Ohne Shin Megami Tensei gäbe es kein Persona, aber wie schlägt sich das aktuelle Shin Megami Tensei V? Wir haben es getestet.
Shin Megami Tensei V im Test: Fabelhafte Dämonen mit Tradition
Zu 16-Bit-Zeiten gehörten japanische Rollenspiele auch hierzulande zu den beliebtesten Genres überhaupt, aber nach und nach ebbte das Interesse ab. Seit einigen Jahren erfreut sich das Genre wieder wachsender Beliebtheit. Zu den ältesten Reihen in diesem Bereich gehört Shin Megami Tensei, aus der auch die beiden Unterreihen Persona und Devil Summoner hervorgegangen sind. Allerdings wurde die Hauptreihe lange Zeit nicht im Westen veröffentlicht. Erst mit der Veröffentlichung des dritten Teils änderte sich das. Nun steht Shin Megami Tensei V in den Regalen und es ist unsere - wie vermutlich für viele andere auch - erste Erfahrung mit Reihe überhaupt. Daher werden wir vielleicht einige Schwerpunkte anders setzen als langjährige Serienkenner.
Eines sei vorweg gesagt, die Handlungen der Spiele bauen nicht aufeinander auf, so dass man auch als Neuling einsteigen kann. Allerdings ist es hilfreich, sich mit der Marke auszukennen, um gewisse Handlungsweisen der Charaktere nachvollziehen zu können und verschiedene religiöse Themen zu verstehen.
Engel, Götter, Dämonen - das ist die Geschichte
Wir schlüpfen im Rollenspiel in die Haut eines High-School-Schüler, der an seiner Schule mit Gerüchten über mysteriöse Vorkommnisse in einem Tunnel ganz in der Nähe konfrontiert wird. Zwei unserer Freunde sind dort verschwunden und als wir uns selbst ein Bild von der Situation machen wollen, geschehen wundersame Dinge. Ein grollendes Erdbeben erschüttert die Umgebung und wir erwachen nach einer kurzen Zeit der Bewusstlosigkeit in Da'At wieder. In dieser alternativen und apokalyptischen Version von Tokio herrscht ein Krieg zwischen Engeln und Dämonen. Vollkommen perplex angesichts der Umstände werden wir von Aogami vor anstürmenden Dämonen gerettet und verschmelzen mit ihm zu einem Nahobino. Damit ist das Unheil noch nicht vorbei. Die Dämonen beginnen, das noch intakte Tokio anzugreifen und nur wir können den Untergang der Stadt und der restlichen Welt in der Rolle eines Hybriden aus Mensch und Gottheit aufhalten. Garniert ist die Reise JRPG-typisch mit den verschiedensten kuriosen Nebencharakteren, die uns in regelmäßigen Abständen über den Weg laufen und teilweise auch begleiten.
Tradition vor Fortschritt
Der Spielablauf in Shin Megami Tensei V ist ebenfalls genretypisch gehalten. Nachdem die Story in Gang gekommen ist, hangeln wir uns von Schlüsselpunkt zu Schlüsselpunkt, um weiter in dem Konflikt zwischen Göttern und Dämonen zu versinken. Zwar ist das Ziel fast immer vorgegeben und der Weg dahin größtenteils auch, aber abseits davon können wir uns in den Gebieten frei bewegen und umsehen, sowie dank einer Schnellreisefunktion auch bekannte Orte noch einmal besuchen. Lediglich an gewissen Stellen geht es erst weiter, wenn wir eine gegnerische Barriere beseitigt haben. In Gestalt des Nohabino haben wir dabei mehr Freiheiten als als Schüler und können springen, klettern und unser Schwert einsetzen. Als normaler Mensch jedoch beschränkt sich unser Aktionsrepertoire lediglich auf Laufen und Sprechen.
Die Dämonen und ihre Eigenheiten
Der Dreh- und Angelpunkt des Spiels sind die zahlreichen Dämonen und die mit ihnen verknüpften Spielmechaniken. Da wir als einzelner Krieger kaum etwas gegen den Untergang der Welt ausrichten können, müssen wir wohl oder übel mit ihnen zusammenarbeiten. Ein wichtiges Mittel ist die Aufnahme neuer Kämpfer in unsere Gruppe. Das können sowohl Dämonen als auch Engel sein. Dazu spricht man die Gestalten einfach an statt gegen sie zu kämpfen. Aber nicht jeder Dämon lässt sich sofort überzeugen. Manche wollen statt Argumenten auch bare Münze sehen oder andere Items haben, bevor sie sich uns anschließen. Einige streichen sogar unser Hab und Gut ein und verschwinden danach wieder.
Zusätzlich sind wir in der Lage, zwei Dämonen zu fusionieren und so einen neuen, noch mächtigeren Kämpfer zu erschaffen. Das Spiel bietet uns dabei verschiedene Möglichkeiten, so dass wir sogar das Ergebnis vorher anschauen können und uns gegebenenfalls noch einmal umentscheiden können. Gut gefällt uns auch, mittels Essenzen einzelne Eigenschaften und Resistenzen zu vererben. Abgerundet wird das System durch passive Eigenschaften für unseren Charakter, die im Spiel Wunder genannt werden. Wer das Rollenspiel in vollen Zügen genießen will, wird hier einen Großteil seiner Zeit verbringen und an der perfekten Zusammenstellungen zwischen eigenen Fähigkeiten, Fähigkeiten für Dämonen und der richtigen Kampftruppe feilen, um auch dem größten Gegner Einhalt zu gebieten.
