Nach dem kommerziellen Flop des ersten Teils will man nun mit Psychonauts 2 alles besser machen. Wir haben es getestet.
Psychonauts 2 im Test: Bunter Actionspaß mit erstem Hintergrund
Vor gut 16 Jahren hat Double Fine Productions Psychonauts für die Xbox, die PlayStation 2 sowie den PC veröffentlicht. Während das Spiel von der Fachpresse gefeiert wurde, haben sich leider nur wenige Spieler für das abgedrehte Jump-and-Run-Abenteuer interessiert, und so dauerte es mehr als 15 Jahre, bis endlich ein Nachfolger erschienen ist. Warum es so lange gedauert hat und welche Umstände dafür verantwortlich waren, könnt ihr ausführlich in unserem Faktencheck nachlesen. Wir konzentrieren uns in diesem Text darauf, ob das Spiel überhaupt etwas taugt.
Wie begann alles?
Passend zur Einstimmung auf den zweiten Teil, haben wir uns vor wenigen Wochen noch einmal das Original vorgenommen und warten positiv überrascht, wie wenig der Titel spielerisch gealtert ist. Abgesehen von einer etwas sterilen Grafik, macht das Spiel auch heute noch etwas her und vor allem eine Menge Spaß. Es ist zwar nicht zwingend notwendig, dass ihr den Vorgänger kennt, um Psychonauts 2 genießen zu klnnen, aber es macht einiges einfacher, denn die Geschichte kann manchmal sehr verworren sein. Wer darauf keine Lust hat, schaut sich die Zusammenfassung an, die ebenfalls mitgeliefert wird. Aber worum geht es eigentlich?
Jetzt Geheimagent oder doch nicht?
Psychonauts 2 knüpft an die Handlung des ersten Teils und dem VR-Intermezzo Psychonauts in the Rhombus of Ruin an. Raz, eigentlich Nachwuchs einer Zirkusfamilie, hat es endlich zum Psychonauten geschafft. Naja, nicht ganz. Er ist nun Praktikant, aber das hält ihn nicht davon ab, eine Verschwörung innerhalb der Geheimorganisation aufzudecken, nachdem dessen Chef entführt wurde. Zudem muss sich Raz auch noch mit seinem unliebsamen Kameraden herumschlagen, die ihm gegenüber zunächst überhaupt nicht freundlich eingestellt sind.
Wenn ernste Themen auf Unterhaltung treffen ...
Designer Tim Schafer hat bei der Entwicklung von Psychonauts 2 viel Wert darauf gelegt, dass mentale Probleme auf eine spielerische Art und Weise behandelt werden. Wer jedoch ein bedrückendes Spiel wie Hellblade erwartet, ist schief gewickelt. In Psychonauts 2 werden diese Probleme mit einem Augenzwinkern dargestellt, ohne jedoch den Kern der Sache zu vernachlässigen. Das wird schon in den ersten paar Minuten des Spiels klar, wenn Raz erstmals auf seine ebenfalls jungen Kollegen trifft. Jeder kennt vermutlich das Gefühl, wenn man neu in eine Gruppe kommt und nicht weiß, wie die auf einen selbst reagiert. Raz wird direkt schikaniert und bis auf ein, zwei Ausnahmen von jedem in der Gruppe verarscht, ausgenutzt und diffamiert. Das farbenfrohe Design des Spiels mag auf den ersten Blick etwas anderes vermitteln, aber dem ist nicht so.
... und es trotzdem Spaß machen soll
Genau aus diesem Grund erhaltet ihr beim ersten Spielstart auch einen Hinweis darauf, dass dieses Spiel Themen wie Angstzustände, Panikattacken und mehr thematisiert. Dank der abstrakten und comichaften Darstellung ist das aber weniger problematisch als in anderen Titeln, außer ihr habt eine Phobie gegen Zahnärzte. Dann solltet ihr euch wirklich vorher ein paar Videos ansehen, um zu überprüfen, ob ihr das verkraftet oder nicht.
Wer sich von euch aber darauf einlässt und das Spiel nicht nur stumpf von Anfang bis Ende durchspielt, kommt ins Grübeln und hinterfragt unter Umständen auch sein eigenes Verhalten. Aber egal, ob ihr euch bewusst darauf einlasst oder nicht, euch wird auf jeden Fall aufgezeigt, welche Verhaltensweisen man überdenken sollte und wie man mit verschiedenen Ängsten umgehen kann, um sie zu überwinden. Das passiert, je nach Situation, mal etwas unterschwelliger und mal mit der Brechstange.
Spaßiges Gameplay mit PSI-Kräften
Am Ende des Tages handelt sich aber dennoch um ein Actionspiel. Wie im Vorgänger muss Raz sich mit Hilfe seiner PSI-Fähigkeiten durch die abstrusesten Levels kämpfen, um in die Gedankenwelten anderer Charaktere einzutauchen und die Verschwörung aufzudecken. Bedingt durch die vorangegangenen Spiele, besitzt er schon zu Beginn des Abenteuers einige Fähigkeiten.
