Jens ist dank New World wieder im MMO-Fieber und verrät euch, wie sein Wunsch-Online-Rollenspiel aussehen würde.
Jens' Traum-MMO: WoW trifft New World trifft Diablo
Im Juli habe ich mit großer Begeisterung die Closed Beta von New World gespielt. Welche Stärken und Schwächen sich dabei gezeigt haben, lest ihr in unserer Vorschau. Dieser Schnupperkurs in das neue Projekt von Amazon Game Studios hat in mir etwas ausgelöst: Vorfreude auf das fertige Spiel und die generelle Lust auf MMOs. Die habe ich schon immer gerne gespielt. Zwischen 2006 und 2009 verbrachte ich quasi meine gesamte Freizeit in der World of Warcraft. Später habe ich auch mal in Guild Wars 2, The Elder Scrolls Online, Final Fantasy XIV und Star Wars: The Old Republic reingeschaut, aber keines davon konnte mich so sehr fesseln, wie es WoW einst geschafft hat.
Da stand ich nun am 3. August dieses Jahres. Die Betaserver von New World waren offline und ich verspürte eine gewisse Leere in mir. "Verdammt!", dachte ich. "Jetzt muss ich auf den Release warten. Aber ich will doch jetzt ein MMO spielen! Was mache ich nur?" Ich brauchte etwas, um die Wartezeit auf New World zu überbrücken. So landete ich wieder beim guten alten World of Warcraft – nicht der aktuellen Version namens "Shadowlands", sondern "The Burning Crusade Classic". Das zocke ich derzeit mit meinem Bruder und habe damit sehr viel Spaß, trotz einiger alter Probleme (lange Laufwege, verflucht niedrige Drop-Raten von Quest-Items). Und während ich nach all der langen Zeit mal wieder die Raptoren-, Löwen- und Zebrapopulation des Brachlands dezimierte, kam mir der Gedanke: "Hey, es müsste eigentlich ein MMO geben, das wie WoW ist, aber moderner. Am besten mit einer Prise New World. Und vielleicht noch was von Diablo. Und anderen Spielen." So sitze ich hier nun und erkläre euch, wie das Online-Rollenspiel meiner Träume aussieht.
Vielfalt, bitte!
World of Warcraft hat Maßstäbe gesetzt. Jahrelang haben sich alle anderen MMOs an dem Blizzard-Hit orientiert – daran, wie zugänglich er und wie stimmig seine Spielwelt ist. Doch kein Spiel, das ich gezockt habe, ist in den Aspekten, die mir wichtig sind, an den Klassenprimus herangekommen, zumindest nicht in allen. Daher würde in meinem Traum-Online-Rollenspiel sehr viel von der WoW-DNA stecken, angefangen mit der großen Diversität. Ausnahmsweise ist mit diesem Begriff mal nicht gemeint, dass Menschen aller Ethnien, sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten abgebildet werden (wir reden schließlich von einer Fantasy-Welt im Comiclook), sondern das Angebot an unterschiedlichen Rassen sowie Klassen.
Menschen, Zwerge, Nachtelfen, Gnome, Orks, Untote, Trolle und Tauren – schon zu Vanilla-Zeiten hat World of Warcraft eine große Bandbreite an spielbaren Völkern geboten. Mit dem ersten Add-on „The Burning Crusade“ kamen Draenei und Blutelfen hinzu, später folgten Worge, Goblins sowie Pandaren. Mein Wunsch-MMO müsste eine ähnliche Vielfalt bieten. In den meisten anderen Online-Rollenspielen sind mir die spielbaren Rassen zu ähnlich. Klar, in The Elder Scrolls Online kann ich auch als Ork, Elf und sogar Argonier sowie Khajiit spielen, aber bis auf die beiden letzteren sehen mir alle Völker noch zu menschlich aus, wohingegen ein WoW-Ork eben nicht einfach nur ein Mensch mit grüner Haut und etwas größeren Zähnen ist.
