Mit Gears of War für die Xbox 360 hat Microsoft zusammen mit Epic Games eine neue Marke aus dem Boden gestampft, die besonders eine Spielmechanik in den Fokus rückte: Das Deckungssystem!
Gears 5 im Test: Mit Kait Diaz zurück zu alter Stärke
Mehr als nur ein Cover-Shooter
Mittlerweile sind Cover-Shooter keine Seltenheit mehr und auch die Gears-Reihe hat sich weiterentwickelt. Vom grauen Erscheinungsbild der ersten Teile hat sich die Serie zu einem optisch abwechslungsreichen und vor allem auch spielerisch reichhaltigen Gesamtprodukt gemausert. Der Multiplayer-Modus ist über die Zeit zur wichtigsten Kernkomponente neben der Kampagne geworden. Doch gelingt Gears 5 der Spagat, sowohl Einzelspieler- als auch Mehrspielerfans gleichermaßen zufriedenzustellen?
Einer ist immer der Feind
2006 begann die Reise von Marcus Fenix und Co und der fünfte Teil baut geschichtlich darauf auf. Das ist jetzt allerdings 13 Jahre her und vermutlich wird nicht jeder Spieler die Handlung noch präsent im Kopf haben. Aus diesem Grund hat Entwickler The Coalition zwei Videos zur Verfügung gestellt, die die gesamte Handlung des Franchises noch einmal zusammenfassen und zwar so richtig. Die Geschichtsstunde geht zurück bis zu den Pendulumkriegen, in denen sich die zerstrittene Bevölkerung des Planeten Sera fast selbst ausgerottet hat, nur um zu erkennen, dass unter der Oberfläche noch eine viel größere Bedrohung in Form der Locust wartet. Doch auch diese Spezies steckt, wie sich später zeigt, selbst in einem Konflikt. Die Leuchtenden, eine Art Mutation der Locust, die durch den Rohstoff Emulsion (quasi das Äquivalent zu unserem Erdöl) hervorgerufen wird, drohen die Locust auszurotten. Doch mit einer waghalsigen Aktion und einer neuen Waffe gelingt es den Menschen, beide Bedrohungen auszurotten. So scheint es, doch die Locust haben sich zum Schwarm weiterentwickelt, der weiterhin die Existenz der Menschen bedroht. So viel zur groben Einordnung der Geschehnisse.
Kait Diaz ist hart, aber fair
Die Hauptrolle in Gears 5 nimmt Kait Diaz ein, die bereits als Sidekick in Gears of War 4 fungierte und eine gute Freundin von J.D. Fenix, Marcus Fenix‘ Sohn, ist. Abgesehen vom Anfang des Spiels, den wir noch als J.D. Fenix bestreiten, ist Kait Diaz der Charakter der Stunde und steht ihren vor Testosteron triefenden männlichen Kollegen in nichts nach. Sie kann sich ebenso gut verteidigen, Schwarmmaden den Kopf abtrennen und mit dem Lancer ein blutrotes Potpourri an Gedärmen fabrizieren. Allerdings plumpsen ihr nicht einmal ansatzweise so viele Schimpfwörter aus der Lippe wie ihren Kollegen – und das ist abgesehen von ihrem Erscheinungsbild der wohl größte Unterschied.
Gears 5 Kampagne - Trailer:
Hier geht's lang!
Die Kampagne von Gears 5 ist so linear aufgebaut, wie man es von der Reihe gewohnt ist. Es gibt ein klares Ziel und einen eindeutigen Auftrag. Wem in Open-World-Games ab und an der rote Faden fehlt, ist hier genau richtig. Da die kanadischen Entwickler The Coalition die Areale aber deutlich größer entworfen haben, hatten wir nie das Gefühl, in einer schlauchigen Umgebung zu verharren. Stattdessen gibt es viele Möglichkeiten zum Erkunden und so vielleicht noch die Möglichkeit ein paar zusätzliche Munitionskisten oder Waffen zu finden. Apropos Waffen: Ein Großteil dürfte aus den Vorgängern bekannt sein. Aber neue Knarren sind natürlich mit von der Partie, unter anderem der Granatlancer, der zwar keine Kettensäge beinhaltet, aber trotzdem für ordentlich Chaos sorgt. Neu hinzugekommen sind auch Nahkampfangriffe aus der Deckung heraus und die Möglichkeit diese wiederum zu blocken.
