Wir blicken in die Glaskugel und analysieren, was für Folgen die Übernahme Bethesdas durch Microsoft haben könnte.
Microsoft kauft Bethesda: Und nu?
Normalerweise würden derzeit alle in der Videospiele nur darüber sprechen, dass ja bald die neuen Konsolen von Sony und Microsoft erscheinen. Dass die Vorbestellungsphase für die PlayStation 5 am Freitag auf nicht sonderlich löbliche Art und Weise begonnen hat. Dass heute die ersten ihre Xbox Series X/S vorbestellt haben. Dass das neue Bildmaterial von Cyberpunk 2077, das CD Projekt RED vergangene Woche veröffentlicht hat, wie zu erwarten war, richtig gut aussieht und der Release des Rollenspiels nur noch zwei Monate entfernt ist. Aber dann kam gestern Microsoft um die Ecke und sorgte für einen richtigen Paukenschlag, indem man bekannt gab, "mal eben" Bethesda, genauer gesagt dessen Mutterfirma ZeniMax Media für 7,5 Milliarden US-Dollar gekauft zu haben.
Das Bemerkenswerte daran ist nicht bloß, dass die Summe so hoch ist oder somit einer der großen AAA-Publisher Teil eines noch größeren AAA-Publishers ist, sondern dass niemand davon etwas geahnt hat. Es gab keinerlei Gerüchte im Vorfeld, wo doch so etwas normalerweise immer über irgendwelche inoffiziellen Wege ans Tageslicht kommt. Die Übernahme von Bethesda Softworks durch Microsoft kam also sehr überraschend dementsprechend baff sind wir in der Redaktion. Aber was bedeutet das alles für die Zukunft? Für die Spiele von Bethesda? Für die Entwicklerstudios, die dem Unternehmen angehören? Wir werfen an dieser Stelle einen Blick voraus. Manche Folgen sind bereits von offizieller Seite bestätigt, andere zumindest sehr wahrscheinlich und dann gibt es noch ein paar Wünsche unsererseits.
Riesenplus für Game-Pass-Abonnenten
Fangen wir mit dem an, wo mehr oder weniger schon alle Fragen geklärt sind. Da steht an erster Stelle der Xbox Game Pass. Wenn Bethesda Game Studios und alle anderen Entwickler, die zu Bethesda Softworks gehören (Arkane, id Software, MachineGames zum Beispiel) nun First-Party-Studios von Microsoft sind, dann müsste das ja bedeuten, dass all deren Spiele künftig von Tag 1 an Teil des Abo-Service sind. Genau das wird auch passieren, wie Microsoft schon bestätigt hat.
Wer treuer Abonnent ist, wird also fortan kein Spiel von Bethesda mehr kaufen müssen. The Elder Scrolls 6, Starfield, mögliche neue Fallouts, Deathloop, GhostWire: Tokyo, sie alle werden im Game Pass landen. Darüber hinaus gibt es viele bereits erschienene Spiele, die in Kürze entweder erstmalig ihren Weg in die Bibliothek finden oder zurückkehren. Das 2017er-Prey von Arkane zum Beispiel oder Wolfenstein 2: The New Colossus waren zweitweise im Game Pass enthalten und feiern demnächst ihr Comeback.
Hinzu kommen jede Menge andere hochkarätige Spiele: Die "The Elder Scrolls"-Teile, The Elder Scrolls Online, The Evil Within 1 und 2, Dishonored 1 (Teil 2 ist bereits verfügbar) oder auch das Doom von 2016 und Doom Eternal. Der Xbox Game Pass wird sich also bald noch mehr lohnen, als wir bislang angenommen hatten - man darf ja nicht vergessen, dass EA Play und somit etliche Spiele von Electronic Arts noch dieses Jahr in Microsofts Service integriert werden.
Mehr Exklusivspiele?
Gestern stellte sich noch die Frage, was denn mit Deathloop und GhostWire: Tokyo passieren wird. Immerhin hat sich Sony für beide Spiele Konsolenexklusivität gesichert, zumindest für einen begrenzten Zeitraum. Microsoft verkündete aber schnell, dass sich daran nichts ändert. Somit ist es tatsächlich so, dass der Xbox-Hersteller 2021 zwei Spiele für die PlayStation 5 veröffentlichen wird, die nicht zeitgleich für die Xbox Series X/S erscheinen.
Das führt uns auch schon zu einem anderen Thema, bei dem noch vieles offen ist: Was ist mit allen weiteren zukünftigen Spielen von Bethesda? Werden sie Xbox-exklusiv sein und nur für die Microsoft-Konsolen sowie Windows 10 erscheinen? Alles, was der Konzern dazu bislang gesagt hat: Laut Phil Spencer, dem Head of Xbox, werde man von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Titel auch für andere Konsolen außerhalb des eigenen Ökosystems kommen wird. So gesehen müssen sich insbesondere Sony-Jünger, aber natürlich auch Nintendo-Fans keine Sorgen machen, dass sie in Zukunft gar keine Bethesda-Titel mehr zocken können.
