Trials Rising begeistert auf der Piste, beim Drumherum herrscht aber noch Verbesserungsbedarf.
Trials Rising im Test: Serienthron knapp verpasst
Wenn ein Spiel euch ständig in den Wahnsinn treibt und ihr trotzdem nicht aufhören könnt, es zu spielen, ist das in der Regel ein gutes Zeichen. Auf Trials passt das wie die Faust aufs Auge. Die Serie des finnischen Entwicklers RedLynx gilt als perfektes Beispiel für Spiele der Marke "Leicht zu erlernen, schwer zu meistern" – und wie schwer es ist, Trials zu meistern. Das hat sich mit dem jüngsten Ableger Trials Rising nicht geändert. Auf der Strecke bleibt sich die Reihe 2019 treu, nur das Drumherum hat sich deutlich verändert – nicht nur zum Guten.
Was passt, muss nicht mehr passend gemacht werden
An einer perfekten Formel braucht man nicht mehr schrauben. Wenn ihr einmal ein Rezept für eine Bolognese gefunden habt, mit dem sie richtig gut schmeckt, ändert ihr doch nichts mehr an der Zubereitung, oder? Genauso verfährt RedLynx bei Trials Rising. Warum sollten die Skandinavier etwas an der Formel ändern, wenn sie doch seit mehreren Teilen ohne jegliche Makel ist? Folglich spielt sich der neue Ableger genauso wie die Vorgänger.
In Trials Rising geht es wie gewohnt darum, mit einem Motorrad über aberwitzige Strecken zu fahren und Bestzeiten hinzulegen. Allerdings ist es kein gewöhnliches Rennspiel, in dem ihr stets Vollgas gebt und versucht, richtig um Kurven zu fahren. Letztere gibt es gar nicht, in Trials Rising geht es lediglich geradeaus. Dafür kommt es auf Geschicklichkeit an. Es gilt, diverse Hindernisse zu überwinden. Mal fahrt ihr steile Rampen hinauf, mal springt ihr über Abgründe und es gibt auch Loopings. Dabei ist es nicht nur wichtig, dosiert Gas zu geben, sondern auch das Gewicht passend zu verlagern.
Wie bei den Vorgängern gilt: Am besten spielt sich das Ganze mit dem Gamepad. Sich vor- beziehungsweise zurückzulehnen, funktioniert eben mit dem Analog-Stick besser als mit der Tastatur. Simpel ist die Steuerung aber in beiden Fällen. Drei Tasten auf dem Controller, vier auf der Tastatur, mehr ist nicht nötig. Gut, von den beiden Knöpfen, um euch zum letzten passierten Checkpoint beziehungsweise den gesamten Level zurücksetzen zu lassen, mal abgesehen. Dadurch kommen auch Neueinsteiger schnell zurecht. Zudem gibt es die Trials-Universität, deren einzelne Lektionen ihr nach und nach freischaltet. Sie bringen euch die Feinheiten des Gameplays auf unterhaltsame Weise bei.
Weltreise mit viel Abwechslung
Die Karriere von Trials Rising bietet mit 120 Strecken ganz schön viel Inhalt, um euch für einige Stunden an den Bildschirm zu fesseln. Ihr geht dabei auf eine Tour durch die ganze Welt. Nordamerika bildet das erste Kapitel, danach geht es nach Europa, anschließend nach Asien und so weiter, bis irgendwann die gesamte Weltkarte mit Icons für die einzelnen Strecken übersät ist. Diese Thematik sorgt für eine enorme optische Vielfalt. In Hollywood fahrt ihr durch Filmkulissen, in Hong Kong stellt euch das Spiel im Hafen der Großstadt auf die Probe und in Paris erklimmt ihr den Eiffelturm.
Die Strecken sind das große Highlight von Trials Rising und das Beste, was RedLynx bislang abgeliefert hat. Selbst die Anfängerkurse machen richtig viel Spaß und überraschen euch immer wieder mit netten Einfällen. Trials-Profis werden diese Levels nur belächeln, für sie sind die einfachen Strecken nichts weiter als ein Aufwärmprogramm für die richtig harten Prüfungen, die die Karriere bereithalt. Und ja, so leicht die ersten Kurse sind, so unfassbar hart gestalten sich die Pisten der höheren Schwierigkeitsgrade. Hier verlangt euch Trials Rising alles ab. Wer die Steuerung nicht perfekt beherrscht, könnte hier so manchen Frustmoment erleben. Wo euch anfangs alles andere als die Goldmedaille als wertlos erscheint, seid ihr im späteren Verlauf der Kampagne heilfroh, wenn ihr es schafft, Bronzeauszeichnungen zu erhalten. Aber ähnlich wie bei Dark Souls gilt: Das Spiel ist niemals unfair, der Fehler liegt stets bei euch und ihr werdet mit der Zeit besser, wenn ihr euch denn reinkniet.
