Ich hoffe, dass Mafia: Definitive Edition die Fehler des Originals ausbügelt, bleibe aber skeptisch – wegen Mafia 3.
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Mafia – Definitive Edition: Die Hoffnungen und Sorgen eines Fans
Als vor circa einem Monat die ersten Hinweise auf Neuauflagen von Mafia 2 und 3 im Netz publik wurden (beide Spiele tauchten in der Datenbank des südkoreanischen USK-Pendants auf), dachte ich noch: "Na gut, ich weiß zwar nicht, warum man Teil 3 nochmal neu veröffentlicht, der kam doch eh für PS4 und Xbox One raus, aber ein Remaster vom zweiten Spiel kann man ruhig machen. Schade nur, dass der erste Teil wohl nie eine solche Wiederauferstehung erfahren wird."
Vier Wochen später sitze ich nun hier und freue mich wie Bolle, dass 2K Games tatsächlich das Geld investiert hat, um nicht bloß ein Remaster, sondern ein richtiges Remake von Mafia zu produzieren. Das ist zwar noch nicht offiziell bestätigt, aber die Screenshots und Infos, die aus dem Microsoft Store stammen, sprechen für sich. Das Versprechen: Die Mafia: Definitive Edition verfrachtet die Story des Originals technisch wie spielerisch in die Moderne und erweitert sie sogar. Dementsprechend sind meine Hoffnungen groß, denn so sehr ich Mafia liebe, es hat auch eklatante Schwächen. Zu 100 Prozent euphorisch bin ich aber nicht. Doch fangen wir mal von vorne an: in meiner Schulzeit.
Als man sich noch nicht jedes Spiel kaufen konnte
Wir schreiben das Jahr 2003. Damals war ich 13 Jahre alt, quälte mich in der siebten Klasse durch Mathematik sowie all die anderen öden Fächer und empfand bereits eine enorm große Begeisterung für Videospiele. Ich war aber noch nicht so gut informiert über Neuerscheinungen und Co, wie ich es heute bin. Daher bekam ich im Jahr zuvor nicht mit, dass da dieses Mafia für den PC erschienen ist – quasi eine Alternative zu GTA mit 30er-Jahre-Setting.
2003 erfuhr ich dann aber endlich von dessen Existenz. Ich spielte die kostenlose Demo und war sofort angetan. Und dann bekam ich mit, dass mein Schulfreud Robin das Spiel besaß und fragte ihn, ob er es mir nicht mal ausleihen könnte. Die Antwort darauf war zu meiner Freude positiv, die Wartezeit, bis ich Mafia in den Händen hielt, gestaltete sich jedoch als länger als erhofft. Robin vergaß mehrfach hintereinander, mir das Spiel mitzubringen. In meiner Erinnerung wartete ich Wochen darauf, in Wahrheit waren es vermutlich nur zwei, drei Tage.
Als ich Mafia dann endlich in die Finger bekam, die Installation abgeschlossen war und ich die fiktive US-Stadt Lost Heaven, die an New York City angelehnt ist, betrat, war ich von Anfang an geflasht. Dieses feine Stück Software vom tschechischen Entwickler Illusion Softworks (später umbenannt in 2K Czech) zog mich mit seiner spannenden Geschichte rund um den Taxifahrer Thomas "Tommy" Angelo, der mehr oder weniger zufällig auf die schiefe Bahn gerät und Mitglied in der Organisation von Don Salieri, einem der mächtigsten Gangster der Stadt, wird, von Anfang bis Ende in seinen Bann. Ich muss allerdings zugeben: Ich habe relativ schnell den "God Mode" aktiviert. Mafia war gerade für mich jungen Teenager, der noch längst nicht so viel Shooter-Erfahrung hatte (man war ja eigentlich noch viel zu jung für all diese Spiele), ganz schön schwer. Ich wollte aber unbedingt wissen, wie die Story ausgeht, also habe ich mich eben durchgecheatet.