Eine Garantie dafür, dass etwa The Elder Scrolls 6 und Starfield für die PS5 erscheinen werden, gibt es derweil nicht. Unsere Prognose: Sie werden mindestens zeitexklusiv für die Xbox Series X/S und den PC erscheinen. Denn zum einen sollten beide Rollenspiele (wenn sich Bethesda denn nach dem "Fallout 76"-Debakel wieder fängt) starke Argumente dafür sein, daheim eine Microsoft-Konsole oder einen Gaming-Rechner mit Windows 10 stehen und den Xbox Game Pass abonniert zu haben. Zum anderen hat Microsoft 7,5 Milliarden US-Dollar für Bethesda gezahlt. Wenn man so viel Geld unter anderem dafür bezahlt hat, dass einem beispielsweise die "The Elder Scrolls"-Marke gehört, warum sollte man sich deren nächsten Ableger dann mit dem größten Konkurrenten teilen?
Die neue Mutter bringt viele Moneten mit sich
Dass Microsoft Bethesda übernommen hat, dürfte sich aber nicht nur hinsichtlich der Release-Strategien auf die Spiele auswirken, sondern auch auf deren Entwicklung. Denn mit dem Soft- und Hardwareriesen aus Redmond als Mutterfirma haben die ganzen Entwicklerstudios von Bethesda einen viel potenteren Geldgeber. Klar, ZeniMax Media war zuvor längst kein kleines Unternehmen, das jeden Cent zweimal umdrehen musste. Vor allem der durchschlagende Erfolg von Skyrim und Fallout 4 dürfte mehr als genug Geld in die Kassen gespült haben, um große Budgets für Starfield und The Elder Scrolls 6 aufbringen zu können.
Microsoft ist aber dann doch nochmal eine ganze Ecke größer und finanzstärker als ZeniMax – ansonsten hätte man letztere Firma wohl kaum für 7,5 Milliarden US-Dollar aufkaufen können. Den Entwicklern könnte das zugutekommen, indem ihnen größere Budgets zur Verfügung gestellt werden. Somit ließen sich mehr Mitarbeiter einstellen und die Spiele könnten größer sein, eine höhere Qualität erreichen, vielleicht aber auch schneller entwickelt werden.
Kehrt nun größere Sorgfalt ein?
Das führt uns zu unseren eigenen Wünschen. Als wir gestern von der Übernahme erfuhren, kamen uns sofort einige Dinge die in den Sinn, die dadurch in der Theorie möglich wären. Der kleinste Wunsch, der auch unbedingt in Erfüllung gehen sollte: Starfield und The Elder Scrolls 6 sollen bitte weitgehend fehlerfreie Spiele sein, die nicht wieder mit solch großen Bedienungsmacken zu kämpfen haben wie zuletzt Fallout 4 und 76. Die Sorge, dass sich so etwas bei den nächsten Spielen von Bethesda Game Studios wiederholt, ist nun tatsächlich nicht mehr so groß. Der Grund: Offensichtlich hat Microsoft eine bessere Qualitätssicherungsabteilung als Bethesda. Oder fällt euch ein Spiel der Xbox Game Studios aus den vergangenen Jahren ein, das vollkommen verbuggt war?
Ok, State of Decay 2 erschien nicht im besten Zustand. Die PC-Version von Forza Horizon 3 hatte zu Beginn mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen und Ori and the Will of the Wisps hatte wiederum auf den Konsolen ein paar Performance-Probleme. Aber davon abgesehen hat Microsoft nicht gerade den Ruf, am laufenden Band Bugfeste auf den Markt zu bringen. Schaut euch nur mal Gears 5 an, das ein auf Hochglanz polierter Action-Spaß ist! Halo 5: Guardians ist ein sauber programmiertes Spiel, ebenso Gears Tactics.
Die Rollenspiele von Bethesda Game Studios sind jedoch schon immer verbuggt gewesen. Egal, wie viel Spaß wir jedes Mal mit ihnen gehabt haben, am Ende mussten stets Modder auf dem PC die Fehler ausbügeln, die die Entwickler selbst nicht zu korrigieren im Stande waren oder schlichtweg ignorierten. Und das zwischen The Elder Scrolls 4: Oblivion von 2006 und Fallout 76 von 2018 keine Verbesserungen hinsichtlich der Menüs und Bedienung gemacht wurden, obwohl jedes Mal die Modding-Szene gezeigt hat, wie es besser geht, ist ein absolutes No-Go.
Wir hoffen wirklich sehr, dass sich die Teams hinter Starfield und The Elder Scrolls 6 mehr Mühe geben, technisch einwandfreie Spiele auf den Markt zu bringen, bei denen es kein Krampf ist, das eigene Inventar zu managen – und das Microsoft stark darauf achtet, dass Bethesda das auch wirklich macht. Denn genauso wenig, wie wir eine Rückkehr der alten Creation Engine sehen wollen, wollen wir auch noch einmal mit einem unkomfortablem Listeninventar konfrontiert werden.
