Jens hat sich richtig auf The Ascent gefreut und dann versaut ihm ein Feature komplett den Spielspaß.
The Ascent: Entschuldigung, wo geht's denn zu ALLEM?!
Eigentlich wollte ich mich richtig tief in The Ascent reinknien. Im Vorfeld sah der Twin-Stick-Shooter mit Rollenspielelementen und offener Cyberpunk-Welt absolut fantastisch aus – und hierbei beziehe ich mich nicht nur auf die hübsche Grafik. Das Gunplay machte schon beim Zuschauen einen sehr guten Eindruck, dazu die schicke Welt und das gesamte Konzept, das mich von vornherein angesprochen hat. Ich dachte wirklich, mit The Ascent kommt einer der Hits des Sommers auf uns zu, der die Zeit bis zur Spieleflut im Herbst gut überbrückt. Aber ich habe falsch gelegen.
Nicht alle Reviews, die zum Release am 29. Juli veröffentlicht wurden, waren Lobeshymnen. Aber zumindest der YouTuber SkillUp, dem ich in der Regel sehr vertraue, wenn es um Spielerezensionen geht, zeigte sich vollends begeistert. Ich schaute mir sein Video nachmittags während der Arbeit an und dachte mir: "Ok, jetzt freue ich mich darauf, nach Hause zu kommen und selbst die Knarren sprechen zu lassen." Und so kam es, dass ich an jenem 29. Juli zwei bis drei Stunden am Abend The Ascent spielte … und danach jegliche Lust verlor, es nochmal anzurühren.
Karte des Grauens
Was war passiert, dass mich das Spiel so schnell verloren hat? Nun, The Ascent hat so einige Schwachpunkte, die oftmals im Netz kritisiert werden. Da wäre der technische Zustand, insbesondere der der Version aus dem Windows Store. Die kommt derzeit noch ohne DLSS und Raytracing daher und bei Explosionen hatte ich in meiner Spielzeit jedes Mal Bildrateneinbrüche. Das war aber genauso wenig der Grund dafür, warum ich so schnell die Lust verlor, wie die Story, der es nicht gelang, mich in ihren Bann zu ziehen.
Meine Nemesis bezüglich The Ascent ist dessen Map. Und damit meine ich nicht die Spielwelt selbst, sondern wirklich die In-Game-Karte. Ich meine, schaut sie euch nur mal an (ein Bild soll ja mehr als 1000 Worte sagen):
Diese Map ist mit Abstand die schlechteste, die mir in den vergangenen Jahren begegnet ist. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, warum in so einem Fall Funktionalität immer Vorrang gegenüber einer stimmigen Optik haben sollte. Ja, das Design der Karte passt perfekt zum Setting von The Ascent. Dunkler Hintergrund, rote Gebietsumrisse, manchmal krisselt das Bild ein wenig. Entwickler Neon Giant setzt hier auf die für Cyberpunk typische Retro-Futuristik.
Stilistisch ist die Map schick, aber die Optik ist in diesem Fall absolut zweitrangig. Lesbarkeit ist wichtig und die ist hier kaum gegeben. Das Hauptproblem: Die Karte zeigt nur Umrisse der Gebiete. Richtigen Straßenzüge sind nicht zu sehen, sondern nur lauter rote Rechtecke, die miteinander verbunden oder aufeinandergestapelt sind. Zwar werden die Namen der verschiedenen Stadtteile angezeigt und Händler, Questgeber sowie Beutekisten markiert (wobei ich Letzteres eigentlich schon wieder total doof finde, weil ich die "Schätze" im Spiel ja selbst entdecken möchte), aber das hilft nicht viel, wenn die konkreten Wege, auf denen man sich bewegen kann, nicht eingezeichnet sind.
Wo bin ich?
Schon im recht überschaubaren Auftaktlevel kommt ihr an so einige Weggabelungen. Ihr habt zwar stets eine Markierung für euer nächstes Hauptziel, aber wenn ihr so ein Spieler wie ich seid, der erst mal jeden optionalen Pfad beschreiten möchte, bevor er zur Zielmarkierung rennt (man will ja nichts verpassen), werdet ihr trotzdem schnell in Orientierungslosigkeit geraten. Ihr nehmt einen Weg, der in entgegengesetzter Richtung zum nächsten Hauptquest-relevanten Ort liegt und von dem nach ein paar Metern zwei weitere Wege abzweigen und all das wird auf der Karte gar nicht dargestellt. Natürlich hilft das nicht unbedingt dabei, euch zurechtzufinden.