Jahre später habe ich Mafia ohne Trickserei durchgespielt – und das nicht nur einmal. Ich bin eigentlich jemand, der so gut wie nie ein Spiel mehrfach durchzockt. Dieses Gangster-Epos begeisterte mich aber so sehr, dass ich es immer wieder hervorgekramt habe, zuletzt erst vor vier Jahren im Zuge der Vorfreude auf Mafia 3.
Ein für mich ganz besonderes Remake
Mafia hat mich als Videospielfan stark geprägt. Es ist eines DER Spiele meiner Jugend, neben FIFA, den guten alten "Need for Speed"-Teilen oder Gothic 2. Und es war für sehr lange Zeit mein absolutes Lieblingsspiel. Erst Red Dead Redemption 2 ist es gelungen, es vom Thron zu stoßen. Klar, ich habe nach Mafia Spiele gespielt, die ich objektiv besser finde. Aber Tommy Angelo und seine Geschichte haben es mir einfach angetan und einen festen Platz in meinem Herzen erobert. Die Story ist großartig, die Missionen sind sehr abwechslungsreich und die Atmosphäre erst... Mafia ist ein spielbares Gangster-Epos, das mehr "Der Pate"-Feeling hat als das offizielle "Der Pate"-Spiel von Electronic Arts, das ein paar Jahre später erschienen ist.
Nun bekommen wir voraussichtlich schon Ende August das Remake dieses Klassikers serviert – etwas, von dem ich niemals zu träumen gewagt hätte. Klar war Mafia erfolgreich, sonst wären keine zwei Nachfolger erschienen (die leider beide nicht die Klasse des Erstlings erreicht haben, Mafia 3 erst recht nicht). Aber so ein großer Hit wie Final Fantasy 7 oder Resident Evil 2 war es nun auch nicht, als dass ich 2K Games zugetraut hätte, davon ein solch aufwendiges Remake entwickeln zu lassen, wie es die beiden anderen genannten Titel erhalten haben.
Nun wissen wir noch nicht konkret, wie viel Aufwand Entwickler Hangar 13 in die Mafia: Definitive Edition steckt. Die Screenshots zeigen, dass es grafisch richtig gut aussieht (sofern hier nicht zu viel nachträglich geschönt wurde) und wenn man Story-Ergänzungen verspricht, will das auch was heißen. Dass das Remake ein runderneuertes Gameplay bieten wird, ist sowieso klar. Die Ballereien des Originals fühlen sich heutzutage eben nicht mehr ganz so toll an. Aber wie weit genau Hangar 13 hierbei geht, muss sich erst noch zeigen.
Es gibt Löcher zu stopfen
Ich sehe jedenfalls riesiges Potenzial, denn so sehr ich Mafia liebe: Es gibt ein paar Aspekte, die das Original schlicht nicht gut macht. Da wären zum einen erzählerische Mängel. Ja, die Story ist großartig, aber sie hat auch Lücken. Das beste Beispiel dafür kann ich an dieser Stelle nicht nennen, weil ich euch damit einen wichtigen Plot-Punkt spoilern würde. Nur so viel: Hauptcharakter Tommy trifft im Verlauf des Spiels eine Entscheidung, die nicht ganz unwichtig für seinen Werdegang ist. Die können wir als Spieler auch nachvollziehen, aber blöderweise kennen wir den Charakter, der davon betroffen ist, überhaupt nicht. Jene Figur ist zwar vorher mal kurz zu sehen und sagt auch einen Satz in die Kamera, aber das war's. Man hat das Gefühl, hier hat schlicht etwas gefehlt.
Ähnlich sieht es im Bezug auf das Privatleben des Protagonisten aus. Recht früh im Spiel lernt Tommy Sarah, die Tochter des Barkeepers von Don Salieris Bar, kennen. Die beiden, so viel muss an dieser Stelle verraten sein, kommen sich sehr nahe und im weiteren Verlauf von Mafia erfahren wir auch, dass sie eine Familie gründen. Aber sehen wir jemals etwas davon? Nein! Sarah hat nur diesen einen Auftritt und keinen weiteren.