Mir geht es dabei gar nicht um große spielerische Unterschiede. Ich möchte einfach ein möglichst buntes Feld an spielbaren Völkern (im übertragenen Sinne, mein Traum-MMO muss nicht so farbenfroh sein wie WoW) für viel optische Abwechslung haben. Fürs Gameplay ist dann das Klassensystem verantwortlich und auch hier sollte sich mein Wunschspiel an World of Warcraft orientieren. Es darf also gerne die Dreifaltigkeit aus Tanks, Heilern und Damage Dealern bestehen, Hybridklassen sind auch gerne gesehen. Mit Ausnahme von Schurke und Schamane finde ich jede Klasse in WoW attraktiv und sie alle unterscheiden sich auch ausreichend voneinander.
Rollenspielfaktor und Individualisierbarkeit
Wichtig wäre mir auch, dass man sich daran orientiert, wie Blizzard die Klassen in der Zeit vor „Cataclysm“ gehandhabt habt. Ich finde es toll, in WoW Classic wieder regelmäßig zum Klassenlehrer laufen zu müssen, um nicht nur neue Fähigkeiten zu erlernen, sondern auch alle paar Levels eine neue Klassenquest zu erhalten. Ich erinnere mich gerne daran zurück, wie ich damals mit meinem Hexenmeister wirklich noch was tun musste, um neue Dämonen zum Beschwören freizuschalten. Klar, der häufige Gang zum Lehrer ist nicht gerade die komfortabelste Form von Progression, vor allem wenn so was mit langen Laufwegen und kostenpflichtigen Taxiflügen verbunden ist. Aber es verleiht WoW diesen Rollenspielfaktor, der mir in der heutigen Retail-Fassung des MMORPGs komplett fehlt.
Das Thema Skill-System ist ein weiteres, bei dem sich mein Traum-MMO klar an dem alten World of Warcraft orientieren würde. Ich mag es, pro Klasse drei Talentbäume und somit viele Möglichkeiten zu haben, wie ich meinen Charakter spiele. Klar, letztendlich läuft so was immer darauf aus, dass es Summe X an guten Builds gibt und jeder einen davon spielt, wenn er denn effizient sein möchte. Aber zumindest ist noch eine gewisse Freiheit da. Bei jedem Levelaufstieg in WoW Classic eine Entscheidung treffen zu müssen, wie ich nun meinen jüngst erhaltenen Talentpunkt investiere, hat mir in all den Jahren seit dem „Cataclysm“-Release und dem damit einhergehenden Verschwinden der Talentbäume sehr gefehlt. Sicherlich haben auch andere MMOs gute Skill-Systeme, aber das des alten WoW ist mir immer noch am liebsten.
Eine richtige Open World muss es sein
Der letzte Aspekt von WoW, den ich nicht missen möchte, ist seine offene Welt. Zwar sind die Kontinente durch Ladebildschirme voneinander getrennt, aber sowohl auf Kalimdor als auch in den Östlichen Königreichen könnt ihr von der nördlichsten zur südlichsten Spitze laufen, ohne dabei auch nur einmal einen Ladebildschirm zu sehen. Zu viele MMOs gehen einen anderen Weg und setzen auf einzelne Maps für jedes Gebiet, die auch nicht immer richtig groß und weitläufig sind. Gerade Final Fantasy XIV lässt ein Open-World-Gefühl komplett vermissen. Die Karten in The Elder Scrolls Online und Guild Wars 2 sind schön groß und offen, aber auch da sind es eben einzelne Maps, die durch Ladebildschirme voneinander getrennt sind. Für eine maximale Immersion ist eine zusammenhängende Welt jedoch ungemein wichtig. Daher darf die in einem Online-Rollenspiel nach meinen Wünschen und Vorstellungen nicht fehlen.
Action und viel Loot erwünscht
Kommen wir aber mal von Blizzards Genreklassiker weg und zurück zu dem, womit ich diesen Text begonnen habe: New World. Das Spiel macht sicherlich nicht alles richtig, aber in einigen Aspekten gefällt es mir sehr gut und was ich in meinem Wunsch-MMO unbedingt eingebaut sehen wollen würde, wäre das Kampfsystem von New World. Das spielt sich wunderbar direkt, dynamisch und actionreich. Mit dem klassischen Tab-Targeting-Prinzip eines WoW hat das so viel zu tun wie der FC Bayern München mit dem Abstieg in die 2. Bundesliga. Nicht nur, dass ihr je nach Waffe aktiv zuschlagen oder schießen müsst, ihr müsst auch selbst zielen. Das Spiel hilft hier nicht nach, wie es andere MMORPGs mit Action-Kampfsystem machen. Dadurch ist euer eigener Skill nochmal sehr viel wichtiger als bei der Konkurrenz.
