Ja, Crysis Remastered läuft auf der Switch und ist spielbar. Das heißt aber nicht, dass es eine tadellose Umsetzung ist.
Crysis Remastered im Test: Auf der Switch ein zweischneidiges Schwert
Wir schreiben das Jahr 2007. Der Elch ist das Wildtier des Jahres, die Waldkiefer der Baum des Jahres und Crysis das schönste Computerspiel des Jahres. Doch die Grafikpracht hat einen hohen Preis: Für die Optik von morgen brauchte man damals auch einen Rechner von morgen. Eigentlich konnte niemand den Ego-Shooter auf maximalen Einstellungen flüssig spielen. Viele waren schon froh, wenn sie ihn überhaupt irgendwie auf ihrem PC zocken konnten. Eine Konsolenversion gab es damals erst gar nicht, die lieferte Entwickler Crytek erst vier Jahre später nach.
Und heute? Tja, mittlerweile läuft Crysis auf einem Handheld. Also gut, auf der Nintendo Switch, aber die ist zumindest zur Hälfte ein Gerät für unterwegs und kommt im Grunde mit Smartphone-Hardware aus. Und darauf kann man nun also den einst für seine horrenden Systemanforderungen berüchtigten Shooter von Crytek spielen, sogar eine Remastered-Fassung davon. Im Test zeigt sich: Der Name ist kein Etikettenschwindel, zumindest nicht in Gänze, und ja, es ist irgendwie wunderlich, dass der Titel auf der Switch spielbar ist. Das heißt aber nicht, dass wir die erste Variante des Remaster uneingeschränkt empfehlen können.
Grafische Abstriche
Eigentlich hätte Crysis Remastered Ende Juli für alle aktuellen Konsolen und den PC erscheinen sollen. Doch dann gab Crytek kurz vor knapp bekannt, den Release auf unbestimmte Zeit verschieben zu müssen. Der Schuldtragende: COVID-19. Allerdings gilt die Verzögerung nur für die Fassungen für PC, PS4 sowie Xbox One. Für die Switch ist die Neuauflage bereits erschienen, was schon witzig ist. Da kündigt das Frankfurter Studio ein Remaster des einstigen Grafikfeuerwerks mit verbesserter Optik an und dann dürfen wir das zu allererst auf der schwächsten Plattform spielen, von der nicht mal jemand gedacht hätte, dass sie das normale Crysis von 2007 darstellen kann.
Tatsächlich ist das mit dem Remastered-Aspekt so eine Sache bei der Switch-Version. Denn so gut wie das Original auf dem PC sieht die nicht aus. Das merkt man unter anderem daran, dass zum Beispiel die Weitsicht zurückgeschraubt ist, ihr also gewisse Objekte in der Ferne nicht seht. Auch die Texturqualität fällt niedriger aus. Am auffälligsten ist aber die Auflösung. Die Switch hat ja so schon bei vielen Spielen das Problem, sie im Docked-Modus nicht in nativem Full-HD auf dem Fernseher darstellen zu können. Crysis Remastered ist besonders weit davon entfernt. Die Auflösung schwankt hier zwischen 540p und 900p, im Handheld-Modus wird sie sogar manchmal auf 400p reduziert. Und das macht sich natürlich in einem teilweise unscharfen Bild bemerkbar.
Doch eher U30
Ein weiterer Nachteil dessen, dass die Nintendo Switch eben nicht das stärkste Stück Hardware ist: Die Bildrate ist nicht auf einem zufriedenstellenden Niveau. Das liest sich allerdings schlimmer, als es eigentlich ist. Crysis Remastered ist auf der Hybridkonsole längst nicht unspielbar. Zu großen Teilen spielt ihr mit FPS-Werten im 20er-Bereich. Die 30 Bilder pro Sekunde erreicht der Titel eher selten, was schade ist, gerade angesichts dessen, dass bei einem Shooter eine möglichst hohe Bildrate wichtiger ist als etwa bei einem Strategie- oder Rollenspiel. Trotzdem wäre es gelogen, wenn wir schreiben würden, dass es eine Qual wäre, Crysis auf der Switch zu zocken.
Es gibt einige Stellen, an denen deutliche Einbrüche der Bildrate zu bemerken sind. Dann, wenn gerade besonders viel auf dem Bildschirm passiert, ihr also gegen viele Gegner kämpft, Explosionen auftreten und die Umgebung in Mitleidenschaft gezogen wird, ruckelt das Spiel merklich. Aber das ist kein Dauerzustand. Zudem sei anzumerken, dass Crysis Remastered im Handheld-Modus etwas flüssiger läuft als auf dem Fernseher. Jedoch würden wir euch empfehlen, es unbedingt mit dem Pro Controller und nicht den Joy-Cons zu spielen, was wieder gegen den Mobilbetrieb spricht – außer ihr wollt die Switch irgendwo aufstellen, aber das ist ja nun auch keine Ideallösung.
Wenig Staub für ein 13 Jahre altes Spiel
Das alles klingt nun wenig positiv, was die Technik von Crysis Remastered betrifft, daher ist es jetzt erst recht an der Zeit für Lob. Zum einen müssen wir dem Spiel zugutehalten, dass es auch 13 Jahre nach seinem PC-Release immer noch sehr ansehnlich ist – eben auch auf der Switch. Allein die Physik-Engine, die es euch etwa ermöglicht, jeden Baum in der Spielwelt zu fällen und die Blechhütten der gegnerischen koreanischen Soldaten niederzureißen, macht nach wie vor Freude.
