Far Cry 6 ist mehr vom Gleichen, macht aber deshalb auch nicht weniger Spaß als seine Vorgänger.
Far Cry 6 im Test: Die Revolution bleibt aus
Hach, ist Kuba schön! Die weißen Sandstrände, der dichte Dschungel, die Städte mit ihren alten Bauten aus der Kolonialzeit, die vielen schicken Oldtimer, die auf den Straßen unterwegs sind … Und sieh mal da, die Leichenhaufen, die Militärkontrollpunkte an jeder Ecke, da vorne wird gerade jemand öffentlich hingerichtet, während im Gebüsch die Guerillas auf den passenden Moment für einen Angriff warten. Halt, Moment! Wir sind doch gar nicht auf Kuba! Wir sind auf Yara gelandet, dem bösen Zwilling des karibischen Inselstaates und dem Schauplatz von Far Cry 6. Erneut lässt Ubisoft uns und euch ein von der Außenwelt abgeschnittenes Stückchen Erde von einem Terror-Regime befreien. Diesmal geht es aber nicht gegen christliche Fanatiker, sondern wieder einen klassischen Diktator wie zuletzt in Far Cry 4. Und das ist längst nicht das Einzige, was uns bekannt vorkommt. Das Motto der Entwickler war wohl nicht gerade „Viva la revolución“.
Der Hühnermann ist jetzt Diktator und Papá
Seit Teil 3 ist die „Far Cry“-Reihe berühmt dafür, ihre Antagonisten möglichst schillernd in Szene zu setzen. Mit Vaas ist Ubisoft das damals sehr gut geglückt. Die Nachfolger konnten nicht an dessen Klasse anknüpfen, auch weil sie gerne mal unterrepräsentiert gewesen sind. Mit wenig Screentime fällt es eben schwer, genug Charaktertiefe zu entwickeln und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Leider begeht auch Far Cry 6 diesen Fehler.
Antón Castillo, das Staatsoberhaupt von Yara, wird am Anfang als eiskalter, strenger Diktator vorgestellt, der es überhaupt nicht mag, wenn seine Bürger, Pardon, Untertanen das Land verlassen wollen. Das Boot, mit dem ihr als Dani (Männlein oder Weiblein, die Wahl liegt bei euch) zu Beginn fliehen wollt, wird von dem Militär angehalten und El Presidente persönlich kommt zu euch unter Deck, um a) zu demonstrieren, wie böse er doch ist und b) seinen eigenen Sohn zurück in den Palast zu holen. Sprössling Diego ist wenig begeistert davon, dass sein Papá eine Schreckensherrschaft führt und aus ihm einen würdigen Nachfolger machen möchte. Diese Vater-Sohn-Beziehung könnte der Nährboden für eine spannende Geschichte sein, ist es aber nicht, weil ihr viel zu wenig Raum gegeben wird, sich zu entfalten. Zwischen den einzelnen Zwischensequenzen, die die Castillos zeigen, liegen je nach Spielstil etliche Stunden, in denen ihr zwar gegen das Regime kämpft, aber bis auf ein paar Durchsagen des Präsidenten nichts von ihm mitbekommt.
Antón Castillo ist sogar der schwächste Schurke seit Far Cry 3. Er ist eben einfach nur ein machthungriger Diktator – mehr steckt nicht dahinter. Wir wollen an dieser Stelle nicht Joseph Seed aus Far Cry 5 in höhere Sphären heben, als er es verdient hat. Aber seine Rolle als christlicher Fanatiker, der bei all dem Grauen, das er hervorbringt, fest davon überzeugt ist, das Richtige zu tun, ist zumindest mal was anderes gewesen. Antón Castillo wirkt dagegen regelrecht austauschbar. So einen machtversessenen Schurken haben wir schon in etlichen Spielen zuvor das Handwerk gelegt. Da hilft es auch nicht viel, dass er von „Breaking Bad“- und „Better Call Saul“-Star Giancarlo Esposito verkörpert wird. Der liefert ohne jeden Zweifel eine gute Performance ab, weswegen es trotz ordentlicher deutscher Vertonung ratsam ist, mit englischer Sprachausgabe zu spielen. Jedoch kann selbst der begnadetste Schauspieler wenig aus einer Rolle herausholen, die so flach ist.