Wenn ich Monster, Banditen oder was auch immer verhaue, möchte ich natürlich auch Loot bekommen. Hier wünsche ich mir für mein Traumspiel die klassische Beutespirale eines Diablo. Na gut, nicht ganz. Wölfe sollten keine Schwerter, Rüstungsteile oder Ringe fallen lassen und der Loot halbwegs glaubwürdig auf die verschiedenen Gegnerarten verteilt sein. Aber ich will eben etwas mehr und häufiger Beute abseits von Crafting-Ressourcen erhalten, als es in den meisten Online-Rollenspielen der Fall ist. Vor allem dürfte es gerne viele mal mehr, mal weniger gut versteckte Schatztruhen geben.
Ein Hauch von Singleplayer-RPG
Das führt mich zu einem weiteren Aspekt: der Erkundung der Spielwelt. Mein Wunsch-MMO würde sich hier weniger an seinen Genrekollegen und mehr an einem Skyrim orientieren. Ich möchte das Gefühl haben, wirklich einzigartige Dinge in der Welt entdecken zu können. Dazu gehört, dass Quests nicht bloß in den zentralen Hubs und entlang der Hauptstraßen vergeben werden, sondern auch mal mitten in der Wildnis – vielleicht ja in einer Höhle oder einer anderen Form von Dungeon, in die ich nicht eh schon wegen einer anderen Aufgabe geschickt werde und die auch nicht von vornherein auf der Map markiert ist. Gerne darf es auch die Form von Environmental Storytelling geben, für die die Bethesda-Spiele bekannt sind.
Quests sind ein gutes Stichwort: Ich will nicht einfach nur die typischen MMO-Aufgaben. The Elder Scrolls Online ist ein Paradebeispiel dafür, wie abwechslungsreich und vor allem Story-lastig Quests in einem Online-Rollenspiel sein können. Zwar wiederholen sich auch hier immer wieder gewisse Muster und die Missionen sind nicht auf dem Niveau von guten, reinen Singleplayer-RPGs, die Qualität liegt aber allgemein deutlich über dem, was die Konkurrenz anbietet.
Damit das Spiel aber nicht wie The Elder Scrolls Online zu einem Titel verkommt, den man größtenteils solo spielt, sollte auch ein großes Angebot an Inhalten bestehen, die man in der Gruppe angeht. Natürlich sollte es Dungeons geben, in die man sich besser nicht allein hineinwagt. Raids für das Endgame sind ebenso ein Muss. Vor allem würde ich aber die dynamischen Events aus Guild Wars 2 sehen wollen. Die sind eines der genialsten Features jenes Titels. Sie lassen die Welt lebendig erscheinen, verleihen ihr eben eine gewisse Dynamik und obendrein bringen sie Spieler zusammen, die nicht in einer Gruppe sind. Dadurch kommt selbst dann Multiplayer-Spaß auf, wenn man eigentlich gerade solo vor sich hin questet.
Zu viel auf einmal?
Ich könnte noch einige andere Dinge aufzählen, etwa ein umfangreiches Housing-System wie aus Swords of Legends Online, die Vielfalt an PvP-Modi aus Guild Wars 2 oder das umfangreiche Crafting-System aus New World. Doch ich denke, ihr habt nun ein gutes Bild davon, wie das MMO meiner Träume aussehen würde. Zugegeben, es wäre die eierlegende Wollmilchsau – ein Spiel, das sowohl für Solospieler als auch Leute, die gerne in der Gruppe unterwegs sind, genug zu bieten hat, dessen Welt man gerne erkundet, die zeitgleich dynamisch ist, und in dem man ständig besseren Loot bekommt sowie seine Klasse stark individualisieren kann. Aber was soll ich sagen? Wenn ich mir was im Kopf ausmale, mache ich dabei eben keine Kompromisse. Allerdings sei zum Abschluss gesagt: Für absolut unrealistisch beziehungsweise utopisch halte ich mein Wunsch-MMO nicht. Es müsste halt nur mal ein großes Studio bereit sein, es so umzusetzen.