Cyberpunk 2077 ist vielleicht kein Meilenstein geworden, aber in einem Aspekt überflügelt es The Witcher 3 deutlich.
- home
- cyberpunk-2077
v-ist-formbarer-als-geralt-und-das-ist-fantastisch
V ist formbarer als Geralt und das ist fantastisch
The Witcher 3: Wild Hunt ist ein fantastisches Rollenspiel, das uns mit seiner Geschichte, den vielen interessanten Figuren und Quests sowie dem spaßigen Kampfsystem begeistert hat. Aber es war längst nicht perfekt. Das ist Cyberpunk 2077 auch nicht, selbst wenn wir die vielen Bugs ausklammern. Aber in einem wesentlichen Bereich hat sich Entwickler CD Projekt RED deutlich weiterentwickelt: Cyberpunk 2077 bietet viel mehr Spielmechaniken als Geralts letztes Abenteuer auf PC und Konsole. Das Charaktersystem musste dementsprechend komplexer werden. Das ist es auch geworden und das ist äußerst erfreulich, denn das Skill-System in The Witcher 3 ist, sind wir mal ehrlich, sehr langweilig. Egal wie ihr dabei eure Punkte verteilt, große Auswirkungen auf eure Spielweise hat das nicht. Geralt spielt sich nach 50 Stunden nahezu genauso wie am Anfang.
In Cyberpunk 2077 entwickelt sich Hauptcharakter V vom Grünschnabel zum Profisöldner oder zur Profisöldnerin, wenn ihr einen weiblichen Recken spielt. Und das spiegelt sich im Charaktersystem wider. Ihr merkt nicht nur anhand der stetig steigenden maximalen Lebensenergie oder Schadenszahlen, dass ihr immer stärker werdet. In den Talentbäumen finden sich zwar keine aktiven Fähigkeiten (die beschränken sich auf Hacks, die ihr bei Händlern kaufen oder von Gegnern erbeuten könnt), aber diverse passive Boni, die eben mehr machen, als nur euren Schaden oder eure Panzerung zu erhöhen.
Das Charaktersystem in Cyberpunk 2077 ist deshalb so gut, weil es euch nicht bloß erlaubt, euch zu spezialisieren. Es drängt euch geradewegs dazu. Klar, ihr könnt auch einen Allrounder spielen und es wird niemals den Moment geben, in dem ihr etwa mit Nahkampfwaffen gar nichts mehr reißen könnt, weil ihr euch die ganze Zeit auf Schießprügel konzentriert habt. Aber es lohnt sich eben sehr, Schwerpunkte zu setzen.
Die Basics kurz erklärt
Die Grundzüge des Skill-Systems haben wir bereits im Test erklärt: Es gibt die fünf Grundattribute Konstitution, Reflexe, "Technische Fähigkeit", Intelligenz und Coolness. Pro Levelaufstieg erhaltet ihr einen Attributspunkt, das Maximum für jeden dieser Werte liegt bei 20. Jedes Attribut beschert euch passive Boni. Konstitution etwa erhöht eure Lebensenergie und Ausdauer sowie den Schaden mit Nahkampfwaffen. Reflexe steigert die kritische Trefferchance und den Wert für das passive Ausweichen (je höher, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass euch gegnerische Attacken nicht treffen, auch wenn ihr nicht aktiv ausweicht). Technische Fähigkeit braucht ihr, um manche Türen zu öffnen, zudem erlaubt sie es euch, Tech-Waffen einzusetzen. Coolness sorgt für mehr Schaden im Stealth-Modus sowie bei kritischen Treffern und Intelligenz macht Hacks effektiver.
Jedes der fünf Attribute bietet zwei oder drei Talentbäume – und hier wird es erst so richtig interessant. Für jeden Levelaufstieg erhaltet ihr einen Vorteilspunkt, den ihr in einen beliebigen Baum investiert. Aber die meisten Talente könnt ihr erst dann erlernen, wenn ihr das entsprechende Attribut auf einen bestimmten Level angehoben habt. Da die Höchststufe für V bei 50 liegt, könnt ihr maximal zwei Attribute auf Level 20 steigern. Es gibt aber mehr als 50 Vorteilspunkte zum Verteilen, denn in Cyberpunk 2077 verbessert ihr eure Fertigkeiten auch, indem ihr sie einsetzt – ganz genauso wie in den Rollenspielen von Bethesda (Skyrim, Fallout).