Offen, aber kein Open-World-Spektakel
Abgesehen von der sonst vorherrschenden Linearität sind in Gears 5 auch recht offene Gegenden vertreten. Diese werden von Kait und Co meist mit dem Skiff erforscht, einem windbetriebenen Schlitten und damit wären wir schon bei einer weiteren Neuerung. Wer mag, kann in diesen Gebieten einigen Nebenmissionen nachgehen. Diese sind allerdings vollkommen optional, dürfen auch einfach ausgelassen werden. An dieser Stelle mögen einige sagen, dass genau diese Gebiete vielleicht etwas leer wirken. Aber was erwartet man in einer vom Krieg, Stürmen und anderen Ereignissen geplagten Welt? Sollen sich da Menschen oder Vertreter des Schwarms ansiedeln? Für beide Parteien ist es eine tödliche Umgebung. Die Leere ist also gewollt und auch nicht weiter dramatisch, da man spätestens nach zwei bis drei Minuten wieder einen Punkt erreicht, an dem mehr passiert. Oder man sieht sich an der gelungenen Optik satt.
Eine kleine Rundreise gefällig?
Allgemein ist die Kampagne die bislang optisch abwechslungsreichste in der Gears-Historie. Es sind urbane Strukturen genauso vorhanden wie eisige Landschaften oder blutrote Wüsten. Zudem hat jede Kulisse ihre Eigenheiten, die sich zum Teil zu unserem Vorteil nutzen lassen. Während in der Wüste streckenweise ein tödlicher Sturm mit Blitzen tobt, können wir in kalten Regionen ganze Horden von Gegnern ertränken, indem wir das Eis, auf dem die Schwarmsoldaten stehen, einfach zerschießen. Solche Details sind zwar nicht spielentscheidend, tragen aber enorm zur Immersion bei.
Plot-Twist nach der Hälfte
Lediglich die Erzählstruktur der Geschichte erscheint etwas merkwürdig. Die vermutlich größte Enthüllung findet am Ende von Kapitel 2 statt. Danach wird der Spannungsbogen weiter gespannt, nur um kurz darauf abrupt in Kapitel 4 geschlossen zu werden. Das Gefühl, ein großes Finale erlebt zu haben, hat sich bei uns nicht eingestellt. Das soll aber nicht den Gesamteindruck der Kampagne schmälern. Was The Coalition mit Gears 5 auf die Beine gestellt hat, ist außergewöhnlich. Die Handlungen der Akteure sind nachvollziehbar, authentisch und an einigen Punkten sogar witzig. Besonders möchten wir an dieser Stelle die deutsche Synchronisation hervorheben, die zum Besten gehört, was wir in den letzten Jahren erleben durften. Die Sprecher machen allesamt einen guten Job. Allerdings müssen sich Tomb-Raider-Fans kurz daran gewöhnen, dass Kait in der deutschen Fassung von Maria Koschny, der gleichen Sprecherin wie Lara Croft, synchronisiert wird.
Jack ist eine willkommene Neuerung
Einige Punkte haben wir noch gar nicht angesprochen. Selbstverständlich lässt sich die gesamte Kampagne von Gears 5 auch im Koop-Modus, sowohl online als auch lokal im Splitscreen, spielen. Ein Spieler schlüpft dann die Rolle von Kait, der andere die von Delmont "Del" Walker. Wer mag, kann sogar einen dritten Spieler dazu holen. Dieser übernimmt in diesem Fall die Steuerung des fliegenden Roboters Jack und erhält eine gänzlich andere Spielerfahrung als die beiden anderen. Jack ist dank mannigfaltiger Eigenschaften quasi der Support für die beiden und verfügt über eine eigene Spielmechanik. Gleichzeitig erhält das Spiel auf diese Art und Weise einen minimalen Rollenspielanstrich, denn im Gegensatz zu menschlichen Charakteren lässt sich Jack aufleveln und ausbauen, wenn die entsprechenden Komponenten im Spielverlauf gefunden werden. Auch hier gilt: Alles kann, nichts muss.
