PlayStation Now und Co sind erst der Anfang. Spiele-Streaming wird immer wichtiger werden und die Branche stark wandeln.
Spiele-Streaming und Games-on-Demand: Revolution der Gaming-Welt
Wie oft im Jahr geht ihr ins Kino? Oder viel wichtiger: Wie viele Blu-rays beziehungsweise DVDs erwerbt ihr euch noch im Jahr? Lasst uns eine Vermutung anstellen: Die meisten von euch kaufen sich vermutlich gar keine Filme oder Serien mehr für die Heimkinosammlung. Und warum solltet ihr auch? Es gibt ja Netflix und Amazon Prime Video, die zusammen eine ungeheure Menge an Filmen und Serien anbieten. Und dabei zahlt ihr jeweils weniger Geld pro Monat, als euch die Blu-ray eines brandneuen Blockbusters kostet. Video-on-Demand hat den Filmmarkt stark verändert und diese Entwicklung ist noch nicht an ihrem Ende angelangt.
Bei Games-on-Demand hingegen stehen wir sogar noch ganz am Anfang. Gefühlt hat sich der Markt gerade erst darauf umgestellt, dass die meisten Leute ihre Spiele nicht mehr im Einzelhandel, sondern digital kaufen. Dass wir ein Abonnement abschließen und dafür vollen Zugriff auf eine breitgefächerte Bibliothek bekommen, ist zwar bereits seit einiger Zeit möglich, das Ganze steckt aber noch in den Kinderschuhen – vom Spiele-Streaming gar nicht zu sprechen. Doch Branchenexperten sagen, dass genau dieses Modell analog zu Video-on-Demand im Bereich der Filme und Serien die Zukunft des Videospielmarkts sein wird. Und das wird weitaus mehr ändern als nur die Art, wie wir Spiele beziehen.
Viele Spiele kosten viel Geld
Heutzutage ist es noch völlig normal, dass wir, wenn wir ein Spiel zocken wollen, es kaufen müssen. Auf dem PC kosten uns Vollpreistitel in der Regel 50 bis 60 Euro, auf den Konsolen können auch schon mal 70 Euro fällig werden. Ein Spiel allein reißt bei vielen (wenn auch leider nicht allen) von uns noch kein riesiges Loch ins Portemonnaie. Doch es ist ja nicht so, als würde pro Monat nur ein Blockbuster erscheinen. Wir leben in Zeiten, in denen mehrere Publisher sogar gerne mal am selben Tag ihre potenziellen Toptitel auf den Markt hauen. Das beste Beispiel dafür ist immer noch der 27. Oktober 2017, an dem Super Mario Odyssey, Assassin's Creed Origins und Wolfenstein 2: The New Colossus ihre Veröffentlichung feierten. Videospielenthusiasten, die auf allen Plattformen zocken und jedes Highlight unbedingt mitnehmen wollen, sind an diesem Tag um die 180 Euro losgeworden – und der Herbst 2017 hatte noch so viel mehr Blockbuster zu bieten.
Videospiele können zu einem extrem teuren Hobby werden, zumal ja auch immer noch Hardware nötig ist, um überhaupt zocken zu können. Da werden alle paar Jahre mehrere 100 Euro für eine neue Konsole oder gar ein vierstelliger Betrag für einen Gaming-tauglichen PC ausgegeben. Wie schön wäre es doch, wenn uns die Hersteller ein bisschen entgegenkommen würden? Erste Firmen machen das sogar schon, unter anderem Electronic Arts und Microsoft.
Das Netflix und Amazon Prime für Videospieler
Seit über vier Jahren gibt es auf der Xbox One EA Access, seit 2016 das PC-Gegenstück Origin Access. Für gerade einmal fünf Euro pro Monat erhalten Nutzer Zugriff auf ein breites, wenn auch nicht gigantisch großes Portfolio an etwas älteren Spielen von Electronic Arts sowie einigen Drittherstellern, und kommen in den Genuss, Trial-Versionen neuer First-Party-Titel vor deren Release zu zocken. Im Herbst vergangenen Jahres erweiterte man Origin Access um das Premier-Modell, das für zehn Euro mehr eigentlich alle Features der Basisvariante bietet, nur dass ihr statt den zeitlich begrenzt spielbaren Trial-Fassungen eben die Vollversionen der Spiele bekommt und zocken dürft, solange ihr Abonnent seid. Wer diese Quasi-VIP-Mitgliedschaft hat, musste also 2018 weder das neue FIFA noch Madden NFL noch Battlefield 5 kaufen und bekommt auch das bald erscheinende Anthem ohne Aufpreis – und das eben eine Woche vor allen anderen.