Ein Ensemble voller Langeweile
Far Cry 6 spielt man nicht wegen der Geschichte. Von dem Moment an, wo ihr als Dani an einem Strand aufwacht, nachdem das Militär euer Fluchtboot versenkt hat, plätschert der Plot nur so vor sich hin. Es gibt zwar Nebenfiguren mit eigenen Story-Strängen, aber auch die sind unglaublich platt. Far Cry 6 bietet nicht einen einzigen interessant geschriebenen Charakter. Hier und da sind gute Ansätze bemerkbar, etwa bei Diego Castillo oder Paolo, der es als Transmann im sehr konservativen Yara besonders schwer hat – auch dann noch, wenn Castillo nicht mehr herrscht. Clara, die Anführerin von der Guerillas, hätte ebenfalls eine interessante Figur werden können, da sie im Gegensatz zu ihren Verbündeten aus reichem Elternhaus kommt. Aber Ubisoft gelingt es nicht, aus diesen Ansätzen spannende Figuren zu machen, deren Schicksale uns bewegen.
Immerhin: Was besser funktioniert als im Vorgänger, ist die Integration der Hauptfigur in die Story. In Far Cry 5 habt ihr den namen- und stimmlosen Deputy gespielt. Das Ziel von Ubisoft war es sicherlich, dass Erlebnis immersiver zu gestalten, indem ihr das Gefühl bekommt, selbst Teil der Geschichte zu sein und nicht bloß einen anderen Charakter zu steuern. Aufgegangen ist die Rechnung aber nicht. Mit Dani, den oder die ihr in Zwischensequenzen auch seht und in Guerilla-Basen sogar aus der Third-Person-Perspektive steuert, gibt es nun wieder einen greifbaren Protagonisten, der jedoch noch flacher ist als der Rest des Ensembles. Ihr wollt eigentlich nur nach Amerika fliehen, aber weil das, wie eingangs beschrieben, misslingt und ihr eine nette Person seid, schließt ihr euch dem Widerstand an. Da hört die Charakterisierung von Dani auch schon auf.
Ein bisschen wie nach Hause kommen
Erzählerisch wandert Far Cry 6 auf ausgetretenen Pfaden und in Sachen Spielwelt ist das größtenteils nicht anders. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn dieser „Back to the roots“-Charakter von Yara weiß zu gefallen. Mit Far Cry 5 hat Ubisoft ein Experiment gewagt. War die Reihe zuvor immer für exotische Settings bekannt, entführte man nun die Spieler ins ländliche Montana. Zugegeben, in dem US-Bundesstaat an der Grenze zu Kanada spielen nicht viele Videospiele, aber so richtig interessant und „Far Cry“-mäßig ist das Ganze nicht gewesen. Teil 6 bietet mit seiner tropischen Inselwelt mit Palmen, Stränden, strahlend blauem Meer und dichtem Urwald genau das, was Far Cry 1 und 3 zu etwas Besonderem im Shooter-Genre gemacht hat.
Trotz all der Gewalt kommt immer wieder, wenn ihr einfach nur die Natur in euch aufsaugt, dieses Urlaubs-Feeling auf. Rein auf seine Flora, Topografie und die Architektur der Siedlungen bezogen, ist Yara ein wunderschöner Ort. Wenn ihr auf einem Berg steht und den Blick über die große Hauptinsel schweifen lasst, ist das wahrlich ein Anblick zum Genießen. Zwar fehlt dem Spiel die landschaftliche Vielfalt, mit der etwa ein Ghost Recon: Wildlands punkten kann, aber angesichts Kubas als Vorlage ist es vollkommen logisch, dass ihr hier neben Dschungel, Strand, offenen Wiesen, Sumpfgegenden und urbanen Gebieten keine Wüste oder schneebedeckten Gipfel erkundet. Und immerhin: Zum ersten Mal gibt es in einem Far Cry eine richtig große Stadt. Bislang war so was wie Pala aus Far Cry 2 das höchste der Gefühle und selbst für ein Dorf ist das extrem winzig gewesen. Esperanza hingegen wird ihrer Bezeichnung als Haupstadt von Yara definitiv gerecht und bringt damit immerhin ein bisschen frischen Wind mit.