Mehr Modi, mehr Spaß
Nicht nur die Strecken bieten reichlich Abwechslung, auch die Spielmodivielfalt kann sich sehen lassen. Neben den normalen Strecken gibt es spezielle Herausforderungen wie etwa eine Art Weitsprungmodus. Bei dem katapultiert ihr im richtigen Moment euren Fahrer per Knopfdruck in die Luft und versucht dann, mit ihm ein explosives Fass nach dem anderen zu treffen, was ihn erneut in die Höhe fliegen und noch ein paar Meter zurücklegen lässt, bevor er auf dem Boden aufprallt. Diese Zusatz-Challenges sind kurzweilig und die perfekte Alternative, wenn ihr mal eine Pause vom Trials-Alltag benötigt.
Außerdem gibt es den neuen Herausforderer-Modus: Hier tretet ihr auf einer Strecke nacheinander gegen drei unterschiedliche Geisterfahrer an und müsst deren Zeiten schlagen. Dabei habt ihr jeweils nur einen Versuch. Gelingt es euch, das Trio zu besiegen, erhaltet ihr eine Ausstattungskiste als Belohnung.
Lootboxen sind nicht automatisch böse
Beim Wort Kiste läuten bei euch vermutlich direkt wieder alle Alarmglocken. Ja, in Trials Rising gibt es Lootboxen. Doch anders, als wir es erwartet hätten, könnt ihr euch die Truhen nicht für echtes Geld, sondern nur für die normale In-Game-Währung (Trials-Münzen) kaufen. Außerdem bekommt ihr für jeden Levelaufstieg eine Box als Belohnung. Eine Premiumwährung (Eicheln) gibt es zwar trotzdem, doch die verdient ihr euch einerseits in kleinen Mengen beim Spielen, andererseits erwerbt ihr damit gezielt die Items im Shop, die ihr haben möchtet. Überhaupt ist jedes Objekt direkt kaufbar. Lootboxen sind also nicht zwingend notwendig, um Gegenstände zu erhalten. Zudem enthalten sie nur rein kosmetische Items: Klamotten für euren Fahrer, Teile für die Motorräder sowie Aufkleber.
Wer will, gestaltet mit Hilfe letzterer seine eigenen Shirts, Jacken, Helme und Co und bietet sie im Shop an. So kommen unkreative Naturen leicht an schicke Items, während die Designer für jedes verkaufte Exemplar mit In-Game-Währung belohnt werden. Ähnlich verhält es sich mit den Eigenbaustrecken der Community. Der Editor ist nach kurzer Eingewöhnung ganz gut bedienbar, so dass ihr recht schnell brauchbare Kurse zusammenbastelt. Dabei stehen euch sogar Bauteile aus Trials Evolution, Fusion und Trials of the Blood Dragon zur Verfügung. Und wer keine Lust hat, eigene Levels zu erschaffen, lädt sich einfach die Kreationen anderer Spieler herunter und genießt den quasi endlosen Nachschub an Pisten.
Wenn euch die Progression im Weg steht…
Wir haben es bereits kurz angerissen: In Trials Rising steigt ihr nach und nach im Level auf. Jede absolvierte Strecke bringt euch neben In-Game-Währung Erfahrungspunkte ein. Logischerweise lassen euch Goldmedaillen schneller die Stufenleiter hinaufklettern als Silber- oder gar Bronzeauszeichnungen. Zusätzlich gibt es die Sponsorenaufträge: Erfüllt ihr in den Rennen gegen die Zeit Bonusherausforderungen, winken euch zusätzliche Erfahrungspunkte und Items als Belohnungen. Da gilt es dann beispielsweise, nicht mehr als fünf Fehler zu machen, in einer bestimmten Zeit die Ziellinie zu überqueren oder über einen bestimmten Geisterfahrer zu triumphieren. Diese Aufträge motivieren zusätzlich, jede Strecke perfekt beherrschen zu wollen.