Microsoft bietet mit dem Xbox Game Pass etwas ganz Ähnliches an: Für knapp zehn Euro pro Monat erhaltet ihr auf der Xbox One Zugriff auf eine recht große Bibliothek, die First- und Third-Party-Titel umfasst und könnt sie solange spielen, wie ihr euer Abo laufen lasst. Neue Exklusivtitel, in diesem Jahr etwa Crackdown 3 und Gears 5, sind direkt zum Release im Game Pass enthalten. Dank „Play Anywhere“-Programm könnt ihr jene Spiele auch auf einem Windows-10-Rechner zocken, darüber hinaus gibt es für PC-Spieler aber noch keinen Grund, ein Abonnement abzuschließen. Doch Microsoft hat bereits angekündigt, in naher Zukunft den Game Pass in vollem Umfang auf den PC zu bringen.
Sowohl Origin Access als auch der Xbox Game Pass sind sehr gute Angebote. Die Bibliotheken werden in beiden Fällen regelmäßig erweitert und wer sowieso alle neuen First-Party-Spiele zocken will, kommt mit einem Abo günstiger weg, als wenn man sämtliche Titel eines Jahres zum Vollpreis kaufen würde. Beide Services haben noch eine Gemeinsamkeit: Ihr müsst euch die Spiele herunterladen. Eine Streaming-Option gibt es derzeit weder bei Origin Access noch dem Game Pass.
Streamen statt downloaden
Das könnte und dürfte sich in den kommenden Jahren jedoch ändern. EA hat im Sommer 2018 einen Streaming-Dienst angekündigt, der Teil von Origin Access Premier sein wird. Konkrete Infos dazu gibt es aber nach wie vor nicht. Microsoft hat ebenfalls im vergangenen Jahr ein solches Angebot enthüllt: Project xCloud soll es ermöglichen, Xbox-One-Spiele auf jedem beliebigen Gerät zocken zu können. Die Hardware, auf der die Titel berechnet werden, übernehmen dabei High-End-PCs in einem Rechenzentrum. Das Ganze wird dann per Live-Video auf den Bildschirm eures Smartphones, Tablets, PCs oder auf euren Fernseher übertragen und ihr sendet eure Controller-Eingaben zurück.
Im Kern wird Project xCloud also ähnlich funktionieren wie die Streaming-Dienste, die es heute bereits gibt. Mit jener Technik wurde ja schon vor Jahren experimentiert. Anbieter wie OnLive und Gaikai waren die Ersten, die euch Computerspiele per Video-Stream zocken ließen. Für diese ersten Gehversuche waren die Ergebnisse auch nicht schlecht, aber mit der klassischen Methode konnten sie längst nicht mithalten: Die Bildqualität litt unter der Videokompression (Stichwort Artefaktbildung) und es gab eine spürbare Eingabeverzögerung. OnLive überlebte nur ein paar Jahre, Gaikai hingegen wurde von Sony aufgekauft.
Diese Streaming-Services gibt es bereits
Das führt uns zu PlayStation Now. Bereits 2014 startete jener Service als Open Beta in Nordamerika, wir Europäer mussten uns wesentlich länger gedulden. Anfangs diente das Ganze vor allem dazu, PS3- und PS2-Spiele auf der PS4 und später auch dem PC zocken zu können (die einzige Möglichkeit, Red Dead Redemption als reiner PC-Spieler zu erleben). Heute umfasst die PlayStation-Now-Bibliothek auch über 250 PS4-Titel. Für knapp 15 Euro im Monat bekommt ihr also einiges geboten. Allerdings ist eine starke Internetleitung unabdingbar, um genussvoll zocken zu können. Selbst mit schnellem Glasfaser bekommt ihr die Spiele aber nur in 720p angezeigt. Wer eine höhere Auflösung haben möchte, muss auf den Offline-Modus zurückgreifen und somit die Titel herunterladen. Das geht, wie ihr euch sicherlich denken könnt, nur auf der PS4 und nicht dem PC.
