Hot Wheels Unleashed bietet einiges für Spielzeugfans, reicht als Arcade Racer aber leider nicht übers Mittelmaß hinaus.
Hot Wheels Unleashed im Test: Mario Kart ohne Items
Hier kommt ein Geständnis: Der, der diesen Test zu Hot Wheels Unleashed geschrieben hat, hat nie in seinem ganzen Leben mit Hot Wheels gespielt, sondern war stets der (sicherlich uncooleren) deutschen Alternative von Siku zugetan. Dieses Gefühl, nun am PC und an der Konsole mit den Autos und Streckenteilen zu spielen, die man als Kind in physischer Form besessen hat, kann er also nicht nachvollziehen. Dafür hat der Autor schon viele Stunden mit Rennspielen aller Art verbracht. Und das reicht aus, um festzustellen: Hot Wheels Unleashed hat Charme, ist aber auf dem Papier nicht mehr als mittelmäßiger Arcade Racer, dem das gewisse Etwas fehlt.
Spielzeugautos statt Videospiehelden in Karts
Den italienischen Entwickler Milestone kennt man vor allem für seine eher realistischen Rennspiele, insbesondere die MotoGP-Reihe. Generell verdienen die Mailänder in erster Linie mit virtuellem Motorradsport ihr Geld. Nur selten noch widmen sie sich heutzutage Fahrzeugen mit mehr als zwei Rädern, Hot Wheels Unleashed ist eine der Ausnahmen. Und es hat offensichtlich nichts mit einer Simulation zu tun, sondern ist ein Arcade Racer, wie er im Buche steht. Das Fahrverhalten der 66 enthaltenen Autos ist ungemein simpel. Aber erstens soll das in einem Rennspiel dieser Art ja auch so sein und zweitens passt es perfekt zur Thematik. Immerhin steuert ihr hier Spielzeugautos und keine echten Kraftfahrzeuge.
Im Grunde müsst ihr euch Hot Wheels Unleashed wie ein Mario Kart ohne Charaktere vorstellen – und ohne Items. Davon abgesehen, dass ihr eure Gegner nicht mit Pendants zu grünen sowie roten Schildkrötenpanzern abschießen oder auf Bananenscheiben ausrutschen lassen könnt, spielt es sich sehr stark wie die Erfolgstitel von Nintendo. Die Ähnlichkeiten machen sich bereits an der Startlinie bemerkbar. Genau wie in Mario Kart könnt ihr direkt einen Tempo-Boost abstauben, wenn ihr während des Countdowns zum richtigen Zeitpunkt das Gaspedal herunterdrückt.
Auch der hohe Stellenwert von Drifts erinnert an Marios Ausflüge in den Motorsport. Vor nahezu jeder Kurve solltet ihr kurz die Bremse betätigen und dann driften, um einerseits nicht zu viel Tempo zu verlieren und andererseits euren Turbo-Boost schneller aufzuladen. Dabei ist sogar ein bisschen Feingefühl gefragt, sonst knallt ihr gegen die Bande und verliert dadurch merklich an Geschwindigkeit. Die Fahrphysik ist alles andere als anspruchsvoll, aber zumindest beim Kurvenfahren ist ein bisschen Übung nötig, was wir begrüßen.
Der Turbo wiederum ist nichts, was Hot Wheels Unleashed mehr Tiefgang verleiht. Das hängt damit zusammen, wie oft ihr ihn einsetzen könnt und auch müsst. Die Boost-Funktion ist kein taktisches Element, das ihr nur vereinzelt nutzt, um Kontrahenten im richtigen Moment zu überholen. Auf jeder langen Geraden oder Streckenabschnitten, die aus sehr weiten Kurven bestehen, zündet ihr entweder die Tempospritze oder lasst euch von allen anderen überholen. Weil ihr den Turbo in jeder geeigneten Situation zünden könnt, da er euch ständig zur Verfügung steht, zwingt euch das Spiel quasi dazu. Dadurch ist er kein spannendes Zusatzelement wie die Lachgaseinspritzung in alten „Nee for Speed“-Teilen, sondern genauso elementar wie das ständige Gasgeben. Und das führt dazu, dass Milestone ihn sich theoretisch auch hätte sparen können, weil er die Rennen nicht spannender macht.