Levelsystem ja, Rollenspielmechaniken nein
Bis ihr in Esperanza Chaos stif…, äh, wir meinen, für Gerechtigkeit sorgt, dauert es einige Stunden. Das hängt mit der Struktur von Far Cry 6 zusammen. Zum einen verbringt ihr die ersten zwei, drei oder je nach Erkundungslust auch gerne mal fünf Stunden auf einer kleineren „Tutorial-Insel“. Hier lernt ihr die Grundbausteine der Open World kennen und absolviert eine lineare Abfolge von Hauptmissionen. Nach dem Prolog geht es auf die Hauptinsel von Yara. Die ist in drei Regionen mit jeweils mehreren Untergebieten unterteilt. Ihr erhaltet den Auftrag, in jeder dieser Regionen Kontakt zu einer Fraktion herzustellen, die als Verbündete in Frage käme. Auch wenn euch Clara dazu rät, zuerst nach Madrugada im Westen zu gehen, habt ihr die freie Wahl. Alle Gebiete, in denen am Anfang Story-Missionen verfügbar sind, haben das gleiche Level.
Keine Bange: Far Cry 6 setzt nicht das Rollenspielexperiment von New Dawn fort. Gegner haben zwar von Haus aus einen Lebensbalken, die Anzeige lässt sich aber in den Optionen deaktivieren. Kugelschwämme, die unnatürlich viel Beschuss aushalten, gibt es nicht, nur stärker und weniger gut sowie gar nicht gepanzerte Feinde. Mit Standardmunition auf erstere zu feuern, ist keine gute Idee, aber ihr könnt für jede Waffengattung früh im Spiel panzerbrechende Projektile freischalten. Damit kippen auch Widersacher mit dickem Helm nach einem gezielten Kopfschuss tot um. Theoretisch könnt ihr direkt zu Beginn nach Esperanza fahren, müsst euch aber darauf einstellen, es dort mit besonders gut ausgerüsteten Militäreinheiten zu tun zu kriegen. Außerdem werden die Hauptmissionen in der Stadt erst nach diversen Spielstunden freigeschaltet.
Spaßiges Jobangebot
Die Kampagne von Far Cry 6 ist alles in allem sehr offen gestaltet. Wer will, spielt einen Handlungsbogen nach dem anderen durch, ihr könnt aber auch genauso gut munter zwischen den Regionen hin- und herwechseln. Auch innerhalb der einzelnen Gebiete gibt es nicht eine feste Reihenfolge an Hauptmissionen, sondern oftmals stehen euch zwei, vielleicht sogar drei Quests zur Auswahl. Das erinnert ein wenig an GTA, weil die Aufträge auch immer mit einem bestimmten Charakter verknüpft sind. Teilweise wirken sie aber eher wie Nebenmissionen und geben einem nicht das Gefühl, den Plot voranzutreiben – da wären wir wieder bei der Sache mit der schwachen Story.
Die Quests machen aber fast alle Spaß, spielerische Durchhänger gibt’s nur wenige. Das gilt auch für die Nebenmissionen, die sich in die sogenannten „Yaranischen Geschichten“, also ganz klassische Nebenquests, und Schatzsuchen unterteilen. Letztere gab es schon in Far Cry: New Dawn, diesmal sind es aber wesentlich mehr. Sie sind die perfekte Abwechslung von der Action, die das Spiel in allen anderen Bereichen bietet, da sie euch gerne mit kleinen Rätseln oder auch Geschicklichkeitspassagen konfrontieren. Nichts davon ist großartig herausfordernd, aber die Schatzsuchen sind schön designt und haben auch immer einen kleinen, netten erzählerischen Unterbau.
Letzteren bieten auch die „Yaranischen Geschichten“, ansonsten heben sie sich aber nicht sonderlich von den Hauptmissionen ab. Es geht in der Regel darum, Gegner zu töten oder bestimmte Dinge zu beschaffen, was immer zum typischen „Far Cry“-Gameplay führt: Ihr infiltriert ein von Feinden besetztes Areal und geht entweder schleichend vor oder ballert euch durch. Die abwechslungsreich gestalteten Orte, in denen die Entwickler auch immer wieder mit Environmental Storytelling spielen und euch anhand von Briefen sowie anderen Schriftstücken zusätzliche Hintergrundinfos liefern, sind einer der Gründe, warum das nicht langweilig wird. Das gilt übrigens auch für die für Far Cry obligatorischen feindlichen Basen, die ihr abseits der Missionen erobern könnt. Die sind nochmal vielfältiger gestaltet als im Vorgänger und haben dank der oben genannten Elemente stets einen Story-Kontext. Lediglich die Kontrollpunkte auf den Straßen und Flugabwehranlagen, die ihr erobert, um sowohl auf dem Asphalt als auch in der Luft reibungsloser von A nach B zu gelangen, wirken etwas generisch.
