Mir sind Leute ein Dorn im Auge, die in Call of Duty: Modern Warfare mit Raketen herumspielen.
Von CoD-Raketenwerfer-Noobs und Griefern in Sea of Thieves
Endlich Feierabend! In Zeiten von Corona bedeutet das nicht, den Heimweg anzutreten, sondern einfach nur alle für den Job wichtigen Dokumente und Chats zu schließen – Home Office sei Dank. Nachdem das erledigt ist, frage ich meine Kumpels, ob sie Lust haben, zu zocken. Ein kollektives "Jawoll!" wird mir entgegnet, wir versammeln uns im Sprach-Chat und starten alle Mann Call of Duty: Modern Warfare. Wir entscheiden uns für ein paar entspannte Runden "Team Deathmatch". Die erste Partie beginnt, gespielt wird auf "Gun Runner", einer meiner Lieblingskarten.
Kurz nach Rundenbeginn blickt der erste Gegner in den Lauf meines Sturmgewehrs und fällt kurz danach tot zu Boden. Hach, wie befriedigend das doch immer wieder ist! Das Gunplay von Call of Duty: Modern Warfare ist aber auch einfach verdammt gut. Wenn ich jetzt noch halbwegs erfolgreich bin, steht einem nahezu perfekten Feierabend nichts im Weg. Dann plötzlich: Bumm! Mein eigener Soldat wird zerfetzt. Ich habe das Zischen noch gehört, konnte aber nicht mehr reagieren. Nur wenige Meter vor mir stand ein Kontrahent, ausgestattet mit einem dicken Raketenwerfer. Und er hatte natürlich nichts Besseres zu tun, als mich damit zu pulverisieren. Die Möglichkeit, mich zu verfehlen? Verschwindend gering, immerhin befanden wir uns in einer relativ engen Gasse. Viel Raum, um daneben zu schießen, blieb dem Kerl nicht.
Noobs! Alles Noobs!
"Na toll, wieder so ein Raketenwerfer-Noob!", dachte ich mir und teilte dem "Kollegen" gleich per Chat mit, wofür ich ihn halte – natürlich ohne beleidigend zu werden. Ich nutze den Chat in Modern Warfare wirklich selten, daher ist "Raketenwerfer-Noob" (beziehungsweise die englische Variante "Rocket Launcher Noob") mit weitem Abstand das, was ich am häufigsten im Spiel schreibe.
Das liegt unter anderem daran, dass es leider so viele von diesen Leuten gibt, die in einem größtenteils rein aus Infanteriegefechten bestehenden Shooter mit Raketenwerfern rumballern, als wären wir hier bei Unreal Tournament. Der Unterschied ist: In letzterem Titel ist eine einzelne Rakete nicht direkt tödlich, sofern das Opfer noch volle Lebensenergie hat. Aber Call of Duty ist in der Hinsicht – und ich fasse es gerade nicht, dass ich das wirklich schreibe – realistischer.
Mich regen die Leute, die in Modern Warfare mit diesen dicken Rohren über die Karten rennen, extremst auf. Einen Raketenwerfer in "Team Deatchmatch", "Herrschaft" oder "Capture the Flag" gegen Infanterie einzusetzen, ist in etwa so, als würde jemand zu einem Boxkampf ein Breitschwert mitbringen. Wäre das fair? Ganz und gar nicht! Noch dazu wäre es verboten. Das sind die Raketenwerfer in Call of Duty allerdings nicht – und das sogar aus gutem Grund.
Das sind keine Antiinfanteriewaffen!
Nun könnte man schließlich die Frage stellen, warum es diese Schwerkaliber an Tötungswerkzeug überhaupt in dem Spiel gibt. Zum einen liegt das an dem "Bodenkrieg"-Modus, in dem Fahrzeuge und unter anderem auch Panzer eingesetzt werden. Gegen die muss man sich ja als Fußsoldat irgendwie wehren können. Aber auch in den kleineren Modi haben die Raketenwerfer eine Daseinsberechtigung. Es gibt schließlich Abschussserienbelohnungen wie den Vitol-Jet, der eine Weile über dem Schlachtfeld kreist und auf jeden Gegner feuert, der ihm vors Visier läuft. Und es muss ja eine Möglichkeit geben, diese Kriegsmaschine irgendwie vorab loszuwerden.