PlayStation Now ist der bislang beste Streaming-Service, aber auch hier zeigt sich, dass die Technik noch in ihren Kinderschuhen steckt. Ein weiterer Dienst, der bereits offiziell gestartet ist, heißt Jump. Dessen Angebot gibt es zwar noch nicht offiziell in Deutschland, ihr könnt aber dennoch ein Abo abschließen beziehungsweise das Ganze 14 Tage lang kostenlos testen (bei PS Now könnt ihr nur eine Woche gratis zocken). Danach werden derzeit 4,99 US-Dollar fällig, um Zugriff auf über 100 Indie-Spiele zu bekommen. Jump verzichtet komplett auf Blockbuster und hat in seinem Portfolio dafür Indie-Perlen wie Nidhogg, Pony Island oder The End Is Nigh – sicherlich kein Angebot für die breite Masse, aber für Indie-Liebhaber ganz ordentlich, zumal jeden Monat neue Spiele hinzukommen.
Cloud-Gaming mal anders
Ein ganz besonderer Service ist Shadow PC aus Frankreich. Hierbei zahlt ihr nicht bloß 10 oder 15, sondern 29,95 Euro pro Monat – und das auch nur, wenn ihr ein Abo für ein Jahr abschließt. Ein einzelner Monat kostet satte 44,95 Euro. Das hat aber auch einen Grund: Ihr mietet nämlich einen High-End-PC und könnt den über das Internet genauso nutzen wie euren eigenen privaten Rechner. Ihr habt also kompletten Zugriff auf das System und könnt jede beliebige Software installieren. Die Titel, die ihr über den weit von eurem Zuhause entfernten Computer zocken wollt, müsst ihr selbst kaufen. Es werden also nicht die Spiele auf euer Gerät daheim oder unterwegs gestreamt, sondern das Bild des PCs, der beim Anbieter steht.
Shadow PC ist nicht etwa für die Leute, die für einen kleinen monatlichen Betrag Zugriff auf eine große Bibliothek haben wollen, sondern für die, die sich keinen eigenen High-End-Rechner leisten können, ihre Spiele aber trotzdem in den bestmöglichen Grafikeinstellungen spielen wollen. Letzteres wird dadurch sichergestellt, dass der gemietete Rechner immer auf dem neuesten Technikstand gehalten wird. Hardware-Upgrades sind im Preis inbegriffen. Aber auch hier gilt: Selbst mit einer sehr schnellen Internetleitung werdet ihr nicht ganz die gleiche Bildqualität erreichen können, als wenn ihr direkt auf eurem heimischen PC zocken würdet.
Wer wird sonst noch ins Rennen gehen?
In den kommenden Jahren werden noch weitaus mehr Firmen auf den Games-on-Demand- und Streaming-Zug aufspringen. Microsofts Project xCloud und die Pläne von EA haben wir bereits erwähnt. Google werkelt an Project Stream, das schon im vergangenen Herbst in den USA anhand von Assassin's Creed Odyssey getestet wurde. Nvidia schickt demnächst GeForce Now ins Rennen, dessen Beta derzeit läuft. Jüngst gab es das Gerücht, dass Amazon an einer eigenen Technik arbeitet, die frühestens 2020 an den Start gehen soll.
Darüber hinaus ist es bei einigen anderen Firmen gut denkbar, dass sie sich auch ein Stück vom Kuchen sichern wollen werden. Uns fällt da beispielsweise direkt Valve ein. Wenn Abo-Modelle und Streaming sich immer mehr durchsetzen, wird der aktuell größte Anbieter digitaler Versionen von PC-Spielen nicht drumherum kommen, mit der Zeit zu gehen und Steam um einen entsprechenden Service zu erweitern. Gleiches gilt für den noch jungen Valve-Konkurrenten Epic Games ("jung" im Bezug auf das Alter des Epic Games Stores, nicht die Firma selbst). Mit Fortnite verdient das Unternehmen so viel Geld, dass es locker einen eigenen Streaming-Dienst aufbauen kann.