Das Progressionssystem von Trials Rising ist jedoch nicht ohne Makel. In den Vorgängern habt ihr herausfordernde Ligen freigeschaltet, indem ihr eben die vorherigen einfach durchgespielt habt. Dadurch, dass im neuen Teil alles von eurem Level abhängig ist, kann es passieren, dass ihr Strecken gezwungenermaßen mehrfach fahren müsst. Wer nicht ständig die Goldmedaille holt und jeden Sponsorenauftrag erfüllt, stößt irgendwann an eine Grenze. Da gilt es dann, mehrere Stufen lang zu grinden, bis Trials Rising euch auf die nächsten Kurse lässt. Das hätten sich die Entwickler gerne sparen können.
Im Team macht's noch viel mehr Spaß
Immerhin gibt es noch den Mehrspielermodus, in dem ihr genauso Trials-Münzen, Eicheln und Erfahrungspunkte sammelt. Entweder messt ihr euch online mit anderen Spielern auf den normalen Strecken oder speziellen Kursen mit mehreren Bahnen, auf denen alle nebeneinander fahren. Die andere Möglichkeit ist der lokale Multiplayer, der zudem mit dem Tandem-Modus eine ganz besondere Spielart bietet. Hierbei nehmt ihr zu zweit auf einem, wie der Name verrät, Tandemmotorrad Platz und müsst euch gut untereinander absprechen, wenn ihr ins Ziel gelangen wollt – Chaos ist da vorprogrammiert und macht einen Großteil des Anreizes aus. Wenn hier was schiefgeht, ist das nicht frustrierend, sondern einfach extremst lustig.
Derzeit hat der ganze Mehrspielerteil von Trials Rising aber ein großes Problem: Private Online-Lobbys, die in der Reihe doch eigentlich zum guten Ton gehören, gibt es noch nicht. Der Menüpunkt ist ausgegraut, das Feature kommt erst "demnächst". Wie Ubisoft und RedLynx ein Trials veröffentlichen konnten, ohne dass es euch die Möglichkeit bietet, online mit Freunden zu spielen, ist uns unbegreiflich.
Es ist auch nicht so, als hätten die Verantwortlichen im Vorfeld angekündigt, dass jenes Feature vorerst fehlt. Jeder, der sich Trials Rising am Erscheinungstag gekauft und sich darauf gefreut hat, sich am gleichen Abend mit den Freunden in Discord oder TeamSpeak zu treffen und mit ihnen auf den waghalsigen Strecken zu messen, dürfte schwer enttäuscht gewesen sein, dass das gar nicht möglich war. Trials Rising ist daher wieder ein Titel, den jeder als gutes Beispiel dafür nennen kann, warum es klug ist, Spiele nicht zum Release zu kaufen. Ubisoft schneidet sich damit bloß ins eigene Fleisch.
Trials rockt!
Technisch können wir der PC-Version von Trials Rising nicht viel vorwerfen. Das Spiel mag kein Grafikhighlight sein und manchmal luden Texturen beim Start eines Levels ein bisschen spät nach, aber von langen Ladezeiten oder Rucklern, wie es sie auf den Konsolen geben soll, haben wir nichts gespürt. Vollkommen gelungen ist die Soundkulisse. Die Motorengeräusche der Bikes klingen exzellent, vor allem aber hat es uns der Soundtrack angetan. So brettert ihr zu den Klängen bekannter Rock-, Metal- und Hip-Hop-Künstler über die Strecken. Mit dabei sind etwa In Flames, Jurassic 5, Motörhead und Billy Talent.
Fazit
Trials Rising ist in den Augen einiger Spieler nicht sonderlich gut gestartet. Die einen kritisieren die Existenz von Lootboxen und das Progressionssystem, die anderen die derzeit noch fehlenden privaten Online-Lobbys. Gerade Letzteres ist auch in unseren Augen ein riesiges Problem. Ubisoft und RedLynx hätten hier entweder im Vorfeld eine klare Kommunikation an den Tag legen oder das Spiel verschieben sollen. Denn so bekommt das eigentlich sehr gute Trials Rising negative Nutzerwertungen, die es nicht verdient hat. Dafür macht es zu viele Dinge richtig: Das gewohnt gute Gameplay, die tollen Anpassungsmöglichkeiten und insbesondere das herausragende Streckendesign gefallen uns sehr gut. Auf das Level-System hätten aber auch wir verzichten können. Der Grind-Faktor wertet das ansonsten so grandios designte Spiel nur ab.
- Beste Streckenauswahl der Trials-Historie
- Perfektes Gameplay
- Lustiger Tandem-Modus
- Großer Umfang
- Endloser Streckennachschub dank Editor
- Fetziger Soundtrack
- Level-System mit Grind-Faktor
- Keine privaten Online-Lobbys zum Start