Doch warum sollte jemand seine Klasse mit einem Raketenwerfer statt einer Pistole oder – den entsprechenden Perk vorausgesetzt – einer zweiten Primärwaffe ausstatten, wenn er den nur alle Jubeljahre mal einsetzen würde, um ein Flugzeug vom Himmel zu holen? Also kommt er eben auch gegen feindliche Infanterie zum Einsatz – und stellt somit ein riesiges Balancing-Problem dar. Denn auf den engen Karten von Call of Duty: Modern Warfare ist es damit recht einfach, Abschüsse zu erzielen. Sehr häufig kommt es zu Szenen, wie ich sie oben beschrieben habe. Und die verderben mir oft den Spaß am Spiel.
An jeden da draußen, der in Modern Warfare gerne seine Widersacher Raketen küssen lässt: Lasst das! Ihr seid nichts weiter als Spielverderber, die eine Spielmechanik ausnutzen, statt richtigen Shooter-Skill zu beweisen. Früher habe ich mich immer über die ganzen "Quick Scoper" aufgeregt, die mit ihren Scharfschützengewehren wild über die Karten gerannt und einem aus wenigen Metern Entfernung und in hohem Tempo eine Kugel in den Kopf gejagt haben. Ich bin froh, dass das in Modern Warfare nicht mehr möglich ist, aber diese Technik musste man zumindest üben. Dafür musste man was können. Raketenwerfer-Kills auf engen Karten und kurze Distanzen sind längst keine so große Herausforderung. Deswegen gibt es eben auch genug Spieler wie den im folgenden Video, die eben liebend gerne mit den dicken Rohren umherlaufen, um damit eifrig Abschüsse zu verteilen. Und das muss sich ändern.
Der Spaß, anderen den Spaß zu nehmen
Spielverderber gibt es aber nicht nur in Call of Duty, sondern in nahezu jedem Multiplayer-Spiel. In kaum einem Titel ist man vor ihnen sicher und es gibt sie in ganz unterschiedlichen Varianten. Da wären zum Beispiel die sogenannten "Griefer". Das sind Spieler, die sich daran ergötzen, anderen Leuten dem Spaß am Spiel zu nehmen, ohne dabei aber direkt gegen die Regeln zu verstoßen.
Kollege Nico kann davon ein Liedchen singen. Er spielt viel Sea of Thieves und wurde darin auch schon mal von Leuten belästigt, die ihn und seine Crew mehrfach hintereinander nach dem Respawn getötet haben, bloß weil sie es lustig fanden. Wenn man in dem Piratenspiel das Schiff einer gegnerischen Truppe nicht versenkt, spawnen die Gefallenen auf dem Kutter wieder und man kann sie direkt nochmal ins Reich der Toten schicken – ganz schön fies!
Ich selbst erinnere mich noch an die gute alte WoW-Zeit, in der auch nicht alles rosig war. Ich hatte mich schließlich dafür entschieden, auf einem PvP-Server zu spielen. "Selbst schuld!", hätte man sagen können, wenn ich kleiner Level-33-Hexenmeister mal wieder von einem Stufe-60-Schurken im Schlingendorntal "gegankt" (mehrfach hintereinander getötet) wurde, weil der Kerl da gerade Lust drauf hatte.
Schwarze Schafe manchmal auch in den eigenen Reihen
Doch nicht nur Gegenspieler können einen zur Weißglut treiben, das kriegen auch die eigenen Teamkollegen gerne mal hin. Und damit meine ich nicht diejenigen, die nicht gut spielen und einen deshalb den Sieg kosten. Nein, ich rede von den Leuten, die sich in Counter-Strike: Global Offensive oder Rainbow Six: Siege für den Anführer halten, dann darüber ärgern, dass man nicht jede ihrer Anweisungen befolgt, und plötzlich zu Beginn einer neuen Runde einen erschießen.
