. Alle Nebenaktivitäten, denen ihr hier nachgehen könnt, sind generisch, seien es nun die vielen Verbrechen oder die Suche nach Batarangs. Es gibt zwar auch richtige Story-Nebenquests, aber die beschränken sich auf gerade mal drei Fälle rund um Harley Quinn, Mr. Freeze und Clayface. Den Rest der "optionalen" Inhalte würdet ihr gerne ignorieren, das könnt ihr mir glauben. Aber ich verwende die Anführungszeichen nicht unbedacht.
Grind für nichts
Leider zwingt euch das Spiel im Verlauf der Hauptkampagne immer wieder mal, durch Gotham City zu patrouillieren, um die vier Charaktere aufzuleveln. Wollt ihr bestimmte Fähigkeiten freischalten, müsst ihr Herausforderungen à la "Besiege X Gegner auf Weise Y" oder "Verhöre so und so viele Verbrecher einer Fraktion" abschließen. Nur so schaltet ihr auch exklusive Fortbewegungsoptionen für die einzelnen Protagonisten frei. Mit Batgirl könnt ihr dann dank ihres Umhangs durch die Luft gleiten, während sich Robin (wie auch immer) einige Meter weit teleportieren kann. Das Problem: Es nicht nur ein langweiliger Grind, euch diese Dinge zu erspielen, sie sind dann auch noch weitgehend nutzlos. Nichts davon fühlt sich so cool wie das Gleiten mit Batman in den Arkham-Spielen an und alles ist viel langsamer, als einfach mit dem Batcycle durch die Gegend zu düsen – und das Gefährt steht euch von Anfang an zur Verfügung. Es fährt sich zwar eher mäßig und es macht auch nicht wirklich Spaß, es zu benutzen, aber ihr kommt so eben am schnellsten von A nach B.
Wo wir eh schon bei Dingen zum Freischalten sind: Gotham Knights versteht sich als Action-RPG. Dementsprechend gibt es mehrere Arten von Karotten, die euch das Spiel ständig vor die Nase hängt. Kaum welche davon sind aber wirklich ein Motivationsfaktor. Die Talentbäume der Helden enthalten primär passive Boni und sind damit ganz schön unspannend. Gleiches gilt für die Ausrüstung. Ihr könnt jeden Charakter mit besseren Versionen seines Anzugs sowie seiner Nah- und Fernkampfwaffen ausstatten und ich sag es mal so: Ich hab das zwar gemacht, aber nicht, weil ich es wollte, sondern weil ich es musste, um mit dem immer stärkeren Gegnern mithalten zu können. Der Loot war für mich nie interessant, zumal ihr eh immer nur Crafting-Ressourcen erbeutet und eure Ausrüstung dann in einem Menü selbst herstellt. Das geht jederzeit, anlegen könnt ihr den Kram aber seltsamerweise erst dann, wenn ihr einmal zum Glockenturm zurückkehrt (das geht zum Glück per Schnellreise), weil er euch erst dort ins Inventar gepackt wird. Was zur Hölle soll denn das bitte?!
"Ich will das Free-Flow-System zurück!"
Wenn denn wenigstens das Kampfsystem richtig gut wäre, könnte ich Gotham Knights so einiges verzeihen. Aber leider reicht das Spiel auch hier nicht an die Klasse der "Batman: Arkham"-Titel an. Die Entwickler haben sich zwar an deren Free-Flow-System orientiert, es aber auf praktischer Ebene spielerisch entschlackt, um ihm auf theoretischer eine Pseudo-Komplexität zu verpassen. Was ich damit meine: Ihr könnt gegnerischen Attacken nur ausweichen. Eine Konterfunktion gibt es nicht, ebenso wenig könnt ihr blocken. Gerade am Anfang, wo ihr noch keine aktiven Fähigkeiten freigeschaltet habt, spielen sich die Prügeleien dadurch sehr eintönig, da ihr meistens nur auf die Taste für Nahkampfangriffe hämmert und ab und zu mal ausweicht oder eine Distanzattacke ausführt.