Die Zukunft der Konsolen
Nun kann man sich noch die Frage stellen, was denn Nintendo wohl machen wird? Das verbinden wir sogleich mit einer anderen Frage: Was würde es für die Konsolen generell bedeuten, wenn der Massenmarkt auf Games-on-Demand und Streaming umschwenkt? Denn dann erübrigt sich ja eine teure Konsole neben oder unter dem Fernseher, wenn der allein schon reicht, um zu zocken. Tatsächlich gehen viele Experten davon aus, dass die nächste Konsolengeneration die letzte ihrer Art sein wird. PlayStation 5 und die neue Xbox würden demnach nochmal Plattformen mit starker Hardware werden, um flüssiges Spielen in nativem 4K zu ermöglichen. Doch in spätestens zehn Jahren wird sich das Internet und vor allem die Infrastruktur in den wichtigen Märkten (hoffentlich) so stark verbessert haben, dass Streaming in hoher Auflösung und ohne Artefakte oder Eingabeverzögerungen problemlos möglich sein wird.
Es könnte also passieren, dass nach der PS5 und dem Nachfolger der Xbox One Sony sowie Microsoft gar keine Konsolen mehr veröffentlichen, sondern einfach ihre eigenen Games-on-Demand-Dienste haben, dank denen ihr dann auf dem Gerät eurer Wahl die jeweiligen Exklusivspiele und sonstigen Titel zocken könnt. Was Nintendo betrifft, glauben wir jedoch eher, dass das Traditionsunternehmen der klassischen Konsole länger die Treue halten wird. Die Japaner hinken in Sachen Technik der Konkurrenz ja schon seit vielen Jahren immer ein Stück hinterher – nicht nur in Bezug auf Grafik, sondern auch hinsichtlich der Online-Features. Bis Nintendo einen Service anbietet, der zumindest schon mal ein Äquivalent zum jetzigen Xbox Game Pass (also ohne Streaming) bildet, könnte es noch Jahre dauern. Die Firma kann sich das aber auch erlauben. Sie hat eine so treue Fangemeinde wie kein anderer Konsolenhersteller, die sicherlich auch noch in zehn Jahren 60 Euro für jedes Mario und The Legend of Zelda zahlen wird.
Streaming braucht keine High-End-GPU
Der PC-Markt wird sich durch den Wandel natürlich auch stark verändern. Auch hier wird es Auswirkungen auf die Produktion und den Verkauf von Hardware geben. Ganz besonders betroffen wird die Grafikkartensparte sein. Für schnelle Prozessoren und flotten Arbeitsspeicher wird auch im Streaming-Zeitalter noch ausreichend Nachfrage herrschen, wenn auch hauptsächlich nicht im privaten Bereich. Videoschnitt, Programmierung, Grafikbearbeitung – all das verlangt nach guter Hardware.
Der Markt für starke Grafikkarten dürfte jedoch deutlich schrumpfen, da hier die Zocker ja doch den größten Anteil ausmachen. Nun sind die jüngsten RTX-Karten von Nvidia bereits deutlich teurer als die Modelle der vorherigen Generation, was vor allem an neuen Features wie Raytracing, aber auch der Marktdominanz des US-Unternehmens liegt. Nvidia kann es sich erlauben, die Preise zu erhöhen, weil AMD es nicht mehr schafft, mitzuhalten.
Diese Situation wird sich für uns Spieler in Zukunft wohl kaum bessern, wenn der Markt für High-End-Grafikkarten aufgrund der Verbreitung von Streaming kleiner wird. Sicherlich wird es die Hardcore-PC-Anhänger geben, die weiterhin Spiele kaufen, herunterladen und direkt auf ihrem eigenen teuren Rechner spielen wollen, um so das bestmögliche Erlebnis zu haben. Doch was jetzt schon im Vergleich zum Konsolenmarkt eine Nische ist, wird mit der Zeit noch kleiner werden. Und das kann dann ja nur zu einer Erhöhung der Hardware-Preise führen.
Klar, vieles in diesem Artikel ist Spekulation. Wir sind schließlich keine Hellseher. Aber dass Streaming und damit verbunden Abo-Dienste immer mehr an Bedeutung gewinnen, weil die Netzinfrastruktur besser wird und damit sowohl das technische Niveau der Dienste als auch die Anzahl an potenziellen Nutzern steigen, ist abzusehen. Möglicherweise werden wir heute in zehn Jahren also gar keine Kaufempfehlungen mehr aussprechen, sondern euch sagen, welche Spiele ihr unbedingt auf eure Playlists bei den verschiedenen Streaming-Anbietern packen sollt – eben genau wie heute schon bei Filmen und Serien, wo immer wieder gesagt wird: „Das sollte man sich auf die Watchlist setzen.“ Zukunft, wir sind gespannt, was du bereithältst.