In anderen Spielen, in denen es kein "Friendly Fire" gibt, entscheiden sich solche Menschen dann gerne dazu, per Text- oder Sprach-Chat die fiesesten Beleidigungen hinauszuposaunen – oder sie verlassen das Match und überlassen die anderen Spieler des Teams ihrem Schicksal. So etwas ist keine Seltenheit, jeder von euch hat bestimmt schon mal etwas Vergleichbares erlebt.
Betrüger gibt’s leider überall
Die krasseste Form von Spielverderbern sind aber natürlich die Cheater. Während jemand, der in Call of Duty: Modern Warfare einen Raketenwerfer nutzt, um leicht Kills abzustauben, noch innerhalb der Grenzen operiert, die von den Spielregeln gebildet werden, überschreiten Cheater sie. Dem Entwickler kann man vielleicht vorwerfen, zu wenig Ressourcen in den Anti-Cheat-Schutz investiert zu haben, letztendlich ist aber kein Spiel zu 100 Prozent frei von Leuten, die sich mit Hilfe von Dritthersteller-Software enorme Vorteile gegenüber anderen verschaffen – egal, wie gut die Sicherheitsmaßnahmen des Herstellers sind.
Die gute Nachricht ist: Man kann etwas gegen Cheater und andere Spielverderber tun und ist ihnen nicht hilflos ausgesetzt. Oder anders formuliert: Man kann dafür sorgen, dass etwas gegen sie unternommen wird. Ein Gegenspieler erweckt in euch den starken Verdacht, dass er cheatet? Dann meldet ihn! Jemand ist frustriert und schlachtet seine Teamkollegen ab, weil sie ja angeblich die Schuld daran tragen, dass man im Rückstand ist? Dann meldet ihn! Je mehr Spieler das tun, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der zuständige Entwickler aktiv wird und den Spielverderber bestraft.
Was tun beim Balancing-Problem in Call of Duty: Modern Warfare?
Tja, nur was tun im Fall von Call of Duty: Modern Warfare und seinen "Raketenwerfer-Noobs?" Die machen ja an sich nichts, was gegen Regeln verstößt. Hier würde ich mir wünschen, dass Infinity Ward erkennt, dass hier ein Balancing-Problem vorliegt. Mein Vorschlag: Raketenwerfer-Kills sollten schlicht nicht als solche gezählt werden. Den meisten CoD-Spielern geht es darum, eine positive K/D (mehr Abschüsse als eigene Tode) zu haben. Wenn die Raketenwerfer ihnen in der Hinsicht also nichts bringen, setzen sie sie vielleicht auch seltener ein.
Mir ist klar, dass diese Idee nicht perfekt ist. Schließlich könnte man dann mit Raketenwerfer-Kills immer noch dafür sorgen, dass man seltener selbst ins Gras beißt. Außerdem gibt es genug Modi, in denen nicht Abschüsse zum Sieg führen, sondern andere Aktionen, etwa das Erobern von Flaggenpunkten. Und die könnte man ja auch weiterhin verteidigen, indem man jeden Angreifer mit einer Rakete ins Reich der Toten befördert. Aber diese Idee umzusetzen, dürfte ein Leichtes sein und es wäre immerhin eine kleine Verbesserung. Noch besser wäre es, die Raketenwerfer wären in den reinen Infanteriemodi gar nicht nutzbar, aber dann müsste man konsequenterweise auch einige der Abschussserienbelohnungen streichen. Damit hätte ich persönlich aber gar kein Problem.
Am Ende des Tages können Entwickler aber noch so aktiv gegen Cheater, "Griefer" und Co vorgehen (was sie in jedem Fall tun sollten): Wir werden diese Probleme niemals gänzlich eliminieren können. Es wird immer Menschen geben, die sich in Multiplayer-Spielen nicht so fair und freundlich verhalten, wie wir uns das wünschen. Es ist eben genau wie im echten Leben: Schwarze Schafe gibt es überall und wird es immer geben – leider. Das bedeutet nicht, dass wir uns damit abfinden müssen. Aber man sollte stets realistisch bleiben. Und eine Welt ohne, nun ja, das Wort mit "A" ist halt leider eine Utopie – auch im digitalen Raum.