In God of War Ragnarök geht es um nichts weniger als das unvermeidliche Ende der Welt und wie es vielleicht doch abgewendet werden kann. Es sieht allerdings düster aus.
God of War Ragnarök im Test: Das Ende
Etwas liegt in der Luft. Man spürt die Spannung in der Hütte von Kratos und seinem Sohn Atreus. Die Prophezeiungen scheinen zu stimmen. Auf den Tod Baldurs ist in der Tat der harte und lange Fimbulwinter gefolgt. Midgard liegt unter einer dicken und tödlichen Decke aus Eis und Schnee. All das sind Anzeichen für Ragnarök, den großen Weltenbrand, das Ende von allem. Niemand ist sicher, nicht einmal die Götter. Kann ein unvermeidliches Schicksal abgewendet werden? Wer weiß das schon.
Nach den Ereignissen aus God of War (2018) verstecken sich Kratos und Atreus in ihrer Hütte in Midgard und bereiten sich vor. Worauf genau, wissen sie auch nicht so recht. Allerdings ist beiden klar, dass der Tod Baldurs und der von Thors Söhnen, allesamt verursacht durch Kratos, nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Schnell wird klar, dass die beiden mit ihrem Gefühl ganz richtig lagen. Nachdem Atreus seinen verstorbenen Wolf Fenrir begraben hat und im Zuge dessen unabsichtlich seine Gestalt in einen wilden Bären verwandelt hat (scheinbar beherrscht der Junge Magie), erscheint Besuch von ganz oben bei der Hütte. Die Herrschaften Odin und Thor unterbreiten Kratos ein Friedensangebot. Doch er traut Odin nicht und lehnt ab. So nimmt das Unheil weiter seinen Lauf, der auf den größten Showdown der Götter hinausläuft: Ragnarök. Es folgt eine emotionale Geschichte voller Höhen und Tiefen, die immer wieder die Fragen aufwirft, wie und ob man das Unvermeidliche aufhalten kann und welcher Preis dafür gezahlt werden muss.
Die Welt und ihre Spielmechaniken
Dankenswerterweise setzen uns die Entwickler nicht in eine Open World, die an Gigantomanie leidet. Stattdessen erkunden wir etwas größere Schläuche, in denen es abseits der Wege immer wieder kleinere und größere Details zu entdecken gibt. Die Nebenaufgaben, die als "Gefallen" im Tagebuch erscheinen, sind rein optional, bieten aber in der Regel weitere Details, die euch ein besseres Gesamtverständnis von der Welt vermitteln, in der ihr euch gerade befindet. Die Hauptgeschichte versteht ihr aber auch problemlos, ohne eine einzige Nebenquest zu erfüllen.
Besonders in der zweiten Hälfte zieht der Schwierigkeitsgrad von God of War Ragnarök spürbar an. Ihr solltet euch also durchaus mit den Fähigkeitsbäumen und der Verbesserung eurer Ausrüstung beschäftigen. Das gilt sowohl für Kratos als auch für Atreus. Beide können neue Fähigkeiten erlernen und ihre Ausrüstung aufwerten. Allerdings fallen weder das Crafting-System noch der Fähigkeitenbaum so umfangreich aus, dass sie anstrengend werden und nerven. Die Entwickler haben hier eine ganz gute Balance gefunden. Irgendwie hat uns nie das Gefühl verlassen, dass uns SCE Santa Monica Studio nicht zu sehr mit den Mechaniken nerven möchte. Alles wird wohl dosiert eingesetzt.
Die Welt und ihre Figuren
Bei dieser großen und epischen Geschichte rückt das eigentliche Gameplay schnell in den Hintergrund. Es wird dem Bombast auch schnell nicht mehr gerecht. Kratos und Atreus lösen irgendwelche Schalterrätsel in alten Minen, kämpfen sich durch irgendwelche Gegnerhorden, landen in irgendwelchen Arena-Gruben und kämpfen weiter gegen irgendwelche Gegner. Die Bossgegner bilden hier allerdings die große Ausnahme. Wenig überraschend legt sich Kratos immer mal wieder mit anderen Göttern an. Hier können wir nicht zu viel verraten, aber jede Begegnung hat es in sich und zählt inszenatorisch zum Spektakulärsten, was wir in den letzten Jahren erleben durften.
Aber letzten Endes geht es den Entwicklern nicht um ausgefeiltes Gameplay. Wir hatten auch schnell das Gefühl, dass sie sich dieses Umstandes durchaus bewusst waren. Stattdessen nehmen sich die Autoren von God of War Ragnarök viel Zeit für ihre Figuren. In zahlreichen Filmsequenzen und Dialogen beobachten wir die Entwicklung der Charaktere und ihre sich verändernden Beziehungen untereinander – all das auf durchgehend sehr hohem Niveau.
