Barrierefreiheitsoptionen sind für Blockbuster ein Muss. Horizon Forbidden West tischt aber richtig viele davon auf.
Horizon Forbidden West: Die Barrierefreiheitsfunktionen sind der Hammer!
Bei dem Begriff "Barrierefreiheitseinstellungen" gibt es sicherlich so einige Spieler, die bloß mit den Schultern zucken. Das sind diejenigen, die keine oder nur eine leichte Sehschwäche haben, ein gutes Gehör und auch motorisch nicht beeinträchtigt sind. Doch lasst euch von mir gesagt sein: Im Fall von Horizon Forbidden West richten sich jene Optionen nicht nur an Leute, denen es der eigene Körper erschwert, Videospiele ohne solche Funktionen vollumfänglich zu genießen. Entwickler Guerrilla Games gibt sich hier richtig Mühe, wirklich jedem den Spaß an seinem neuen Open-World-Spiel zu ermöglichen. Und in diesem Zusammenhang ist "Barrieren" nicht nur mit körperlichen Behinderungen gleichzusetzen.
Sony und Guerrilla haben auf dem offiziellen PlayStation-Blog allerlei Informationen zu den Barrierefreiheitseinstellungen in Horizon Forbidden West preisgegeben. Je mehr ich von dem Artikel las, desto weiter stieg meine Begeisterung an. Nicht, weil jede der vorgestellten Optionen mich persönlich anspricht, sondern weil ich es ganz unabhängig von meinen persönlichen Bedürfnissen grandios finde, was die Niederländer diesbezüglich abliefern. Und dennoch: Auch für mich selbst ist eine Option dabei, die ich sehr begrüße – wenn sie denn so umgesetzt ist, wie ich es mir erhoffe.
"Das muss einfach so!"
Räumen wir erst mal die Standards aus dem Weg, die jedes moderne Spiel schlichtweg bieten muss. Dazu gehört beispielsweise, dass ihr die Sprache für Audio und Text unabhängig voneinander einstellen könnt (ich schaue dich vorwurfsvoll an, Dying Light 2) und die Hoheit darüber habt, in welcher Schriftgröße die Untertitel angezeigt werden sowie ob sie einen Hintergrund haben sollen. Auch eine Linkshändersteuerung darf heutzutage nicht fehlen und eine freie Tastenbelegung sollte ebenfalls selbst bei Konsolenspielen keine Rarität mehr sein. Horizon Forbidden West enttäuscht hier nicht.
Ihr könnt außerdem die Totzonen der Analog-Sticks einstellen und im Fall der PS5-Version die besonderen Features des DualSense-Controllers abschwächen oder gleich deaktivieren, falls ihr kein Fan davon seid. Auch das sollte auf der jüngsten Sony-Konsole zum Standard gehören. Gerade bei so langen Spielen wie Horizon Forbidden West könnte sich manch einer davon genervt fühlen, wenn ständig das Gamepad vibriert. Und die adaptiven Trigger sind nicht jedermanns Sache. Es ist an sich sehr immersiv, wenn man den Trigger wirklich mit Kraft drücken muss, um Aloys Bogen zu spannen, weil der Widerstand aktiv wird. Wenn man nun aber sehr oft Pfeile abschießt, was in Horizon Forbidden West der Fall sein wird, kann das den einen oder anderen schnell nerven. Daher ist es absolut richtig, dass euch Guerrilla Games die Option gibt, jenes Controller-Feature zu deaktivieren.
Baut euren eigenen Schwierigkeitsgrad!
Den Schwierigkeitsgrad eines Spiels detailliert anpassen zu können, ist nichts Neues mehr. Mir ist so was erstmals in Shadow of the Tomb Raider aufgefallen und das hat schon dreieinhalb Jahre auf dem Buckel. Aber Horizon Forbidden West erreicht in dieser Hinsicht ein Niveau, wie ich es zuvor noch nicht erlebt habe.
Klar gibt es mehrere Schwierigkeitsgrade. Wer nur die Geschichte erleben und stressfrei die Welt erkunden möchte, spielt im Story-Modus. Wollt ihr das komplette Gegenteil, also ein wahrlich anspruchsvolles Erlebnis, entscheidet ihr euch für die Stufe "Sehr schwer". Natürlich gibt es auch noch mehrere Schwierigkeitsgrade, die zwischen den beiden genannten liegen. Obendrein bietet Horizon Forbidden West aber eben auch die Option, mit benutzerdefinierten Schwierigkeitseinstellungen zu spielen.