Nun spricht Tommy im Teaser zur Mafia: Definitive Edition davon, alles nur für seine Familie getan zu haben. Damit könnte zwar seine Gangster-Familie gemeint sein, aber eben auch seine Frau Sarah und die gemeinsamen Kinder. Meine Hoffnung für das Remake ist, dass die versprochenen Story-Erweiterungen unter anderem genau diese Lücke des Originals schließen. Tommy macht eine Wandlung durch und seine Liebsten sind daran sicherlich nicht ganz unbeteiligt. Es wäre nur angebracht, wenn Sarah in der Neuauflage eine größere Rolle hätte und nicht bloß dazu genutzt wird, damit man wie im Original eine Sexszene im Spiel hat. Auch die andere oben erwähnte Lücke schließt das Remake hoffentlich, damit Tommys Handeln für uns als Spieler noch mehr Gewicht hat.
Es gibt noch ein paar andere inhaltliche Dinge, die Hangar 13 besser machen kann, als es Illusion Softworks damals getan hat. Zum Beispiel wäre es schick, wenn man Don Morello, dem Bösewicht des Spiels, mehr Charakter verleiht und ihm eben auch mehr Screentime gewährt. Man könnte die Beziehung zwischen ihm und Salieri, die eine gemeinsame Vergangenheit haben, näher beleuchten. Im Original wird das alles ziemlich schnell abgefrühstückt und Morello ist einfach nur ein grausamer Mensch, der sein Temperament nicht immer im Griff hat, während Don Salieri irgendwo noch die Güte eines Vito Corleone aufweist.
Nehmt die Unfairness raus!
Große Verbesserungen erwarte ich aber nicht nur in Sachen Story, sondern auch bezüglich des Gameplays, insbesondere des Schwierigkeitsgrads. Mein größter Kritikpunkt an Mafia: Es ist nicht nur ein schwieriges Spiel, sondern hat auch einige wahrlich unfaire Stellen. Beispiel gefällig? In meiner absoluten Lieblingsmission muss Tommy in einem Bordell (nein, ich mag sie nicht wegen ihr wisst schon was!) den Manager umbringen und in dessen Büro eine Bombe hochgehen lassen.
Ersteres ist kein großes Problem, den Typen erledigt ihr direkt zu Beginn des Auftrags, während der sein Mittagessen genießt. Auf dem Weg in sein Arbeitszimmer, müsst ihr euch aber durch etliche Handlanger schießen. Dabei keinen Schaden zu nehmen, ist eine Kunst für sich. Schafft ihr es lebend zum Büro, erwartet euch dort eine böse Überraschung: Sobald ihr die Tür des Raumes öffnet, begrüßt euch ein Gegner mit einer abgesägten Schrotflinte – und das so schnell, dass, wenn ihr nichts davon wisst, nicht mehr reagieren könnt und direkt tot umkippt. Ist das etwa faires Spieldesign? Nicht in meiner Welt!
Der hohe Schwierigkeitsgrad von Mafia wird aber durch die Tatsache, dass es kein freies Speichersystem gibt, noch härter. In der Regel gilt: Ihr sterbt in einem Schussgefecht? Dann müsst ihr den jeweiligen Abschnitt und somit fast die gesamte Mission von vorne beginnen. Kein Wunder, dass mich Mafia in jungen Jahren frustriert hat und ich zum Unbesiegbarkeits-Cheat griff. Das Remake soll bitte mehrere wählbare Schwierigkeitsgrade, freies Speichern oder wenigstens mehr Checkpoints und keine unfairen Passagen bieten. Das wäre sehr nett. Ach ja, das berühmt berüchtigte Autorennen darf diesmal auch bitte von Anfang an ohne Trickserei zu bewältigen sein. Ich will nicht wieder auf einen Patch warten müssen, der mich hierfür einen Schwierigkeitsgrad auswählen lässt.
So linear wie das Original oder mehr als das?
All diese Dinge, die ich bislang aufgezählt habe, sind für mich Must-haves. Wenn die Mafia: Definitive Edition sie nicht liefert, wäre ich ganz schön enttäuscht. Es gibt aber auch einen Aspekt, bei dem ich mir gar nicht sicher bin, wie ich ihn mir wünschen würde, und weshalb ich extremst neugierig bin: die Spielwelt und -struktur des Remakes.