Das Autorenteam setzt den Widerspruch, der sich in Kratos’ Figur manifestiert und der bereits im Vorgänger etabliert wurde, gekonnt fort. Kratos ist müde. Müde vom Krieg, müde vom Tod und Verderben. Er sucht nach Sicherheit und Wohlergehen für seinen Sohn Atreus. Dennoch glimmt in ihm immer noch das alte Feuer, das einst dafür gesorgt hat, dass er das griechische Götter-Pantheon ausgelöscht hat. Sorgender Vater und Kriegsgott vereint in einer Figur. Diese Ambivalenzen können wir in God of War Ragnarök immer wieder beobachten. Ähnlich deutlich wird die Entwicklung auch bei der Figur Freya. In der nordischen Mythologie ist sie die Göttin der Liebe. Der Tod ihres Sohnes Baldur verwandelte die barmherzige Göttin in eine trauernde, rachsüchtige und hasserfüllte Figur. Zwischen Liebe und Hass liegt eben nur ein schmaler Grat. Eine gelungene Analogie.
Den großen Teil der Handlung müssen sich all diese Figuren immer wieder mit den Prophezeiungen um Ragnarök beschäftigen und Schicksale erfüllen, die sie eigentlich gar nicht erfüllen möchten. Schon in den Erzählungen der Nordmänner wird berichtet, wie sehr sich Odin gegen sein vorherbestimmtes Schicksal stemmt und durch seine Taten ironischerweise alles herbeiführt, was er eigentlich verhindern wollte. Im Spiel selbst erleben wir beispielsweise einen Kratos, der immer wieder dazu gezwungen wird, seine tödlichen Fähigkeiten einzusetzen und Kämpfe zu bestreiten, die er gar nicht ausfechten möchte. Ähnlich wie Freya, die scheinbar keine Liebe mehr spürt, oder Tyr, dem nordischen Kriegsgott, der von den Schlachten der Vergangenheit derart gebrochen ist, dass ein weiterer Kampf – und auch wenn dieser Ragnarök verhindern könnte – für ihn nicht machbar erscheint. God of War Ragnarök verleiht sowohl Kratos als auch den Figuren der nordischen Götter sehr viel mehr Tiefe als die Erzählungen vergangener Tage. Die Götter werden nahbar, fast schon menschlich.
Wunderschön, zumindest meistens
Neben der fantastischen Geschichte glänzt God of War Ragnarök vor allem mit seiner Technik. Nun ja, zumindest die meiste Zeit. Ihr findet euch immer wieder vor beeindruckenden Panoramen wieder, zum Beispiel dem verschneiten und vereisten Midgard oder der Welt der Zwerge, die mit ihren Sümpfen und wärmeren Natur einen angenehmen Kontrast zum sterbenden Mittelreich darstellt. Aber das ist bei weitem noch nicht alles. Ausnahmslos jede Welt beeindruckt optisch auf eine ähnliche Art. Wir saßen oft staunend vor dem Fernseher und mussten die mythischen Umgebungen erst einmal auf uns wirken lassen.
Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich allerdings besonders auf der Detailebene ein paar Last-Gen-Erscheinungen. Manche Bodentexturen wirken matschig. Hin und wieder sehen auch die Texturen von Rüstungen sowie Waffen etwas grob aus. Das ist gewiss Jammern auf extrem hohem Niveau, weil es nur die Texturen betrifft, bei denen es nicht sofort ins Auge sticht. Allerdings fiel es uns auf. Besonders weil Guerrilla Games, ebenfalls ein Sony-Studio, dieses Jahr mit Horizon Forbidden West gezeigt hat, wie es besser geht – und das Spiel ist ebenfalls auch noch für die PS4 erschienen.
Fazit
Mit God of War Ragnarök geht eine Ära zu Ende. Bevor jetzt jemand "Spoiler!" schreit, verweisen wir gerne auf das Interview des Creative Directors von Sony Santa Monica, der schon im Vorfeld gesagt hat, dass der jüngste Ableger der "God of War"-Reihe der letzte sein wird. Wie passend, dass God of War mit Ragnarök sein Ende findet. Sicherlich bleiben den meisten Spielern ähnlich wie uns nicht die Gegnerhorden oder die wenig spannenden Schalterrätsel in Erinnerung, sondern die Erzählung und ihre Figuren. Ihr streben nach einem freien Willen und einem Schicksal, das sie selbst bestimmen dürfen. Uns bleibt auch eine Spielreihe in Erinnerung, die sich von einer puren menschen- und frauenverachtenden Gewaltorgie hin zu einem Gesamtwerk gewandelt hat, das am Ende mehr zu sagen hat, als so manch anderes Videospiel und eine große Epik und Gewicht entwickelt. Spiele wie God of War (2018) und God of War Ragnarök sind rar geworden. Wir hoffen sehr, dass Ragnarök in diesem Fall nicht auch metaphorisch für die weitere Entwicklung der künftigen Titel von Sony Santa Monica steht.
- Herausragende Geschichte
- Starke und glaubwürdige Charaktere
- Ausgezeichnete Inszenierung
- Hervorragend geschriebene Dialoge
- Wunderschöne Spielwelt, ...
- ... der man Last-Gen-Kompromisse ansieht
- Zum Teil etwas einfallsloses Gameplay