Lust auf ein bisschen Gemetzel mit Freunden?
Neben der Kampagne bietet Gears 5 zusätzliche weitere umfangreiche Mehrspielermöglichkeiten, die in drei Kategorien unterteilt sind: Versus, Flucht und Horde. Wie die Namen schon vermuten lassen, unterschieden sich die Modi vor allem in der Art des Zusammenspiels. Wer lieber mit anderen Spielern zusammenzockt, der sollte sich für Flucht oder Horde entscheiden. Gamer, die einen Wettbewerb suchen, werden bei den diversen Spielarten, die sich hinter dem Modus Versus verbergen, fündig. Darüber hinaus verfügt jeder Charakter über eine Ultimate-Fähigkeit, die in vielen Situationen spielentscheidend sein kann. Mit Skill-Karten können die Charaktere weiter spezialisiert werden.
Hilfe, die Horde überrennt alles!
Der Horde-Modus gehört seit dem zweiten Teil der Reihe zum festen Bestandteil des Mehrspielerteils. Bis zu fünf Spieler schließen sich hier zusammen, um insgesamt 50 Wellen des Schwarms zu vernichten. Alle zehn Wellen trifft man auf einen Boss und zwischen den Wellen dürfen von einigen Spielern, sofern die richtige Klasse gewählt wurde, weitere Befestigungen gebaut werden, um nicht überrannt zu werden. Allerdings hat The Coalition im Vergleich zum Vorgänger die Klassen nochmals überarbeitet. Statt Sniper gibt es nun Tanks, der fliegende Roboter Jack ist neu als Support dabei und das Recht zu bauen haben nur der Engineer und offensive Klassen. Zudem sind die Klassen an Charaktere gebunden und jede Figur kann nur einmal gewählt werden. Für Klassen gilt das nicht. Die Folge: Es kann durchaus passieren, dass in einer Partie mal eine wichtige Charaktergruppe fehlt, dafür aber fünf verschiedene Figuren auf dem Feld agieren. Abgesehen von der Roboterdrohne Jack wäre es andersrum vielleicht sinnvoller gewesen.
Nichts wie raus hier!
Wem 50 Wellen an Gegnern zu lange dauern oder wer lieber ein kürzeres Koop-Vergnügen sucht, sollte einen Blick auf den Modus Flucht werfen. Drei Spieler versuchen hier als Team aus einem Schwarmstock zu entkommen. Klingt jetzt erst einmal nicht so, als hätten die Macher damit das Rad neu erfunden, aber der Modus hat dennoch einen gewissen Reiz. Direkt zu Beginn einer jeden Runde zünden die drei Flüchtlinge eine Gasbombe, dessen grüngelbe Wolke nach und nach alles vernichtet, sowohl Spieler als auch Schwarmkrieger. Zudem sind Ausrüstung und Munition Mangelware, so dass das vornehmliche Ziel wirklich darin besteht aus dem Stock zu entkommen. Wer einmal falsch abbiegt und durch die Gaswolke vom Rest abgeschnitten ist, tja, der hat Pech gehabt. Gerade auf höherem Schwierigkeitsgrad kommt der Survivalcharakter voll zum Tragen. Es besteht sogar die Möglichkeit, eigene Karten zu entwerfen, die man dann anderen Spielern zur Verfügung stellen kann. Dieses Features befindet sich allerdings noch im Beta-Zustand. Sprich, der Editor funktioniert, aber es können sich noch gewisse Dinge ändern oder Fehler auftauchen.
Jetzt wird's ernst!