Milestone braucht bessere Streckenkonstrukteure
Apropos spannend: Auf die 40 Strecken, was eine sehr ordentliche Anzahl ist, trifft dieses Adjektiv nur bedingt zu. Die ersten Kurse in der Singleplayer-Kampagne wirken geradezu langweilig. Uns ist schon klar, dass es bei dem Motto des Spiels dazugehört, dass sie (zumindest zum Großteil) aus Original-“Hot Wheels“-Streckenteilen bestehen. Das finden wir auch klasse und es ist schön, wenn die Strecken weite Sprünge und Loopings bieten. Aber all das ist halt nichts Besonderes und die sechs unterschiedlichen Umgebungen wie ein Skatepark, eine Garage und ein Keller, den ihr in minimalem Ausmaß selbst gestalten könnt (indem ihr etwa Farben von Möbeln austauscht), ändern da auch nichts dran.
Damit wollen wir nicht sagen, dass die Strecken in Hot Wheels Unleashed schlecht seien. Sie bieten teilweise durchaus knifflige Kurvenfolgen und gerade dann, wenn besondere Elemente wie die Spinne, die ihre Seide verschießt, in der sich die Autos verfangen können, zum Einsatz kommen, sorgt das für Extraspannung. Aber es gibt auch zu wenige jener Besonderheiten, die sich deshalb häufig wiederholen. Und dann fehlen eben die optischen Spielereien am Streckenrand, mit denen ein Mario Kart oder andere Spiele dieser Gattung punkten. Es hat natürlich seinen Charme, mit einem kleinen Spielzeugauto durch realistische Umgebungen zu fahren – wer erinnert sich nicht gerne an Micro Machines? Letztendlich ist uns aber keiner der Kurse im Gedächtnis geblieben. Sie fühlen sich allesamt so an, als hätte Milestone sie in dem Editor zusammengesteckt, den ihr selbst im Spiel nutzen könnt. Deshalb fehlen dem Streckenangebot die Highlights.
Sammler sind willkommen
„Hot Wheels“-Fans freuen sich indes nicht nur über originalgetreue Streckenteile, sondern auch Fahrzeuge. Der Sammeltrieb wird in jedem Fall geweckt. Die Vehikel sind in verschiedene Seltenheitsgrade unterteilt, haben unterschiedliche Werte für Geschwindigkeit, Bremskraft, Beschleunigung, Handling sowie den Turbo und sehen cool aus. Neben Nachbildungen echter PKWs wie dem Camaro oder El Camino sind auch ungewöhnlichere Autos wie „Buns of Steel“ dabei: ein Pick-up-Truck mit einem Burger auf der Ladefläche und einer Tüte Pommes auf dem Dach.
Wer die kleinen Flitzer aus der realen Spielzeugwelt kennt, wird sich sehr darüber freuen, sie in Hot Wheels Unleashed nach und nach freizuschalten. Das geschieht teilweise über Loot-Boxen, doch keine Panik: Die könnt ihr euch nur erspielen und nicht für echtes Geld kaufen. DLCs wird es dennoch in rauen Mengen geben. Natürlich wäre es schöner gewesen, Milestone hätte noch mehr Fahrzeuge ins Hauptspiel gepackt, aber die 66 vorhandenen Autos bieten eine gute Bandbreite und sind nicht zu wenig.
Unspektakuläres Einzelspielerangebot
Eine gute Quelle für Fuhrparkerweiterungen ist die Kampagne, genannt „Hot Wheels City Rumble“. Hier breitet sich vor euren Augen eine relativ große Karte aus, auf der sich zahlreiche Punkte finden. Fast jeder davon steht für ein Rennen. Ihr folgt fest vorgegebenen Pfaden, die Kampagne ist aber nicht strikt linear, da sich euch immer wieder Abzweigungen bieten. An sich wäre das Ganze ein ordentliches, wenn auch nicht überaus gutes Einzelspielerangebot, das euch für einige Stunden beschäftigt.
Es gibt aber zwei Haken: Zum einen mangelt es an Abwechslung. Außer normalen Rennen (mal Rundkurse, mal von A nach B) gibt es nur noch Zeit- und Bossrennen (1 gegen 1) und dann wiederholen sich die Strecken oft. Sonstige Modi wie etwa Eliminator-Rennen, in denen nach jeder Runde der jeweils letzte Fahrer ausscheidet, hätten hier Wunder gewirkt. Zum anderen begeht Hot Wheels Unleashed den Kapitalfehler, dass ihr immer mindestens Dritter in einem Rennen werden müsst, damit ihr das nachfolgende freischaltet. Klar, ihr könnt den Schwierigkeitsgrad auf „Leicht“ stellen, wenn ihr mehrfach an einem Rennen scheitert und sich der Frust breitmacht, aber das fühlt sich dann ja auch nicht richtig an.