Guerrilla Games lässt euch anpassen, wie viel Schaden Aloy austeilt und wie viel ihr die Feinde zufügen. Außerdem könnt ihr die "Leichte Beute"-Option aktivieren. Der Name bezieht sich nicht auf die Hauptfigur, sondern die Bauteile der Maschinenwesen. Normalerweise müsst ihr die gezielt abtrennen, um die entsprechenden Ressourcen zu erhalten, mit denen ihr eure Rüstungen und Waffen aufwerten könnt.
Schaltet ihr die genannte Option ein, wird das nicht nötig sein. Dann wandern alle Rohstoffe, die noch am Körper des zerstörten Robodinos befestigt sind, automatisch ins Beuteinventar. Dadurch werden die Kämpfe in Horizon Forbidden West um einiges simpler, weil ihr eben nicht mehr gezielt auf Bauteile feuern müsst, um sie auch ja erbeuten zu können. Im Normalfall ist die Gefahr groß, dass die sonst kaputt gehen, wenn das jeweilige Ungetüm den Geist aufgibt. Für mich ist die "Leichte Beute"-Einstellung nichts, aber ich bin mir sicher, dass sich gerade Gelegenheitsspieler sehr darüber freuen werden.
Wer will, erspart sich so manchen Tastendruck
Horizon Forbidden West bietet noch ein paar weitere Gameplay-Hilfen, die das Überleben in der postapokalyptischen Welt erleichtern. So könnt ihr einstellen, wie stark das Spielgeschehen verlangsamt werden soll, wenn ihr das Waffenrad aufruft. Sogar die Dauer der Konzentrationsfähigkeit (die Zeitlupenfunktion beim Zielen) dürft ihr verlängern. Es gibt auch die Möglichkeit, jenes Feature zu automatisieren, sodass ihr keinen Extraknopf dafür drücken müsst. Dann verlangsamt sich die Zeit immer, sobald ihr den linken Trigger drückt, um in den Zielmodus umzuschalten.
Des Weiteren besteht die Option, Aloy stets automatisch sprinten zu lassen und sich selbst zu heilen, sobald ihre Lebensenergie in den Bereich unter 50 Prozent rutscht. Auch der Einsatz des neuen Schildflügels, mit dem ihr aus großen Höhen sanft gen Boden gleitet, lässt sich automatisieren, damit Aloy ihn immer ausfährt, sobald sie mal irgendwo hinunterfällt/-springt. Darüber hinaus könnt ihr einstellen, dass die Klettermarkierungen, die euch anzuzeigen, wo und wie ihr an Felswänden oder Ruinen emporkraxeln könnt, immer zu sehen sind. Dann müsst ihr dafür nicht jedes Mal den Fokus aktivieren.
Wer Schwierigkeiten hat, mit dem rechten Analog-Stick im Kampf zu zielen, kann auf der PS5 eine Bewegungssteuerung aktivieren. Ähnlich wie zum Beispiel in Splatoon 2 auf der Switch nutzt ihr dann den eingebauten Gyroskop des DualSense-Controllers, um Feinjustierungen vorzunehmen. Ich bin ganz ehrlich: Ich kann damit überhaupt nichts anfangen und habe auch in dem Multiplayer-Shooter von Nintendo jene Funktion stets deaktiviert, da ich damit überhaupt nicht zurechtkomme. Trotzdem finde ich es klasse, dass so was möglich ist – sowohl in Splatoon 2 als auch Horizon Forbidden West.
Zwei Spieler, zwei Controller, eine Spielfigur
Die größte Besonderheit der Barrierefreiheitsfunktionen in Horizon Forbidden West ist eindeutig das sogenannte Co-Pilot-System, denn so etwas ist mir noch nie begegnet. Dabei ist die Idee so simpel, dass ich mich frage, warum vorher keiner darauf gekommen ist. Aktiviert ihr die Option, kann ein zweiter Controller genutzt werden, der die Eingaben des anderen spiegelt. Das bedeutet: Zwei Leute sitzen vor der Konsole, einer zockt, der andere kann aber jederzeit ins Geschehen eingreifen. Beide steuern Aloy. Stellt euch einfach vor, wie ein Vater mit seinem Sohn zusammen Horizon Forbidden West spielt. Kommt der Nachwuchs an einer Stelle nicht weiter, weil ein Kampf für ihn zu schwer ist, kann der Papa einfach das Steuer übernehmen und danach wird wieder gewechselt, ohne dass ein Controller hin und her gereicht werden muss.
Voraussetzung für das Co-Pilot-System ist jedoch (neben einem zweiten Gamepad), dass der Mitspieler mit einem eigenen Benutzerprofil auf der Konsole angemeldet sein muss. Das ist etwas nervig, aber davon abgesehen finde ich das Feature großartig. Zudem erlaubt es eine besonders lustige Art des kooperativen Spielens: Spieler A steuert die Bewegungen von Aloy, Spieler B greift an und benutzt Items. Genial, oder? … Na gut, ist vermutlich nur für ein paar Minuten witzig.
