Agent 47 mordet wieder. Hitman 2 bietet wenig Neues, entpuppt sich im Test aber trotzdem als großartige Killer-Sandbox.
Hitman 2 im Test: Kill noch einmal, 47!
Als Square Enix im Frühjahr 2017 bekannt gab, sich von IO Interactive trennen zu wollen, machten sich die Fans der Hitman-Reihe große Sorgen. Würde der Publisher die Markenrechte behalten und die Serie einem anderen Team anvertrauen, das womöglich nicht so gute Arbeit leisten würde wie die Dänen? Letztendlich ging aber alles gut aus: IO Interactive machte sich selbstständig und behielt die Rechte an Hitman. Somit stand einer zweiten Staffel für den 2016 in Episodenform erschienenen Reboot nichts im Weg. Doch das Studio entschied sich für einen anderen Pfad: Statt Staffel 2 ist jüngst Hitman 2 erschienen. Wer denkt, dass das automatisch bedeutet, dass der Titel viele große Neuerungen bieten muss, täuscht sich.
Quereinsteiger haben’s schwer
Hitman 2 knüpft nahtlos an die Handlung des Vorgängers an. Agent 47 und Diana Burnwood werden damit beauftragt, den sogenannten Schattenklienten und seine Miliz ausfindig zu machen und zu eliminieren – was auch sonst? Dabei arbeiten sie für die Organisation, hinter die sie im 2016er-Teil der Reihe noch her waren. Der Grund für den Seitenwechsel: Als Gegenleistung gibt es Informationen über die Herkunft von 47.
Machen wir es kurz: Wer den Vorgänger nicht gespielt hat, wird es sehr schwer haben, Zugang zur Story von Hitman 2 zu finden. Allerdings ist das kein Drama, denn das eigentliche Problem der Geschichte ist viel mehr, dass sie nicht wirklich spannend ist. Damit dürften wir Kennern der Hitman-Serie nichts Neues erzählen. Die Spiele von IO Interactive standen noch nie für herausragend gute Handlungen.
Der jüngste Ableger bildet da keine Ausnahme. Die Faktoren, die uns dazu motivieren, immer wieder mit dem glatzköpfigen Protagonisten zu morden, sind andere. Hinzu kommt noch, dass die Präsentation der Geschichte deutlich unattraktiver ist als im Vorgänger. Hatte der noch schicke, vorgerenderte Videos, bestehen die Zwischensequenzen in Hitman 2 mehr oder weniger nur aus Standbildern. Da macht sich bemerkbar, dass IO Interactive weniger Budget zur Verfügung gestanden haben muss als zu Zeiten, in denen man noch zu Square Enix gehörte.
„Wie bringe ich dich diesmal um?“
Was die Handlung zu wünschen übrig lässt, machen die sechs großen Levels (plus Prologareal) wieder mehr als wett. Hitman 2 ist wie sein Vorläufer eine Sammlung fantastischer Sandboxen, in denen ihr euch als Auftragskiller richtig schön austoben könnt. Natürlich habt ihr in der Story feste Zielpersonen, die es auszuschalten gilt. Aber wie ihr das macht, ist ganz euch überlassen.
Die Gebiete sind riesig und nicht nur detailreich sowie enorm abwechslungsreich gestaltet (vom kolumbianischen Regenwald über die Slums Mumbais bis hin zu einem Schloss in Österreich), sondern auch mit allerlei Möglichkeiten vollgestopft, eure Aufträge zu erfüllen. Los geht es in Miami. Hier sollt ihr in dem Areal rund um eine Rennstrecke einen Konzernchef, der sich mit den falschen Leuten eingelassen hat, und seine ebenso zwielichtige Tochter umbringen. Für beide Attentate gibt es zig potenzielle Lösungswege. Natürlich könntet ihr die zwei jeweils mit einer Kugel ins Reich der Toten schicken, doch das macht längst nicht so viel Spaß wie die anderen Optionen.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Das Unternehmen des Vaters entwickelt unter anderem einen Roboter für Kampfeinsätze. Ihr könnt euch zum Beispiel als Labormitarbeiter verkleiden und so ohne Probleme in den Präsentationsraum gelangen, wo jene Maschine dem Chef vorgeführt werden soll. Habt ihr zuvor ein Magazin eingesammelt, auf dessen Cover der Kerl zu sehen ist, könnt ihr das nutzen, um die Zielerfassung des Roboterprototypen umzuprogrammieren. Die darauffolgende Präsentation zeigt dann sehr deutlich, wie gut Letzterer funktioniert.
Solch ausgefeilte Lösungswege gibt es Hitman 2 in jedem Level zuhauf. Dabei habt ihr die Wahl, ob ihr sie selbst entdecken oder vom Spiel angeleitet werden wollt. Wer will, spielt einen Auftrag einfach so, dass er einer der vorgegebenen Story-Missionen folgt. Dabei bekommt ihr nach jedem Checkpoint gesagt, was als Nächstes zu tun ist, um einer Zielperson auf eine bestimmte Weise das Licht auszuknipsen. Das ist sowohl für Einsteiger als auch „Completionists“, die nach mehrmaligem Spielen eines Levels nicht mehr experimentieren wollen, sehr gut geeignet.
