Twelve Minutes ist eines der interessantesten Adventures dieses Jahres und leider auch eines der frustrierendsten.
Twelve Minutes im Test: Wenn die Kernmechanik zum Problem wird
Twelve Minutes macht es uns schwer. Nicht weil das Spiel so schlecht ist und man sich überwinden muss, es weiterzuspielen. Und auch nicht, weil es so bockschwer ist, dass wir es gerne deinstallieren und nie wieder anfassen möchten. Sondern weil Luís António und sein Team mindestens genau so viel falsch wie richtig machen. Dadurch entsteht ein Titel, den man lieben möchte, es aber nicht kann. Und dann wieder doch.
Twelve Minutes wurde von Luís António in Zusammenarbeit mit Annapurna Interactive entwickelt, einem Publisher, der immer wieder für Arthouse-artige und außergewöhnliche Indie-Spiele zu haben ist. Soviel sei gesagt: Das Point-and-Click-Adventure passt mit seiner coolen Geschichte und dem interessanten Szenario perfekt ins Portfolio. Ihr solltet hier auf keinen Fall ein ganz normales Spiel nach Schema F erwarten.
Kleiner Hinweis: Twelve Minutes ist ein Spiel, in dem die Story der wichtigste Aspekt ist. Wir werden also um kleinere Spoiler nicht herumkommen, um über das Spiel sprechen zu können. Ganze Lösungswege oder harte Spoiler werden wir natürlich vermeiden.
Ein schöner Abend bei Kerzenschein
Twelve Minutes wirft euch sofort ins Geschehen. Nach einem kurzen Intro betretet ihr euer kleines Appartment, in dem ihr gemeinsam mit eurer Ehefrau lebt. Während sie sich noch im Badezimmer fertig macht, könnt ihr euch bereits mit der Umgebung und Steuerung vertraut machen. Die funktioniert in Twelve Minutes auf dem PC ausschließlich über die linke Maustaste. Da die Räume allesamt sehr klein ausfallen und sämtliche Points of Interest sofort zu sehen sind, ist auch keine komplexere Steuerung notwendig.
Nach einem kurzen Moment der Ruhe tritt auch schon eure Lebensgefährtin aus dem Badezimmer und überrascht euch mit einem kleinen Dessert und einem Geschenk. Wie es aussieht, erwartet sie ein Baby von euch und das gilt es natürlich zu feiern. Blöd nur, dass plötzlich ein wütender Polizist an die Tür klopft, die werdende Mutter des Morders an ihrem Vater beschuldigt und euch nebenbei zu Tode prügelt. Direkt nach eurem Ableben steht ihr wieder an der Wohnungstür und die Szene beginnt von vorn. Moment, was?!
Sofort tun sich viele Fragen auf. Was sollte das? Mord? Stimmt das? Was passiert hier und wie kann das verhindert werden? Und warum steht jetzt alles wieder auf Anfang? Twelve Minutes startet mit einem enorm hohen Tempo, dass es leider nicht immer halten kann. Innerhalb der ersten vier bis fünf Zeitschleifen entdeckt ihr noch spannende Informationen und setzt nach und nach ein düsteres Puzzle zusammen. Allerdings kann es schnell passieren, dass ihr stecken bleibt.
Die Lösungen der Rätsel sind nicht immer intuitiv. Jeder, der sich länger mit dem Polizisten beschäftigt hat, wird wissen wovon wir reden. Ab einem gewissen Zeitpunkt müsst ihr leider immer wieder das Gleiche tun, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem ihr eine andere Entscheidung ausprobieren möchtet. Das kann sehr nerven, da ihr manche Dialoge und Wege zwar verkürzen, aber nie komplett überspringen könnt. Nach der zehnten oder elften Zeitschleife stoßt ihr eure Frau nur noch genervt bei Seite, wenn sich euch begrüßen möchte: “Jaja, geh weg, ich versuche gerade unsere Leben zu retten!”
Spielbarer Thriller
In seinen besten Momenten funktioniert Twelve Minutes hervorragend als interaktiver Thriller. Ihr analysiert, woran ihr in der vorherigen Schleife gescheitert seid, und versucht, euch einen Vorteil zu verschaffen. Ein griff zum Smartphone zum Beispiel. Ihr wählt den Notruf und erzählt der Notdienstzentrale, dass jemand vor der Tür steht und euch den Garaus machen will. Blöderweise braucht die Streife 15 Minuten. Das ist zu lang. Okay. Also schnell das Küchenmesser in die Tasche stecken und den Angreifer selbst angreifen? Hm, das klappt auch nicht. Auf diese Weise tastet ihr euch immer näher an die Lösung heran. Nach ein paar Wiederholungen und etwas Trial and Error gelingt es irgendwann, mit dem Eindringling zu sprechen, ohne dass eure Frau dabei ist. Blöd nur, wenn euch das erst kurz vor Ablauf der zwölf Minuten gelingt und ihr nicht mehr in der Lage seid, den gesamten Dialog zu führen. Also wieder alles auf Anfang und das ganze Prozedere ein weiteres Mal durchkauen.