Durch unterschiedliche Arten von Elementarschaden, Resistenzen gegen eben diese und das Loot-System soll Gotham Knights trotzdem Tiefgang bieten. Aber all das ist nicht mal halb so viel wert wie der fantastische Flow, den die Auseinandersetzungen in Batman: Arkham Asylum und seinen Nachfolgern entwickelt haben. Außerdem halten viele Gegner einfach zu viel aus, so dass ihr häufig länger auf jemanden eindreschen müsst, als es für den Spielspaß zuträglich wäre. Ich will nicht behaupten, dass das Kampfsystem komplett misslungen ist. Immerhin sind die Moves der Helden toll animiert und es spielt sich alles ganz flüssig. Aber es ist nicht gut genug, um eben die anderen Mankos auszugleichen.
Nicht gut optimiert
Gotham Knights ist eines der (bislang wenigen) Spiele, das nur für PS5, Xbox Series X/S und PC erhältlich und kein Cross-Gen-Titel ist. An sich ist es grafisch nett anzusehen. Das liegt vor allem am intensiven Einsatz von Raytracing. Da ihr immer nur des nachts in Gotham unterwegs seid und überall Neonlichter strahlen, gibt es nun mal viele Möglichkeiten für schicke Spiegelungen. Auch die Qualität sonstiger Effekte und der Texturen ist auf ordentlichem Niveau.
Jetzt kommt das Aber: Ohne aktviertes Raytracing sieht Gotham Knights nicht wie ein Spiel aus, dem man klar anmerkt, dass die Entwickler keine Rücksicht mehr auf PS4 und Xbox One nehmen mussten. Es ist hübsch, aber erzeugt nicht dieses gewisse Next-Gen-Gefühl – gut, mittlerweile eher Current-Gen-Gefühl. Und gerade dann schmerzt es besonders, dass die Performance alles andere als gut ist. Vor Release hat WB Games Montreal schon für Aufsehen gesorgt, als man bekannt gab, dass Gotham Knights auf den Konsolen nur mit 30 FPS spielbar sein wird und es keinen Performance-Modus gibt. Da schrillten bei mir schon die Alarmglocken.
Nun habe ich es auf dem PC gespielt. Ich dachte, mit meiner RTX 3080 Ti sollte es zumindest in 1080p und mit DLLS gut laufen, auch bei aktivierten Raytracing-Effekten. Pustekuchen! Ja, in den linearen Hauptmissionsgebieten war die Bildrate stets stabil. Wenn ich aber mit dem Batcycle durch die Open World gebrettert bin, waren Nachladeruckler ein treuer Begleiter – und das in so einem Ausmaß, dass ich es als nicht gut spielbar bezeichnen würde. Ohne Raytracing läuft das Spiel annehmbar, aber auch nicht so gut, wie man es erwarten würde. Da wundert es mich gar nicht, dass dass auf den Konsolen ein Performance-Modus nicht angeboten wird. Der könnte vermutlich gar nicht halten, was sein Name versprochen hätte.
Immerhin macht Gotham Knights akustisch eine gute Figur. Die deutsche Vertonung ist solide, die englische noch wesentlich besser, und die Musik passt zu jeder Zeit gut zum Geschehen. Ein Higlight in dieser Hinsicht ist eine frühe Mission, die euch ins Arkham Asylum führt, an deren Ende ihr zu den Klängen einer rockigen Version von Ricky Martins „Livin' La Vida Loca“ gegen Insassen und Wärter kämpft.
Fazit
Meine Erwartungen an Gotham Knights waren nicht sonderlich hoch. Der RPG-Ansatz und der Fokus auf Koop-Action im Marketing hat mich schon früh skeptisch werden lassen. Zuletzt hatte ich aber zumindest noch die Hoffnung, das Ding könnte eine kleine positive Überraschung in diesem eh schon recht mäßigen Spieleherbst werden. Leider ist es nicht so gekommen. Gotham Knights hat meine niedrigen Erwartungen sogar noch untertroffen. Die Geschichte mag nett sein, aber das kann nicht wettmachen, wie mittelmäßig die Kämpfe, wie unnötig das ganze Loot-System und wie öde die Open World sind. Spielt lieber nochmal die "Batman: Arkham"-Reihe, bevor ihr euch Gotham Knights kauft.
- Solide Story
- Gute Sprecher und Musik
- Viel freischaltbare Kosmetik
- Flüssiges Kampfsystem, ...
- ... das aber schnell eintönig wird
- Aufgesetzte RPG-Mechaniken
- Lieblose Open World
- Generische Nebenbeschäftigungen
- Nerviger Grind-Faktor
- Schlechte Performance