Ein Traum für Guerillas, ...
Über einen Mangel an Beschäftigung könnt ihr euch in Far Cry 6, wie es für Ubisoft-Spiele typisch ist, nicht beschweren. Neben den bereits genannten Inhalten gibt es noch zwei Minispiele (Domino und Hahnenkämpfe, die wie ein moralisch fragwürdiges Mini-Tekken wirken), Checkpoint-Rennen gegen die Zeit und Jagden auf legendäre Tiere. Zudem gibt es diverse Sammelgegenstände und Loot-Kisten in der Welten zu finden. Letztere enthalten entweder Kleidungsstücke, Waffen oder besonders wertvolle Crafting-Materialien.
Gehen wir das mal Stück für Stück durch: Far Cry 6 ist kein Loot-Shooter, aber es gibt eine Menge Ausrüstung. Das Waffenarsenal ist verdammt groß. Euch erwarten etliche Sturm- und Scharfschützengewehre, Maschinenpistolen, Schrotflinten, Bögen, Raketen- und Granatwerfer sowie Einzelschuss- und Reihenfeuerpistolen. Dazu kommen noch die Impro-Waffen. Die allein könnten das ganze Arsenal eines Shooters stellen und sind ziemlich cool. Wir sind zum Beispiel große Fans der Armbrust, die statt Bolzen Harpunen verschießt. Besonders witzig ist die Discos Locos, die auf einem CD-Player basiert und rotierende „Macarena“-Discs verschießt – und natürlich hört ihr dabei die ganze Zeit den 90er-Hit. Insgesamt elf dieser Spezialwaffen hat Far Cry 6 zu bieten und ihr könnt sie wie auch alle anderen Schießprügel upgraden.
Die Impro-Knarren lassen sich nur mit speziellen Mods verbessern, bei Sturmgewehren und Co stehen euch zusätzlich allerlei Aufsätze für den Lauf, unter anderem Schalldämpfer für die lautlosen Killer unter euch, sowie Visiere und Laiser-Pointer zur Verfügung. Pro Waffenkategorie müsst ihr nur einmal Materialien zahlen, um sie freizuschalten, danach könnt ihr sie kostenlos an jedem Tötungswerkzeug der gleichen Gattung anbringen. Das gilt auch für die verschiedenen Munitionstypen. Zur optischen Anpassung gibt es noch diverse Skins für jede Waffe sowie Talismane.
Einen ganz besonderen Look haben die einzigartigen Knarren. Das sind von Haus aus modifizierte Varianten der Basiswaffen, vergleichbar mit den Blaupausen aus den jüngsten „Call of Duty“-Spielen. Sie haben also einen einzigartigen Skin und Mods sowie Aufsätze, die ihr mitunter noch gar nicht freigeschaltet habt. Ihr könnt sie dafür aber nicht selbst umbauen und exklusive Eigenschaften haben sie auch nicht, was angesichts dessen, dass Far Cry 6 kein RPG-Shooter ist, Sinn ergibt. Wenn sich doch eh jeder Feind mit der richtigen Munition per Kopfschuss direkt ausschalten lässt, warum sollte es dann Waffen mit besonderen Boni wie in einem Borderlands geben?
… mit einem Haken
Das große Waffenarsenal ist eine der Stärken von Far Cry 6, auch wenn es fast schon zu groß ist. Manche Argumentationsverstärker waren in unserem Spieldurchgang nahezu überflüssig, weil wir sie recht spät freigeschaltet haben und vorher schon Knarren bekommen haben, die besser sind. Andererseits: Auch hier tut es dem Spiel wieder gut, dass Ubisoft keine RPG-Experimente gewagt hat. Wer Lust hat, auch im späten Spielverlauf noch mit einer alten MP40 zu spielen, obwohl einem längst bessere Schießprügel zur Verfügung stehen, kann das machen, ohne in Probleme zu geraten. Zudem könnt ihr von Anfang an drei Primär- und eine Seitenwaffe mitnehmen und sogar jederzeit im Menü alles austauschen. Nur fürs Modifizieren müsst ihr Werkbänke in den Basen und kleinen Verstecken auf den Guerillapfaden, die sich abseits der Straßen durch die Natur schlängeln, aufsuchen. Dadurch seid ihr enorm flexibel.