Ein großer Pluspunkt von Crysis Remastered ist zudem die Lichtstimmung. Hier bietet es sogar ein Feature, das es im Original nicht gibt: auf Voxeln basierte Global Illumination, kurz SVOGI. Die sorgt für eine Beleuchtung, die sich in Echtzeit verändert. Wie die virtuelle Sonne also die paradiesische Inselwelt erhellt, ist also nicht vorausberechnet, was das Ganze deutlich realistischer wirken lässt. Sicherlich kommt die Technik auf der Switch nicht in vollem Umfang zum Einsatz und auf dem PC sowie den anderen Konsolen wird Crysis Remastered diesbezüglich wahrscheinlich noch mehr glänzen. Aber man muss Crytek dafür loben, dass es dieses Feature in die Swich-Fassung eingebaut hat und es da schon trotz der schwachen Hardware einen so guten Job leistet.
Damals wie heute ein Actionfest
Inhaltlich erwartet euch das gleiche Paket, das 2011 für die PS3 und Xbox 360 erschienen ist. Soll heißen, ihr müsst auf den Multiplayer verzichten und auch auf einen einzelnen Level aus der Kampagne, der für die letzte Konsolengeneration zu viel des Guten war und somit auch auf der Switch nicht vernünftig spielbar gewesen wäre.
Aber Crysis wird durch diese fehlenden Bestandteile weder zu einem schlechten noch einem kurzen Spiel. Für einen im Ego-Shooter ohne Open World à la Far Cry (also alles, was die Serie ab Teil 2 hervorgebracht hat) ist die Kampagne mit einer Spielzeit von um die 10 Stunden ordentlich umfangreich, zumal Crysis ja eben doch nicht zu 100 Prozent linear ist. Die Levels sind teilweise sehr weitläufig und bieten auch Sekundärziele. Zudem ist der Wiederspielwert recht hoch, weil ihr gegnerische Basen auf viele verschiedene Arten angreifen könnt.
Abgesehen davon spielt sich Crysis auch 2020 immer noch richtig gut. Klar, mit aktuellen Genrevetretern wie Doom Eternal oder Call of Duty: Modern Warfare kann es in Sachen Gunplay nicht mehr so ganz mithalten, dennoch ist es nach wie vor befriedigend, feindliche Soldaten oder Aliens mit Schrotflinte, Sturmgewehr, Raketenwerfer und Co niederzustrecken. Die zerstörbare Umgebung und die verschiedenen Fähigkeiten, die euch euer Nanosuit verleiht, verfeinern das Gameplay ungemein. Ihr könnt einen Panzerungsmodus aktivieren, um mehr Schaden einstecken zu können, euch in bester Predator-Manier unsichtbar machen oder besonders schnell sprinten, hoch springen und mit besonders viel Kraft Gegner oder Objekte durch die Gegend schmeißen. Das alles kostet aber Energie, die sich relativ schnell verbraucht und dann erstmal wieder aufladen muss. Der Nanosuit ist auch heute noch ein tolles Spielelement, das für Dynamik in den Kampfsituationen sorgt.
Ein Kritikpunkt bleibt nach wie vor die Geschichte. Crytek war noch nie ein Studio, das gute Storys erzählt, dafür aber eben fast immer auf technischer und spielerischer Ebene brilliert hat. Das gilt für Crysis noch mehr als für jedes andere Spiel, das die Hessen danach gemacht haben. So viel Spaß das Gameplay macht und so gut die Grafik aussieht, so uninteressant und langweilig ist die Handlung: Aliens sind auf der Erde gelandet, Nordkorea will deren Technik haben und ein Sondereinsatzkommando der USA soll den Tag retten. Nun, spannend ist was anderes.
Fazit
Würden wir euch empfehlen, Crysis Remastered auf der Switch zu zocken, wenn ihr das Original nie gespielt habt? Nein, sofern ihr eine der anderen Plattformen habt. Ja, es ist fantastisch, dass dieses Spiel, das vor 13 Jahren selbst für damalige Verhältnisse starke PCs an ihre Grenzen getrieben habt, heute auf einem (Teilzeit-)Handheld läuft und nicht durchgehend ruckelt. Es ist spielbar auf der Switch, ihr könnt damit viel Spaß haben. Aber wenn ihr die Möglichkeit habt, den Titel in besserer, flüssigerer Form zu erleben, dann solltet ihr sie auch nutzen, indem ihr entweder die alte PC-Version spielt oder auf die weiteren Remastered-Fassungen wartet.
Wenn ihr Crysis Remastered unbedingt unterwegs spielen wollt, vielleicht auch weil ihr einfach diese Faszination erleben wollt, das genau das heute möglich ist, sind die 30 Euro, die das Spiel kostet, nicht schlecht investiert. Doch in allen anderen Fällen raten wir euch, entweder das PC-Original zu spielen oder auf die weiteren Remastered-Fassungen zu warten.
- Schicke Beleuchtung
- Immer noch sehr spaßiges Gunplay
- Hohe spielerische Freiheit
- Coole Nanosuit-Fähigkeiten
- Gute Optik trotz nötiger Abstriche
- Schwankende Performance
- Teils sehr niedrige Auflösung
- Öde Story
- Eine Mission fehlt
- Mit Joy-Cons eher mäßig spielbar