In seinen schlechteren Momenten klickt ihr in Twelve Minutes stumpf irgendwelche Gegenstände an oder wühlt euch durch Dialogoptionen, um verzweifelt nach irgendwelchen Hinweisen zu suchen, die euch weiterbringen. In solchen Momenten kommt man sich nicht wie ein schlaues Mastermind vor, sondern eher wie ein kopfloses Huhn, das überhaupt nicht versteht, was hier geschieht und wie es hier weiterkommen soll. Daran ist im ersten Schritt nichts zu auszusetzen. Wenn der Lösungsweg aus der Misere aber so unintuitiv ausfällt, dass er nur durch stumpfes Trial and Error zu lösen ist, ist das Gefühl der Frustration nicht fern.
Hervorragende Geschichte
Die Geschichte, die euch der Entwickler von Twelve Minutes und sein Team erzählen, gehört definitiv zum Besten, was ihr bisher in diesem Jahr erleben könnt. Schon in den ersten Sekunden gelingt es, eine wohlige Atmosphäre in einem kleinen Apartment zu schaffen. Dabei erlebt ihr im ersten Durchlauf eigentlich nur eine banale Abfolge von Alltagssituationen. Aber genau die erzeugen ein warmes Zuhause-Gefühl. Um so effektiver und verstörender funktioniert der Bruch, wenn plötzlich ein scheinbar vor Wut blinder Polizist unsere kleine Familienidylle mit einem Klopfen brutal zerschlägt.
Das Voice Acting der Charaktere, die übrigens von James McAvoy (“X-Men”, “Es Kapitel 2”), Daisy Ridley (Star Wars, “Mord im Orient-Express”) und Willem Dafoe (“John Wick”, “Aquaman”, “Spider Man”) eingesprochen wurden, zählt ebenfalls zur absoluten Spitzenklasse. Sowohl Dafoes Polizistenrolle als auch Ridleys Ehefrauenfigur werden von den Darstellern so glaubhaft und qualitativ hochwertig vorgetragen, dass man glatt vergessen könnte, dass es sich hier “nur” um ein Spiel handelt. Abseits der hervorragenden Vertonung bietet die hochkarätige Besetzung aber keinen Mehrwert. Das Geschehen wird fast ausschließlich aus der Vogelperspektive präsentiert und auch in den wenigen Momenten, in denen die Kameraeinstellung wechselt, sind die Gesichter der Charaktere nicht zu sehen.
Wie alles in Twelve Minutes hinterlässt leider auch die hervorragende Geschichte einen faden Beigeschmack und das am Ende. Aus Spoiler-Gründen werden wir nichts verraten, nur so viel: Ab einem gewissen Punkt schienen die Autoren schockierenden Twists und Überraschungen mehr Gewicht einzuräumen als erzählerischer Logik. Da das Team aber auch schon beim Rest des Titels mindestens so viel falsch wie richtig gemacht hat, ist das eigenartige Ende auf eine gewisse Weise irgendwie konsequent.
Fazit
Der Entwickler Luís António hat bei Weitem nicht alles richtig gemacht, um ein rundum grandioses Adventure abzuliefern. Er hat aber auch nicht genug falsch gemacht, als dass wir seinen Titel nicht weiterempfehlen könnten. Voice Acting auf diesem Niveau kombiniert mit kompetent geschriebenen Dialogen und einer coolen Geschichte findet ihr nicht oft in der Spielelandschaft. Jeder, der dem Genre nicht grundsätzlich abgeneigt ist, sollte einen Blick riskieren.
Das Setting und die zugrunde liegende Story sind einfach zu spannend, um sie gänzlich mit Missachtung zu strafen. Was will der Polizist von euch? Ist an den Mordvorwürfen doch etwas dran? Wie kommt ihr wieder aus der Zeitschleife heraus? Die Antworten auf diese Fragen sind zwar nicht immer so spannend wie die Fragen selbst, der Weg dorthin ist es aber allemal.
Twelve Minutes ist für 20,99 Euro auf Steam und den aktuellen Xbox-Konsolen zu haben und außerdem Teil des Xbox Game Pass.
- Außergewöhnliches Setting
- Hervorragendes Voice Acting
- Atmosphärische Spielwelt
- Gut erzählte Geschichte
- Überraschende Twists
- Einfache Steuerung
- Lösungswege oft logisch, ...
- ... oft aber auch nicht
- Seltsames und abruptes Ende
- Viele Wiederholungen frustrieren
- Unlogisches Emde