Der Multiplayer-Part von Hot Wheels Unleashed ist recht seicht. Ihr könnt per Matchmaking gegen andere Fahrer antreten oder eure eigene private Lobby erstellen. Vor Release konnten wir den Online-Modus noch nicht in der Praxis ausprobieren, etwas Besonderes ist er aber definitiv nicht. Hier fehlt schlicht ein Rangsystem. Dafür erfreut uns das Spiel mit einem Splitscreen-Modus, auch wenn der leider nur zwei Spieler unterstützt. Im Vergleich mit Mario Kart 8 stinkt Hot Wheels Unleashed diesbezüglich ab, mit Blick auf andere Rennspiele wiederum ist der lokale Multiplayer ein Pluspunkt.
Kreative Köpfe kommen auf ihre Kosten
Weitere Pluspunkte sind die Editoren. Zum einen könnt ihr wie in Forza oder Need for Speed Heat die Autos optisch anpassen. Ihr wählt dabei selbst die Lackfarbe aus und pappt allerlei Aufkleber auf die Karosserie. Da wir mit so etwas in einem „Hot Wheels“-Spiel nicht gerechnet hatten, ist das eine freudige Überraschung. Der viel spannendere Baukasten ist aber selbstverständlich der Streckeneditor. Hier stehen euch alle Streckenteile und Umgebungen zur Verfügung und die Bauoptionen sind umfangreich genug, damit ihr euch richtig schön austoben könnt.
Nur die Bedienung ist ein Problem: ein kleines mit dem Gamepad, da es etwa frickelig sein kann, zum Beispiel die Form von Kurven genau so hinzukriegen, wie ihr es haben wollt, und ein großes mit der Tastatur. Auf dem PC bietet Hot Wheels Unleashed so gut wie keine Mausunterstützung und im Editor erfüllt das handliche Eingabegerät gar keinen Zweck. Hier verschenkt Milestone nicht nur das Potenzial, PC-Spielern mehr Kontrolle beim Streckenbau zu geben, man zwingt sie sogar zur Gamepad-Nutzung, weil die Tastatursteuerung eine absolute Katastrophe ist. Wir haben etwa gar nicht erst herausgefunden, wie man damit die Kamera dreht. Mit einem Controller ist das Ganze deutlich intuitiver.
Solide Technik
Hot Wheels Unleashed ist kein Spiel, bei dem Next-Gen-Gefühle aufkeimen, aber sehr ansehnlich. Die Fahrzeugmodelle sind detailliert und auf den Strecken gibt es viele schicke Reflexionen. Die Performance der PC-Version ist 1A, wobei wir zu bedenken geben, dass wir auf einem Rechner mit RTX 3080 Ti und einem Achtkerner von Intel (i7 11700) spielen. Bei entsprechend hoher Bildrate kommt auch ein tolles Geschwindigkeitsgefühl auf.
Was den Sound betrifft, sind wir etwas zwiegespaltener. Während die Autos wie echte Kraftfahrzeuge klingen und diese Effekte auch auf solidem Level sind, löst die musikalische Untermalung keine Jubelstürme aus. In den Menüs gibt es eher ruhigere Klänge und bei den Rennen dröhnen schnelle, elektronische Tracks aus den Boxen. Das passt grundsätzlich zum Geschehen auf dem Bildschirm, hat aber null Wiedererkennungswert. Nicht ein Stück ist uns im Gedächtnis geblieben, dafür ist der Soundtrack zu generisch.
Fazit
Es ist, wie in der Überschrift dieses Textes geschrieben: Hot Wheels Unleashed spielt sich wie ein Mario Kart ohne Items. Und jetzt überlegt mal ganz genau, wie gut Nintendos Fun Racer wäre, wenn es keine Panzer, Bananen und Co gäbe. Nun ja, zumindest hätte er immer noch die besseren Strecken. Was Milestone hier abgeliefert hat, ist kein schlechtes, aber eben auch kein sonderlich gutes Arcade-Rennspiel. Vieles ist schlicht nur mittelmäßig: die Kampagne, das Streckenangebot, das Gameplay. Einzig der Fuhrpark und der Streckeneditor stechen hervor. Wer früher (oder auch heute noch) gerne mit Hot Wheels spielt, kann hier sicherlich nochmal einen halben Punkt als Fanbonus oben draufschlagen. Aber aus der Sicht eines reinen Rennspielliebhabers ist nicht mehr als eine mittelprächtige Note drin.
- Abwechslungsreicher Fuhrpark
- Driften erfordert Feingefühl
- Splitscreen-Modus mit dabei
- Gutes Geschwindigkeitsgefühl
- Schicke Grafik
- Guter Streckeneditor ...
- ... mit Schwächen in der Bedienung
- Streckendesign ohne Highlights
- Generischer Soundtrack
- Gameplay ohne Besonderheiten
- Abwechslungsarme Kampagne
- Keine Online-Ranglisten