Scheut euch nicht vor Wiederholungen!
Apropos mehrmaliges Spielen: Hitman 2 ist darauf ausgelegt, dass ihr die Aufträge immer wieder von neuem angeht. Das war schon beim Vorgänger der Fall. Da war es aber auch umso wichtiger, dass IO Interactive euch genug Anreize gibt, die Levels mehrfach zu besuchen. Schließlich lagen zwischen den Veröffentlichungen der einzelnen Episoden stets mehrere Wochen. Hitman 2 lässt sich hingegen am Stück durchspielen, das Episodenformat gehört der Vergangenheit an. Wer aber nur stur der Geschichte folgt, ist nach maximal acht Stunden durch und sieht den Abspann über den Bildschirm rollen.
Wollt ihr das vollständige Erlebnis haben und die Missionen mehrfach spielen, seid ihr deutlich länger mit Hitman 2 beschäftigt. Das Spiel nur aufgrund seiner kurzen Geschichte als umfangsarm zu bezeichnen, wäre gelogen. Es gelingt ihm wunderbar, euch dazu zu motivieren, die Schauplätze öfter zu besuchen, als es nötig wäre. Glaubt uns: Wenn ihr einen Level zum ersten Mal betretet, werdet ihr direkt zig coole Möglichkeiten entdecken, eure Ziele zu erreichen. Da wird es euch schwerfallen, euch für eine zu entscheiden. Aber das ist ja kein Problem. Probiert erst einen Pfad aus, spielt den Level dann nochmal und versucht euch am nächsten Lösungsweg! Und dann nochmal! Und nochmal! Die Areale sind so clever designt und die Mordoptionen so vielfältig, dass auch nach mehreren Durchgängen des gleichen Levels keine Langeweile aufkommt.
Zu dieser intrinsischen gesellt sich noch die extrinsische Motivation in Form von Levelaufstiegen und freischaltbaren Items sowie Einstiegspunkten und Verstecken für die einzelnen Schauplätze. Denn natürlich freut man sich darüber, nach einem erfolgreichen Attentat weitere Werkzeuge freizuschalten, die man im gerade eben gespielten Level direkt ausprobieren kann. „Completionists“ werden zudem dadurch getriggert, dass es für jedes Gebiet zig Herausforderungen gibt, die gemeistert werden wollen.
Stillstand im Killer-Business
Bis hierhin wird Hitman-Veteranen alles soweit bekannt vorkommen. Und so wird es ihnen auch größtenteils ergehen, wenn sie Hitman 2 spielen. Denn so viel Spaß das Schleichspiel auch macht, es muss sich doch den Kritikpunkt gefallen lassen, wenig Neues zu bieten. Die Ergänzungen im Gameplay beschränken sich auf Details: So könnt ihr mit Agent 47 neuerdings in Menschenmassen untertauchen, um Verfolger abzuschütteln, Wachen sehen euch in Spiegeln und der Aktenkoffer ist wieder da. Der hat im Vorgänger gefehlt, ist aber ein altbekanntes Element der Hitman-Reihe und erlaubt es euch, Waffen größeren Kalibers in Missionsgebiete zu schmuggeln.
Ansonsten bietet Hitman 2 vor allem einfach mehr von allem: Größere Levels, mehr Waffen, mehr Gadgets, mehr Lösungswege, mehr Verkleidungen. Es mag zwar nicht offiziell die zweite Staffel des Vorgängers sein, fühlt sich aber komplett wie eine solche an, was eben auch an der direkten Fortsetzung der Geschichte liegt. Für einen vollwertigen Nachfolger bietet Hitman 2 zu wenig Weiterentwicklung. Nicht mal an den altbekannten Schwachpunkten der Serie hat sich viel verbessert: Die KI der NPCs ist immer noch weit davon entfernt, bei einem IQ-Test ein positives Ergebnis einzufahren, und solltet ihr doch mal in eine Schießerei verwickelt werden, macht sich die schwammige Shooter-Steuerung bemerkbar.
Auch das ganze Drumherum ist dem des Reboots von vor zwei Jahren sehr ähnlich: Es gibt wieder die „Elusive Targets“, die nur für einen begrenzten Zeitraum verfügbar sind und bei denen ihr nur eine einzige Chance habt, sie zu eliminieren. Außerdem ist wieder ein Editor am Bord, mit dem ihr eigene Aufträge erstellen könnt, um sie mit anderen Spielern zu teilen. Das bedeutet natürlich auch, dass ihr einen quasi unendlichen Nachschub an Missionen habt, so dass es immer etwas zu tun gibt.