Immer auf der Hut sein
Mit bis zu drei Monstern in der Party geht es dann in einen rundenbasierten Kampf nach dem nächsten. Wer bis dahin eher wenig Erfahrung in diesem Genre gesammelt hat, wird nach anfänglichen Erfolgen schnell ausgebremst. Wildes Draufhauen bringt gar nichts. Man benötigt schon eine ausgewogene Truppe (Healer, Tank, Allrounder etc.) und muss sich auf die Schwachpunkte der Gegner gut einstellen, sonst ist der Kampf schneller vorbei als gedacht und dabei zeigt Shin Megami Tensei V sein gnadenloses Gesicht. Automatische Speicherpunkte gibt es nicht, es zählen nur die manuell gesetzten Spielstände. Wer 20 Minuten gespielt hat und durch einen selbstverschuldeten Fehler oder einen übermächtigen Gegner stirbt, muss alle Fortschritte neu erspielen. Das ist zwar nicht mehr zeitgemäß, hält aber die Spannung selbst bei vermeintlich schwachen Gegnern hoch.
Schwierig, schwierig, schwierig...
Doch selbst mit automatischen Speicherpunkten wäre Shin Megami Tensei V alles andere als einfach. Beim ersten Spielstart stehen zwar die drei Schwierigkeitsgrade zur Auswahl, die im Verlauf des Spiels jederzeit geändert werden dürfen (mit Ausnahme von „hart“), aber selbst die einfachste Variante ist überaus knackig. Sich lediglich von Hauptquest zu Hauptquest kämpfen, ist nahezu unmöglich. Selbst wenn man alle Nebenaufgaben macht und einen Großteil der Gegner, die einem auf dem Weg dorthin begegnen, besiegt, reicht das noch nicht aus, um überhaupt den ersten Boss zu erledigen. Die Devise lautet: Grinding, Grinding und nochmals Grinding. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Nebenquests ziemlich uninspiriert daherkommen und fast ausschließlich von den Gesprächen leben als von der Aufgabe selbst. Diese besteht oft nämlich nur aus: „Besiege von Gegner X folgende Anzahl“ oder „Hole ein oder mehrere bestimmte Items“. Wer mal eben der Geschichte folgen will, ohne großartig Gedanken an zu schwierige Gegner zu verschwenden, sollte sich aus dem Nintendo eShop den „Sicher“-Schwierigkeitsgrad herunterladen. Allerdings ist man dann derart übermächtig, dass kaum ein Kampf eine Herausforderung darstellt. Einen Mittelweg gibt es nicht.
Technisch gelungen mit Dämonen als Highlights
Zum ersten Mal seit Bestehen der Reihe haben die Entwickler von Atlus die Unreal Engine für Shin Megami Tensei verwendet und das spiegelt sich vor allem in den großen, schick anzusehenden Dämonen wieder. Aber auch kleinere Exemplare sind nicht minder gekonnt in Szene gesetzt. Die Umgebung mag zwar nicht so detailliert aussehen, wie es man es von anderen Rollenspielen kennt, aber die Macher haben dennoch eine schöne anzusehende Dämonenwelt geschaffen. Das moderne Tokio hingegen wirkt über weite Strecken doch etwas steril. Zudem kommt es bei besonders viel Action oder weitläufigen Gebieten manchmal zu Slowdowns, die aber nicht groß ins Gewicht fallen. Akustisch wird ein eher unauffälliger Soundtrack geboten, der das Geschehen zwar unterstützt, aber uns kaum im Gedächtnis geblieben ist. Dazu gibt es von Haus aus eine englische Sprachausgabe. Auf Wunsch kann aber auch die japanische Tonspur heruntergeladen werden. Allerdings ist das Spiel nicht komplett übersetzt worden. Zahlreiche Menüangaben sind weiterhin auf Englisch, was besonders anfangs zu Verwirrung führen kann.
Fazit:
Shin Megami Tensei V ist ein klassischer Vertreter von japanischen Rollenspielen. Einige Designentscheidungen wie etwa unsichtbare Barrieren mögen zwar archaisch anmuten, sind aber genretypisch. Das Rollenspiel von Atlus ist schwierig, erfordert eine Menge Grinding sowie taktisches Verständnis. Einsteiger müssen definitiv ein bisschen Geduld und Frustresistenz mitbringen. Dafür überzeugen das Kampfsystem, die Mechaniken der Dämonen und das grundlegende Setting. Besonders gut haben uns die verbalen Scharmützel mit den Dämonen gefallen, wenn wir sie überzeugen wollten, mit in unser Team zu kommen. Was allerdings gar nicht geht, ist die teilweise fehlende Übersetzung. Das sollte definitiv per Update geändert werden. Wer sich davon nicht irritieren lässt, bekommt aber ein durchweg gutes JRPG vorgesetzt.
- Dämonenfusionen
- Essenz-System
- tolles Setting
- tadelloses Kampfsystem
- Interaktionen mit den Dämonen
- komfortables Reisesystem
- unausgewogene Schwierigkeitsgrade
- viel Grinding
- nicht vollständig übersetzt