Richtig schlimm wird es aber erst, wenn ihr im zentralen Handelsviertel der Spielwelt ankommt. Hier macht sich bemerkbar, wie vertikal die Umgebung in The Ascent ist. Jede der drei Hauptebenen hat auch nochmal mehrere Unterebenen. Ohne gescheite Map ist es kaum möglich, da die Übersicht zu bewahren. Für mich ist das vor allem deshalb so ärgerlich, weil es mich in meinem Erkundungsdrang bremst. Ich möchte in jede Ecke schauen, jeden Weg gehen, weil überall etwas Gutes auf mich warten kann. Aber wenn mir die Karte nicht genau mitteilt, wo ich gerade bin und wie ich wieder zurückfinde, verlaufe ich mich eben rasch. Und genau das mir ist passiert.
Die Konsequenz, die ich daraus gezogen habe: Ich habe das Erkunden aufgebeben und bin nur noch Markierungen gefolgt. Und schon war die Lust an The Ascent vergangen. Ich brauche schließlich keine Open World, wenn ich dann doch nur stumpf vorgeschriebenen Pfaden folge, insbesondere in einem Spiel, in dem eben nicht die Story und Immersion, sondern das Gameplay im Mittelpunkt steht.
Wenn die Welt nicht gut lesbar ist, muss die Map es sein
The Ascent leidet darunter, dass es eine so miese Karte mit einer nur schwer lesbaren Spielwelt verbindet. Ohne jede Frage, die Umgebung sieht toll aus und wirkt dank der vielen NPCs auch recht belebt. Das Art Design möchte ich auf keinen Fall schlechtreden. Aber es ist eben keine Welt, in der man sich ohne Map gut zurechtfinden würde.
Diesbezüglich bietet sich ein Vergleich mit Control an. Das Actionspiel von Remedy Entertainment hat auch eine schlechte Karte, die viel zu wenig Informationen bietet. Der Unterschied zu The Ascent: Ihr bewegt euch nicht durch eine Cyberpunk-Metropole, sondern ein Bürogebäude. Die Welt ist bedeutend kleiner und übersichtlicher. Hier ist außerdem alles so gut ausgeschildert, dass die Übersichtskarte gar nicht notwendig wäre, weil ihr auch ohne sie jederzeit wisst, wo ihr seid und wie ihr in Abteilung XY kommt. In Sachen Leveldesign operiert Control fast auf dem Niveau von Dark Souls und da gehört es zum Konzept dazu, dass ihr keine Map habt.
Nun mag der Vergleich zwischen Control und The Ascent ein wenig unfair sein, weil das eine Spiel eine Third-Person-Perspektive hat und das andere eine isometrische Kamera. Zudem fällt es mir ehrlich gesagt immer leichter, mich zu orientieren, wenn ich entweder der Spielfigur über die Schulter schaue oder die Welt aus ihren Augen betrachte. In Diablo 3 muss ich auch ständig auf die Karte schauen. Das ändert aber nichts an dem Problem von The Ascent, das ich mit diesem Vergleich nochmal deutlich machen wollte: Die Spielwelt ist darauf angewiesen, von einer detaillierten Map begleitet zu werden, anders als eben die von Control. Neon Giant hat hier leider so richtig ins Klo gegriffen. Und manchmal reicht ein schlechtes Feature aus, damit man einem Spiel den Rücken kehrt.
Man darf noch hoffen
Das Gute ist: Die Entwickler haben die Möglichkeit, dieses Problem zu beseitigen. Eine Map neu zu gestalten und sie um zusätzliche Informationen zu ergänzen, ist nicht mal eben an einem Arbeitstag zu schaffen. Es ist jedoch auch kein tiefschneidender Eingriff in die Spielmechaniken beziehungsweise das Konzept des Spiels. Wenn Neon Giant gewillt ist, nachträglich das Beste aus The Ascent herauszuholen, sollten sie hier unbedingt nachbessern. Dann hätte ich auch große Lust, dem Spiel eine zweite Chance zu geben.