Spieler, die wissen wollen, wie gut sie sich im Vergleich zu anderen schlagen, werden die meiste Zeit vermutlich im Versus-Modus verbringen. Hier findet sich alles, was das Wettbewerbsherz begehrt. Ranglisten, zwanglose Spiele, unterschiedliche Spieltypen (Escalation, King of the Hill, Deathmatch, Domination usw.) und sogar die Möglichkeit, als Fünfer-Team gegen ein KI-gesteuertes Fünfer-Team anzutreten, sind vorhanden. Ein bisschen kooperativer Spielspaß darf auch hier nicht fehlen. Selbst für Spieler, denen das Niveau in manchen Modi zu hoch ist, gibt es eine Lösung: den Arcade-Modus. Und damit bei dem ganzen Geballer die Motivation nicht auf der Strecke bleibt, haben die Entwickler drumherum ein gelungenes Fortschrittsystem gebastelt. Statt Seasons gibt es Operationen, die mehrere Wochen andauern und es euch ermöglicht, die militärische Karriereleiter hochzuklettern. Lootboxen hingegen sucht man vergeblich. Möchtet ihr etwas kaufen, holt ihr euch Premiumwährung und erwerbt dafür dann das gewünschte Objekt.
Es gibt technische Probleme
Leider scheint Gears 5 auch mehr als eine Woche nach dem Launch nicht fehlerfrei zu laufen. Wir haben während unseres Tests mehrfach Kapitel in der Kampagne neu starten müssen, einige von uns sind aus dem Horde-Modus geflogen und freigespielte Skill-Karten, Nachschubboxen oder Ähnliches werden nur mit Verzögerung ausgeliefert. Einmal ist uns die Xbox One X sogar dermaßen abgeraucht, dass nur ein Softreset geholfen hat.
So muss ein Spiel aussehen
Gears 5 ist ein grafisches Aushängeschild für Microsoft. Das Spiel sieht auf allen Systemen hervorragend aus, wenngleich der PC und und die Xbox One X die Nase vorn haben. Wie schon erwähnt, zählt es ohne Frage zu den optisch abwechslungsreichsten Spielen der Reihe. Eislandschaften, Wüsten, ekelhafte Gegner, gelungene Animationen und viel Liebe zum Detail zeichnen Gears 5 aus. Eine Kleinigkeit haben die Entwickler aber übersehen, was besonders in der Kampagne aufgefallen ist. Waren wir mit Kait zu schnell am Skiff zurück, um weiter zu segeln, ploppten die restlichen Charaktere einfach so auf. Sowas zehrt natürlich ein bisschen an der Immersion. Dafür weiß die deutsche Sprachausgabe zu überzeugen. Emotional, passend und auf einem Niveau, das wir uns bei anderen Titeln ebenfalls wünschen würden. Sogar die deutschen Sprachsamples im Mehrspielermodus tragen zur guten Atmosphäre bei. Da macht es nichts, dass die Bonuscharaktere wie Sarah Connor ihre englische Stimme behalten haben.



Fazit:
Gears 5 ist ein rundum gelungenes Gesamtpaket, wenn man einmal von einigen technischen Schwierigkeiten derzeit absieht. Die werden die Entwickler aber hoffentlich in den Griff bekommen. Hier sollte jeder Spielertyp etwas geboten bekommen. Singleplayer-Kampagne? Check! Koop-Multiplayer? Check! Versus-Multiplayer? Check! Motivierendes Progressionsystem? Check! Dazu kommt eine hervorragende Präsentation des gesamten Spektakels und wer "Game Pass"-Kunde ist, muss nicht einmal einen Cent extra zahlen. Kurzum: Es gibt keine Ausrede, Gears 5 nicht zu spielen. Es ist DAS Microsoft-Highlight des Jahres.
- gelungene Kampagne
- viele verschiedene Spielmodi
- erstklassige Präsentation
- motivierendes Progressionssystem
- im Game Pass enthalten
- (noch) technische Schwierigkeiten
- Klassenbindung nicht optimal
- Kampagne endet abrupt