Ein Blick auf die Liste der meistgewünschten Spiele auf Steam offenbart Überraschendes: Nach dem kleinen Partyspiel Party Animals schreien mehr Leute als nach so manch großem Blockbuster.
Party Animals: Dieses Spiel wünschen sich mehr Leute als Starfield
Auf welche Spiele freut ihr euch derzeit am meisten? Müsste ich raten, würde ich Titel wie Starfield, den Nachfolger zu The Legend of Zelda: Breath of the Wild, Hogwarts Legacy, God of War Ragnarök oder Diablo 4 nennen. Ich käme aber sicherlich niemals auf die Idee, Party Animals als eines der meisterwarteten Spiele zu verorten. Herrje, bis vor wenigen Tagen hatte ich nicht mal mehr auf dem Schirm, dass ein Titel mit diesem Namen in der Mache ist. Es ist nicht so, als hätte ich zuvor noch nie davon gehört. Aber ein Jahr lang war es so verflucht still um Party Animals, dass es sich aus meinem Gedächtnis vollkommen verabschiedet hatte – bis ich kürzlich einen Blick auf die meistgewünschten Spiele auf Steam warf.
Die Steam-Nutzer stehen wohl auf niedliche Fellträger
Jene Liste ist allgemein etwas kurios. Auf Platz 1 befindet sich seit Kurzem das Katzenabenteuer Stray. Zuvor führte längere Zeit das Zombie-Survival-Spiel The Day Before. Die Top 3 komplettiert aktuell Hollow Knight: Silksong – auch so ein Spiel, von dem wir lange nichts mehr gehört hatten, bis beim Xbox & Bethesda Games Showcase im vorigen Monat aus heiterem Himmel ein neuer Trailer Premiere feierte.
Nun ist es schon seltsam, dass diese drei Spiele vor Starfield, S.T.A.L.K.E.R. 2, Hogwarts Legacy und Call of Duty: Modern Warfare 2 stehen. Immerhin sind das doch vier der größten Blockbuster, die dieses beziehungsweise nächstes Jahr erscheinen sollen. Doch es wird noch seltsamer, denn auch Party Animals platziert sich vor all diesen Titeln. Derzeit ist es das Spiel auf Steam mit den viertmeisten Einträgen auf Wunschlisten. Aber nicht nur das: Von allen noch nicht erschienenen Titeln ist es der mit den meisten Followern. Laut SteamDB folgen über 332.000 Leute Party Animals, um ja keine Neuigkeiten dazu zu verpassen. Auf Platz 2 liegt Hollow Knight: Silksong mit knapp 203.000, also mehr als einem Drittel weniger. Und Starfield, das auf Rang 8 liegt, hat nicht mal die Hälfte.
Es besteht kein Zweifel daran, dass sich viele Leute sehr auf Party Animals freuen. Aber warum? Wieso sehnen mehr Steam-Nutzer das Partyspiel eines kleinen chinesischen Entwicklers herbei, zu dem seit einem Jahr kein neuer Trailer erschienen ist, als die AAA-Produktionen von Bethesda, Warner Bros. und Activision?
Absolut nichts Neues
Für diejenigen, die gar nicht im Bilde sind: Party Animals ist ein Multiplayer-Prügelspiel der anderen Art. Ihr schlüpft in die Haut niedlicher Tiere und kloppt euch gegenseitig windelweich. Euer eigentliches Ziel (zumindest im Standardmodus) ist es aber, die Konkurrenz aus dem Kampfbereich heraus zu befördern. Spielt sich die Action beispielsweise auf einem fliegenden Flugzeug ab, müsst ihr dafür sorgen, dass eure Gegner in die Tiefe stürzen. Kombos oder überhaupt verschiedene Arten von festen Moves wie in einem gewöhnlichen Prügelspiel gibt es nicht. Stattdessen könnt ihr separat mit der linken und rechten Faust zuschlagen und eure Widersacher mit beiden Händen packen. Die Steuerung ist extra nicht überaus präzise, um den Chaos- und damit auch den Comedy-Faktor noch ein wenig zu erhöhen.
Das klingt alles witzig und was es bislang von Party Animals zu sehen gibt, macht auch den Eindruck, als wäre das Ding der perfekte Kandidat, um Spieleabende mit Freunden auszufüllen. Doch neuartig ist das Konzept ganz und gar nicht. Dem Entwickler Recreate Games (ein ziemlich passender Name) könnte man vorwerfen, schamlos bei Gang Beasts zu klauen. Das ist im Kern das gleiche Spiel, nur dass hier a) die Charaktere keine Tiere sind und b) die Grafik wesentlich simpler ist. Ok, Party Animals erweitert das Konzept um nutzbare Waffen, aber dadurch wird es nicht gleich innovativ. Nein, es wirkt eher wie ein inoffizielles Gang Beasts 2.0.