Eine andere Besonderheit, die aber in ihrem vollen Umfang nur auf der PS5 zur Geltung kommt, sind die detaillierten Soundeinstellungen in Horizon Forbidden West. Hier könnt ihr nicht nur die Lautstärke von Musik, Sprachausgabe und Soundeffekten individuell regulieren. Nein, es ist auch möglich, separat einzustellen, wie laut oder leise Maschinen- sowie Umgebungsgeräusche, Waffen und Explosionen sein sollen. Die Entwickler schreiben dazu, dass das für Personen gedacht ist, die leicht reizüberflutet sind. Auch hier gilt wieder: Mich betrifft das nicht, aber ich kann Guerrilla Games nur loben, dass sie so etwas ermöglichen. Es ist nur schade, dass das nicht auch auf der PlayStation 4 geht.
Darf ich diesmal richtig erkunden?
Kommen wir zum Abschluss zu meinem persönlichen Highlight der Ankündigungen – zumindest, wenn das Feature so konzipiert ist, wie ich es mir nun erhoffe. Ich zitiere:
"Horizon Forbidden West spielt in einem riesigen Gebiet, weshalb wir einige Führungshilfen eingebaut haben, damit ihr euch leichter in der weiten und lebhaften Welt zurechtfindet. Ihr könnt auswählen, ob ihr die Welt nur mit minimaler Führung erkunden möchtet oder euch Markierungen angezeigt werden sollen, damit ihr euer Questziel einfacher erreichen könnt."
Wenn ich an Horizon Zero Dawn zurückdenke, komme ich zu dem Schluss, dass Guerrilla Games an dieser Stelle in den Nachfolger nicht zusätzliche Hilfen einbaut, sondern mir die Option gibt, Icons auf der Weltkarte sowie Questmarkierungen im Gameplay zu deaktivieren. Nun ist mir Letzteres gar nicht so wichtig, aber Ersteres hingegen wäre für mich ein riesiger Grund zur Freude. Im Vorgänger hat es mich sehr gestört, dass die Map schnell von Markierungen überwuchert ist. Es werden zwar nicht wie in manchen Ubisoft-Spielen von Haus aus hunderte Fragezeichen eingeblendet, die mir jeglichen Erkundungsdrang rauben, aber ich muss den „Points of Interest“ gar nicht sonderlich nah kommen, damit sie mir auf dem Kompass und der Weltkarte eingeblendet werden. Ein paar 100 Meter reichen da schon aus.
Dieses "Oh, ich sehe dahinten in der Ferne was Interessantes, das schau ich mir mal an"-Gefühl hat sich bei mir in Horizon Zero Dawn nie eingestellt. Das Spiel hat mir schließlich stets vorgekaut, was ich finden werde. Ich hoffe, dass ich die obigen Worte richtig interpretiere. Das würde dann bedeuten, dass ich eine Markierung für einen Ort erst dann erhalte, wenn ich ihn auch wirklich entdeckt habe – also dann, wenn ich direkt davor stehe.
Ich habe aber noch ein wenig Angst, dass Guerrilla Games hier von so etwas wie dem Entdeckermodus aus Assassin's Creed Odyssey spricht. Und der ist eine große Lachnummer, weil er eben nichts anderes macht, als Questmarkierungen zu entfernen. Stattdessen wird stichpunktartig beschrieben, wo man hin muss, was aber so klar formuliert ist, dass es jeder versteht und man gar nichts selbst antizipieren muss. Und die ganzen Fragezeichen bleiben trotzdem aktiviert. Ja genau, so macht Entdecken richtig Spaß, Ubisoft.
Nun halte ich von Guerrilla Games aber, obwohl man bei Horizon Zero Dawn die berüchtigte Ubisoft-Formel in ihrer Gänze kopiert hat, mehr als von dem Hersteller aus Frankreich. Sicherlich wird auch Horizon Forbidden West wieder eine recht formelhafte Spielwelt bieten, aber wenn ich interessante Ruinen und Nebenquests wenigstens mit eigenen Augen entdecken kann, bin ich zufrieden. Alles andere wäre für mich eine Barriere – keine, die mich das Spiel nicht vernünftig erleben lässt, aber eine für meinen Spielspaß. In diesem Sinne hoffe ich, dass mich Guerrilla Games genauso zufriedenstellt wie all die Spieler, die sich über die wirklich tollen Barrierefreiheitsoptionen freuen. Für die hat das Studio jetzt schon, eine Woche vor Release, ein Lob verdient. Für alles andere … Nun, das wird sich ab dem 18. Februar zeigen.