Ein neues Fallout von Obsidian bitte, danke!
Von diesem doch recht bescheidenen Wunsch kommen wir zu etwas größeren Kalibern. Dass Microsoft nun Bethesda gehört, bedeutet auch, dass ihm all dessen Marken gehören. Und das wiederum heißt, dass sich an denen in Zukunft auch Entwicklerstudios versuchen könnten, die nicht zu Bethesda gehören. Die beste Ankündigung wäre es, wenn irgendwann Obsidian Entertainment ein neues Fallout machen würde. New Vegas ist in Augen vieler der beste 3D-Teil der Reihe, auch wenn er total verbuggt war. Nur leider hatte Obsidian nie das Interesse, ein weiteres Spiel für Bethesda zu entwickeln, weil die Produktion des genannten Titels so schwierig war. Die Firmen gingen nicht gerade im Guten auseinander. Jetzt gehören sie beide zu Microsoft.
Wenn also Obsidian ein neues Fallout entwickeln würde, würde es das für Microsoft und nicht Bethesda machen – und wir sehr wir uns das doch wünschen. Gerade im Vergleich zu Teil 4 der Reihe ist New Vegas das viel bessere Rollenspiel. Die Quests sind intelligenter designt, lassen fast immer mehrere Lösungswege zu, während in Fallout 4 eigentlich alles aufs Ballern hinausläuft. Natürlich ist so ein Projekt zum aktuellen Zeitpunkt noch ferne Zukunftsmusik. Immerhin werkelt das Team aus Kalifornien schon an einem anderen großen RPG, dem Fantasy-Abenteuer Avowed, das kein Release-Datum hat und vermutlich noch mindestens zwei Jahre auf sich warten lässt. Aber vielleicht wird es ja danach was mit einer Art New Vegas 2.
The Elder Scrolls mal anders wäre nett
Ein anderes RPG-affines Studio von Microsoft ist inXile, die Macher von Wasteland 2 und 3. Die haben viel Expertise, wenn es um Spiele der alten Schule mit isometrischer Kameraperspektive und rundenbasierten Kämpfen geht. Und wäre es nicht mal interessant, einen "The Elder Scrolls"-Ableger dieser Art zu bekommen? Ein Spiel, das deutlich mehr Wert auf seine Geschichte legt, als es bei den großen Open-World-Titeln von Bethesda Game Studios der Fall ist? Die Welt birgt jedenfalls viel Potenzial für großartige Handlungsstränge. The Elder Scrolls hat eine fantastische Lore mit vielen interessanten Völkern, einer großen Historie und einer spannenden Religion. Da kann man so einiges herausholen.
Nun sind Wasteland 2 und 3 vielleicht nicht deshalb so beliebt, weil sie bahnbrechende Storys erzählen, sondern eher aufgrund ihrer gelungenen, komplexen Rollenspielsysteme, den damit verbundenen vielen Möglichkeiten, Quests zu lösen, und der responsiven Spielwelt (eure Entscheidungen wirken sich teils deutlich auf Charaktere, Fraktionen und die Welt an sich aus). Aber inXile hat trotzdem schon deutlich mehr Expertise im Bereich des Storytellings gezeigt als das Team hinter Skyrim, Oblivion und Co.
Gewinn oder Verlust? Vermutlich beides
Die Zukunft wird auf jeden Fall spannend – nun nicht nur wegen der neuen Konsolengeneration oder Cyberpunk 2077, sondern auch wegen der Tatsache, dass es nun sozusagen einen "Big Player" weniger auf dem Markt gibt, aber dafür ein anderer nochmal deutlich größer geworden ist. Mit allen den Studios und Marken von Bethesda hat Microsoft starke Waffen im Konkurrenzkampf mit Sony. Klar, der Idealzustand für uns Spieler wäre es, wenn einfach jeder Hersteller für jede Plattform entwickeln würde und es keine Exklusivspiele mehr geben würde. Aber das wird wohl so schnell nicht passieren.
Wer keine Microsoft-Plattform daheim hat, könnte in den nächsten Jahren in die Röhre gucken, wenn etwa das nächste Doom oder The Elder Scrolls 6 nicht auf der PlayStation 5 spielbar sein wird. Aber zugleich bedeutet der Aufkauf vielleicht auch, dass die Spiele von Bethesda in Zukunft eine höhere Qualität haben – und wir ja vielleicht wirklich ein richtig tolles Fallout von Obsidian bekommen. Alles hat eben seine Vor- und Nachteile. Es ist sicherlich nicht so, dass wir schon jetzt diese Entwicklung bejubeln. Aber wir blicken sehr gespannt in die Zukunft mit Bethesda Game Studios, Arkane, id und Co als Mitglieder der Xbox-Familie.