Die Gaming-Branche hat jedoch schon häufig bewiesen, dass es nicht immer Innovationen sind, die zu großen Erfolgen führen. Blizzard kann ein Liedchen davon singen. Egal ob Starcraft, World of Warcraft, Overwatch oder Hearthstone: Die Kalifornier haben noch nie ein Spiel veröffentlicht, das wirklich etwas Neues gemacht hat, sondern sich stets an Grundformeln anderer Hersteller bedient, diese dann stark verfeinert, massentauglich gemacht und auf Hochglanz poliert. Genau das hat Blizzard zu dem hochangesehenen Studio gemacht, … das es zumindest bis vor einigen Jahren noch war. Wer sagt denn, dass Recreate Games mit Party Animals nicht einen ähnlichen Weg beschreiten kann?
Gang Beasts ist nun auch kein Riesenerfolg gewesen. Sein eigener Rekord für die meisten zeitgleich aktiven Spieler liegt laut Steamcharts bei gerade mal 2946 Leuten – und das war im Release-Monat, dem September 2017, der Fall. Zuletzt spielten durchschnittlich um die 510 Leute zeitgleich. Somit besteht gar nicht die Gefahr, dass eine breite Masse von Spielern Party Animals bloß als ideenlosen Klon abtut. Für viele wird es ein frisches Spielerlebnis bieten, weil sie eben das Vorbild gar nicht kennen. Mich erinnert das an Rocket League, das auch nicht das erste Spiel gewesen ist, in dem ihr mit Autos Fußball spielt. Schon sieben Jahre zuvor ist Supersonic Acrobatic Rocket-Powered Battle-Cars erschienen, was im Prinzip genau das Gleiche ist, aber halt kein Millionen-Seller wurde. In diesem Fall steckt jedoch mit Psyonix derselbe Entwickler hinter beiden Werken.
Das nächste Fall Guys?
Ausgehend davon, dass das Interesse an Party Animals so groß ist, prognostiziere ich, dass das Ding einen ähnlich erfolgreichen Start wie zuletzt Fall Guys haben wird – auch, weil es von Tag 1 an im Game Pass verfügbar sein wird. Auf Twitch wird es in den ersten Wochen nach Release rauf und runter gespielt werden, weil es einfach das typische Streamer-Spiel ist: ein Multiplayer-Titel mit viel Slapstick, bei dem sich die Spieler richtig schön gegenseitig anschreien können. Was mich in der Einschätzung bestärkt: Als im Herbst 2020 eine Demo spielbar war, erreichte Party Animals in der Spitze über 113.000 Zuschauer zeitgleich auf Twitch, wie TwitchTracker zu entnehmen ist.
Wann Party Animals erscheint, ist derzeit unklar. Die Steam-Shopseite nennt nach wie vor keinen Termin. Die Entwickler selbst offenbarten aber in einem Beitrag vom 25. Mai, dass sie einen Release in diesem Jahr anpeilen, Verschiebungen jedoch nicht ausgeschlossen seien. Beim Xbox & Bethesda Games Showcase im Juni wurde zwar kein neuer Trailer präsentiert, aber Party Animals tauchte immerhin in der Liste der Spiele auf, die noch dieses Jahr auf den Markt kommen sollen.
Recreate Games macht aber so oder so derzeit alles richtig. Offensichtlich braucht es gar nicht mehr von seinem Erstlingswerk zeigen, um genügend Aufmerksamkeit zu bekommen. Klar, viele Einträge auf Wunschlisten und zahlreiche Follower sind keine Garantie für einen Verkaufserfolg, aber zumindest starke Indikatoren. Nur häufiger als ein Starfield oder Hogwarts Legacy wird sich Party Animals sicherlich nicht verkaufen. Das wage ich stark zu bezweifeln. Auch wenn die aktuellen Steam-Daten was anderes aussagen mögen, bin ich mir doch sehr sicher, dass jene Spiele insgesamt mehr Aufmerksamkeit genießen. Wir dürfen schließlich den Konsolenmarkt nicht außenvorlassen und gerade für Hogwarts Legacy dürfte der deutlich wichtiger sein als das PC-Pendant.
Nichtsdestotrotz ist es bemerkenswert, wie hoch Party Animals jetzt schon in der Gunst der Steam-Nutzer steht. Und ich bin ehrlich: Ich hab auch richtig Lust darauf, als Hund, Katze, Ente oder Walross meine Freunde windelweich zu prügeln. Ich fand auch schon Gang Beasts toll und nehme gerne eine hübschere, etwas hochwertiger wirkende Abwandlung davon. Aber dass es so vielen Menschen ähnlich geht, damit hätte ich nicht gerechnet.