Im Verlauf des Abenteuers lernt er allerdings noch weitere dazu, so dass er schlussendlich acht verschiedene PSI-Fähigkeiten nach eigenem Gutdünken einsetzen kann. Vier davon sind immer aktiv, aber der Austausch erfolgt in Windeseile, so dass ihr in jeder Situation die volle Kontrolle habt. Zusätzlich könnt ihr auch mit Raz selbst den Gegnern Einhalt gebieten, indem ihr den Fieslingen auch ganz klassisch eins auf die Mütze gebt. Einzige Schwierigkeit ist, dass ihr euch merken müsst, auf welche Taste ihr welche Fähigkeit gelegt habt. Dann steht dem Einsatz von Feuerball, mentalem Enterhaken und Co nichts mehr im Weg.
Gedanken, Bosse und mehr
Neben dem Besiegen von Gegnern und diversen Plattformeinlagen gehört auch das „Umprogrammieren“ fremder Hirne zum Aufgabenbereich. Hier suggeriert das Spiel zwar eine gewisse Entscheidungsfreiheit, aber im Endeffekt läuft alles nur auf eine Lösung hinaus, so dass ihr es eher mit kleineren Rätseln zu tun habt, die ihr mit den PSI-Fähigkeiten löst, anstatt den Charakteren wirklich neue Gedanken einzupflanzen. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Abschnitte viel Spaß machen. Gleiches gilt für die zahlreichen Bosse im Spiel. Die sind wieder einmal ziemlich abwechslungsreich gestaltet und erfordern unterschiedliche Strategien, ganz so wie man es vom Original gewohnt ist.
Ohne Übersicht geht gar nichts
Wirkliche Probleme tauchen hingegen anderer Stelle auf. Zwar ist die Kamera im Vergleich zum Vorgänger deutlich verbessert worden, aber in einigen Passagen mussten wir dennoch oft von Hand nachjustieren, um nicht zum x-ten Mal in einen Abgrund zu springen. Das ist zwar ärgerlich und stört den Spielfluss, aber mit ein bisschen Übung geht auch das. Deutlich nerviger ist dagegen die Tatsache, dass manchmal nicht ganz klar ist, was als nächstes zu tun ist. Zwar gibt es ein Journal, indem die Aufgabe benannt ist, aber das hilft nicht immer weiter. Zudem ist die Map alles andere als optimal gestaltet und so standen wir ein paar Mal vor der Frage: "Und was machen wir jetzt? Wo geht’s hin?" Die Idee, lineare Levels zwischendurch mit einer kleinen Prise Open World zu mixen, ist zwar gut, muss aber besser umgesetzt werden. Außerdem könnte für unseren Geschmack das Lauftempo von Raz etwas höher sein.
Außen pfui, innen hui?
Technisch ist das Spiel ein zweischneidiges Schwert. Während der artistische Stil vor Kreativität nur so strotzt, wirken manche Umgebungen erstaunlich detailarm und steril. Dazu kommen teils sehr monotone Texturen. Abgesehen davon geizt Psychonauts 2 auf der Xbox Series X nicht mit schicken Effekten. Spätestens, wenn ihr im Casino ankommt, wird das deutlich. Überall blinkt es und die Neonreklame sorgt in diesem Abschnitt für eine gelungene Ausleuchtung. Andere Levels, beispielweise der Einstieg mit Zahnarztthema, überzeugen mit vielen Ideen und abwechslungsreichen Umgebungen. Beim Sound verhält es sich ähnlich. Die Musik besitzt zwar keinen nennenswerten Ohrwurmcharakter, aber dafür ist die Vertonung der Figuren erstklassig. Jeder Charakter besitzt eine eigene Persönlichkeit und die Sprecher haben sich eine Menge Mühe gegeben, dem gerecht zu werden. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es leider nicht.
Fazit
Psychonauts 2 ist ein Sequel wie es im Buche steht. Bekannte Mechaniken wurden konsequent weiterentwickelt, der Umfang erhöht und die Präsentation den aktuellen Standards angepasst. Allerdings wurde das Rad nicht neu erfunden. Aber dafür gelingt es den Machern von Double Fine Productions, mentale Probleme und Herausforderungen erstklassig in eine kunterbunte Welt zu transferieren, ohne allzu oberlehrerhaft zu wirken. Stellt sich nur die Frage, ob davon auch genug Notiz genommen wird. So oder so darf Psychonauts 2 in keiner gut sortierten Gaming-Bibliothek fehlen, erst recht nicht, wenn man das Genre mag.
Microsoft/Xbox hat uns den Code zu Psychonauts 2 für Review-Zwecke zur Verfügung gestellt.
- Tolle Charaktere
- Optisch sehr abwechslungreich
- Gelungene Umsetzung mentaler Probleme
- Spaßiger Einsatz der PSI-Fähigkeiten
- Technisch unausgewogen
- Kamera nicht optimal
- Aufgabenstellung nicht immer eindeutig