Ein Beispiel: Ihr kämpft sehr häufig mit Handfeuerwaffen. Jedes Mal, wenn ihr mit einer Pistole oder einem Revolver einen Gegner tötet, erhaltet ihr für genau diese Waffengattungen Erfahrungspunkte. Steigt eure Handfeuerwaffenfertigkeit um eine Stufe auf, erhaltet ihr entweder einen passiven Bonus oder einen Vorteilspunkt. Das ist eine äußerst clevere Mechanik, weil euch das Spiel so automatisch die Richtung weist, in die ihr V entwickeln solltet. Es wäre ja klug, das zu verbessern, wovon ihr häufig Gebrauch macht, nicht wahr?
Viele verlockende Optionen
Aber reden wir doch mal Tacheles: Welche konkreten Möglichkeiten habt ihr, euren oder eure V in Cyberpunk 2077 zu spielen? Antwort: eine ganze Menge. Aufs Grundlegendste heruntergebrochen, ließe sich zwar sagen, dass ihr euch entweder auf das Schleichen, auf Hacking, den Nahkampf oder den Einsatz von Schusswaffen spezialisiert. Aber das Ganze geht noch mehr in die Tiefe.
Bleiben wir mal beim Thema Waffen: Hier steht nicht nur die Wahl an, ob ihr mehr schießen oder mehr schlagen wollt. Als Nahkämpfer konzentriert ihr euch entweder auf scharfe Klingen oder stumpfes Gerät. Letzteres eignet sich vor allem dann, wenn ihr einen Durchlauf plant, in dem ihr möglichst niemanden töten wollt. Denn, so seltsam das auch klingen mag, mit einem Vorschlaghammer oder einer Brechstange könnt ihr niemanden in Night City umbringen. Für beide Gattungen gibt es einen eigenen Talentbaum. Die Klingenfertigkeiten findet ihr unter "Reflexe", die Skills für stumpfe Waffen im Baum "Straßenschlägerei" unter "Konstitution". Übrigens könnt ihr auch noch festlegen, ob ihr besonders schnell und tödlich oder ein Tank sein wollt, der viel einstecken kann.
Auch für die unterschiedlichen Schusswaffenarten gibt es eigene Talentbäume, wobei stets mehrere Kategorien zusammengefasst sind. Dem Reflex-Attribut sind Handfeuerwaffen und Gewehre untergeordnet. Zu letzteren gehören Sturm- Präzisions- und Scharfschützengewehre sowie Maschinenpistolen. Die Schrotflinten- und Maschinengewehr-Skills findet ihr wiederum unter "Vernichtung" (ein Konstitutionstalentbaum). Ihr seht also: Ihr könnt einen dezidierten Scharfschützen oder Shotgun-Fanatiker basteln. Cyberpunk 2077 lässt euch sämtliche Freiheiten und ermöglicht sehr unterschiedliche Builds.
Findet euren eigenen Weg!
Ihr wollt ein Stealth-Cyber-Ninja sein? Kein Problem! Oder doch lieber ein offensiver Fernkämpfer, der aber zugleich seine Gegner mit Quickhacks schwächt, bevor er sie mit einem dicken Maschinengewehr in Einzelteile zerlegt? Auch das geht. Diese Vielfalt an Optionen gestaltet den Levelprozess äußerst spannend und sorgt für einen hohen Wiederspielwert. Letzterer ist in The Witcher 3 auch gegeben, aber nur dank der vielen Entscheidungen und mehreren möglichen Story-Verläufe. Cyberpunk 2077 hat das und das vielschichtige Skill-System.
Der einzige Haken bei der Geschichte: Der Talentbaum fürs Crafting (auch darauf könnt ihr euch spezialisieren) ist ziemlich nutzlos. Das ist aber nicht direkt ein Fehler des Charaktersystems, sondern der Spielbalance. Wie bereits im Test ausgeführt, sind das Loot- und Crafting-System die großen Schwächen von Cyberpunk 2077. Weil ihr massenweise Waffen und Klamotten findet und die Herstellung von Items sowie Upgrades sehr viele Ressourcen kosten, lohnt es sich so gut wie gar nicht, selbst herumzubasteln. In The Witcher 3 haben beide Mechaniken viel besser miteinander harmoniert, hier stehen sie sich gegenseitig im Weg.