Mafia hat zwar eine offene Welt, ist aber ein streng lineares Spiel. In der Kampagne klappert ihr in fest vorgegebener Abfolge die einzelnen Missionen ab und dürft dabei oftmals die Stadt Lost Heaven gar nicht frei erkunden, zumal ihr auf den Fahrten von A nach B auch gerne mal ein Zeitlimit einhalten müsst. Nur ein paar ganz wenige Nebenmissionen, die ihr ausschließlich an bestimmten Stellen der Story angeboten bekommt und absolvieren könnt ("Mach es jetzt oder gar nicht!"), lassen euch mal kurz vom Story-Pfad abweichen.
Wenn das Remake den gleichen Weg beschreitet, dann finde ich das ok. Mafia hat sich eben klar darauf konzentriert, eine spannende, wendungsreiche Geschichte zu erzählen. Es sollte niemals ein Open-World-Spiel wie GTA werden. Nun schreiben wir aber das Jahr 2020, Open Worlds sind total im Trend und Hangar 13 hat zuletzt Mafia 3 entwickelt, das sich von der Linearität seiner Vorgänger verabschiedet hat. Es ist also durchaus vorstellbar, dass wir in Mafia: Definitive Edition abseits der Handlung allerlei optionalen Kram erledigen können.
Eine offenere Spielstruktur würde ich begrüßen, sofern denn das Open-World-Design und die Qualität der Nebenmissionen auf hohem Niveau wären. Und da mache ich mir aufgrund dessen, was Hangar 13 mit Mafia 3 abgeliefert hat, Sorgen. Der jüngste Serienteil hat schließlich eine furchtbare Open World. Die Welt wirkt zwar lebendig und ist atmosphärisch dicht, aber die Nebenmissionen sind generischer Copy-&-Paste-Standard. Und das Schlimmste ist: Sie sind nicht mal richtig optional. Um die nächste gut designte, schick inszenierte Story-Mission freizuschalten, müsst ihr mehrere dieser langweiligen Fleißaufgaben erfüllen. Fortschritt in Mafia 3 zu erzielen, wird so schnell zu Arbeit.
Hoffentlich kein Schnellschuss
Nun kann Hangar 13 gar nicht diese Struktur exakt so für das Mafia-Remake übernehmen, weil sie schlicht nicht zur Story passt. Aber das muss nicht heißen, dass etwaige Nebenmissionen hier besser sind. Zur Verteidigung des Studios muss ich allerdings sagen, dass Mafia 3, nach allem, was man weiß, in relativ kurzer Zeit zusammengeschustert worden ist. Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass das Spiel in einem miesen technischen Zustand veröffentlicht wurde.
Wie lange Hangar 13 nun schon an der Mafia: Definitive Edition arbeitet, wissen wir nicht. Schätzungsweise dürfte das Team aber spätestens 2017 damit begonnen haben. Drei Jahre Entwicklungszeit wären für ein Spiel, dessen Story, Charaktere und Missionen zu einem Großteil schon existieren, durchaus angemessen, selbst wenn es ein Open-World-Spiel mit hoher Spielzeit sein sollte. Daher bin ich recht zuversichtlich, dass uns zumindest kein weiteres Technikdebakel bevorsteht. Aber was die inhaltliche Qualität betrifft, da muss Hangar 13 noch Überzeugungsarbeit leisten, damit meine Skepsis vor Release verfliegt.
So sehr ich letztendlich aber Vorsicht walten lasse, was auch einfach nur gesund ist, um zu arger Enttäuschung vorzubeugen: Es freut mich dennoch sehr, dass 2K Games Mafia wiederauferstehen lässt. Und sollte das Remake sich als großer Hit erweisen, der mir all das bietet, was das Original hat, und noch mehr, dann wird es für mich eines der absoluten Highlights des Jahres sein – und dann kann ich mich wieder wie der 13-jährige Jens fühlen, der sich 2003 so sehr in ein Spiel verliebt hat wie nie zuvor.