Verschenktes Multiplayer-Potenzial
Das Hauptmenü von Hitman 2 bietet dann aber doch einen neuen Punkt im Vergleich zum Vorgänger. Unter „Spielmodi“ finden sich zwei Multiplayer-Varianten. Da wäre zum einen der „Sniper Assassin“-Modus, den ihr euch wie eine taktischere Alternative zu Moorhuhn vorstellen könnt. Vorbesteller von Hitman 2 konnten ihn bereits vor dem Release spielen, vielleicht kennt ihr ihn aber auch schon aus „Hitman: Absolution“-Zeiten. Im Gegensatz zu damals ist er diesmal nicht bloß allein, sondern auch kooperativ mit einem Partner spielbar. Das ist nett für zwischendurch, aber mehr auch nicht.
Deutlich mehr Potenzial hatte der „Ghost“-Modus. Hier treten zwei Spieler gegeneinander an. Jeder spielt Agent 47 und ist in seiner eigenen Version des gleichen Levels unterwegs. Es gilt, Zielpersonen schneller und sauberer auszuschalten als der Gegner, den ihr als Ghost sehen könnt. Was nach einer coolen Idee klingt, entpuppt sich in der Praxis leider als nicht sonderlich gut durchdacht. Das liegt vor allem daran, dass ihr eure Waffen und sonstigen Items nicht normal in der Umgebung einsammelt, sondern aus Kisten zieht. Die sind quer im Level verteilt, sehen alle gleich aus und aus der Ferne wisst ihr nie, ob sie nun Schuss- oder Nahkampfwaffen oder ganz andere Dinge enthalten.
Der Reiz an Hitman 2 ist es, die eigenen Morde akribisch zu planen und von den vielen spielerischen Freiheiten zu profitieren. Dadurch, dass ihr im „Ghost“-Modus nicht wirklich planen könnt, weil ihr ja nie wisst, was für einen Gegenstand ihr aus der nächsten Kiste zieht, fehlt ihm leider viel von der Hitman-Faszination. Was bringt es uns zu wissen, dass wir an einer Stelle Essen vergiften können, wenn wir danach zig Kisten abklappern müssten, bis wir irgendwann in einer von ihnen Gift finden? Währenddessen hat sich unser Gegner längst eine Pistole geschnappt und die Zielperson eliminiert.
Technisch solide
Grafisch besteht kein allzu großer Unterschied zwischen Hitman 2 und seinem Vorgänger. Das Beeindruckendste sind die großen Levels mit ihren vielen Details und den Massen an NPCs, die die Areale sehr lebendig wirken lassen. Die sehr natürliche Lichtstimmung gefällt uns ebenfalls gut. Die Charaktermodelle lassen jedoch arg zu wünschen übrig und sind nicht mehr ganz zeitgemäß.
Dafür macht die Soundkulisse einen rundum gelungenen Eindruck. Die Musik drängt sich nie zu sehr in den Vordergrund, sondern lässt den Umgebungsgeräuschen genug Platz, um sich zu entfalten und zur Lebendigkeit der Spielwelt beizutragen. Die englischen Sprecher machen ihren Job ebenfalls ziemlich gut, auf eine deutsche Vertonung müsst ihr aber leider verzichten. Wer des Englischen nicht mächtig ist, kommt ums Untertitellesen nicht drumherum, zumal es wichtig ist, Gespräche von Charakteren zu verfolgen, da sie euch auf den einen oder anderen Lösungsweg aufmerksam machen.
Fazit
Wer das vorherige Hitman mochte, wird Hitman 2 lieben. Zugegeben, diese Formulierung ist ganz schön abgedroschen, passt aber wie die Faust aufs Auge. Der neue Teil baut komplett auf dem Grundkonstrukt seines Vorgängers auf und bietet von allem mehr. Die Levels sind großartig gestaltet und sehr abwechslungsreich. Die zahlreichen Arten, eure Zielpersonen für immer schlafen zu lassen, motivieren dazu, die gleichen Missionen immer und immer wieder zu spielen. Wer die Möglichkeiten des Sandbox-Gameplays voll ausschöpfen möchte, wird mit Hitman 2 dutzende Stunden Spaß haben, zumal dank „Legacy Pack“ alle Levels des Vorgängers mit den spielerischen Neuerungen erneut angegangen werden können (und Besitzer von Hitman jenen DLC kostenlos bekommen).
Da sind wir aber auch beim Stichwort, wenn es darum geht, was uns an Hitman 2 nicht so sehr gefällt: Der „Ghost“-Modus ist die größte Neuerung und zeitgleich eine riesige Enttäuschung, während es im Singleplayer eher Detailverbesserungen gibt. Hitman 2 spielt sich fast genauso wie der Vorläufer und da hätten wir uns von einem richtigen Nachfolger, der mehr als nur eine zweite Staffel sein will, nun ja, eben mehr erwartet. Trotzdem können wir den Titel jedem Fan von Schleichspielen nur wärmstens ans Herz legen, denn das, was er bietet, ist größtenteils hervorragend umgesetzt. Beim nächsten Mal dürfte es dann aber gerne ein paar mehr frische Ideen geben.
- Sechs riesige, abwechslungsreiche Levels
- Große spielerische Freiheit
- Hoher Wiederspielwert
- Klasse Soundkulisse
- Viel zum Freischalten
- Wenig Neuerungen
- Enttäuschender "Ghost"-Modus
- Schwache KI und Shooter-Steuerung