Eure Klamotten spielen in Far Cry 6 eine größere Rolle als im Vorgänger, da sie nicht nur einen kosmetischen Zweck erfüllen (der dank der Third-Person-Perspektive in den Basen auch besser zur Geltung kommt), sondern euch auch passive Boni verleihen. Der eine Helm verleiht euch mehr Schutz vor panzerbrechender Munition (ja, auch die Gegner setzen die unterschiedlichen Projektilarten ein), die eine Hose erhöht die Verteidigung gegen Tiere, das eine Oberteil sorgt dafür, dass ihr euch leiser bewegt, und so weiter. Die Items bilden auch Sets, es gibt aber keinen Bonus dafür, dass ihr ein komplettes Outfit tragt. Ihr könnt die Kleidungsstücke also beliebig miteinander kombinieren und deren Aussehen unabhängig von den Eigenschaften gegen das anderer Objekte tauschen. Das alles ist nett, hat aber auch keinen zu großen Einfluss auf das Gameplay. Ja, ihr könnt euch Klamotten anziehen, die etwa Stealth-Eigenschaften verbessern und euch somit das Schleichen erleichtern, aber ihr könnt auch ohne sie immer noch gut heimlich vorgehen.
Mächtige Werkzeuge, die man gerne mal vergisst
Neben Waffen und Kleidung gibt es noch die Supremos: Rucksäcke mit besonderen Fähigkeiten, die ihr auch nochmal mit Mods anpassen könnt. Sieben Stück stehen zur Verfügung und im Grunde könnt ihr euch das Ganze wie die ultimativen Fähigkeiten in Overwatch vorstellen. Der eine Supremo verschießt eine Salve zielsuchender Raketen, der andere brutzelt alle Feinde um euch herum mit Flammen. Einmal eingesetzt, müsst ihr eine Abklingzeit abwarten, bis ihr es erneut krachen lassen könnt. Auch dieses Feature fällt ähnlich wie das Kleidungssystem in die Kategorie „Nett, aber mehr auch nicht“. Wir haben die Supremo-Fähigkeiten nur sehr selten benutzt, weil es nicht oft einen Grund gab, sie einzusetzen. Selbst im Action-Modus, dem höheren der beiden zur Verfügung stehenden Schwierigkeitsgrade, ist Far Cry 6 nicht überaus fordernd. Wir sind zwar schon das eine oder andere mal gestorben, aber in der Regel haben die normalen Waffen und Hilfsmittel wie Granaten, Wurfmesser und Co ausgereicht, um mit den Feinden fertig zu werden. Oft haben wir auch schlicht nicht daran gedacht, dass wir ja noch einen Supremo auf dem Rücken haben.
Auch die Amigos, die tierischen Begleiter in Far Cry 6, haben wir selten zu Hilfe gerufen. Die sind zwar entweder cool und witzig wie der Alligator Guapo oder super süß wie der kleine Dackel Chorizo, aber absolut nicht notwendig, um Castillos Soldados Einhalt zu gebieten. Und wo wir bei dem Thema Begleiter sind: Wir vermissen die menschlichen NPC-Kollegen. Im Vorgänger haben die uns noch mehr taktische Optionen gegeben, weil sie unterschiedliche Fernkampfwaffen benutzt haben. Die Amigos in Far Cry 6 sind eben allesamt Tiere, die einfach nur auf euren Befehl hin Feinde anfallen – gut, der kleine Chorizo tut niemandem was an, der ist einfach nur eine niedliche Ablenkung. Möglich, dass Ubisoft hier noch mehr fördern möchte, dass ihr im Koop spielt. Nahezu das komplette Abenteuer lässt sich zu zweit erleben, wobei nur für den Host der Story-Fortschritt gespeichert wird. Aber wenn ihr eh vorhabt, Far Cry 6 in Gänze mit einem Kumpel zu zocken, ist das kein Problem. Und im Koop macht das Gameplay definitiv nochmal mehr Laune.
Anspruchslos, aber unterhaltsam
Apropos Gameplay: Wie spielt sich Far Cry 6 denn nun? Antwort: Nun ja, wie man's halt erwartet. Das Ballern ist nicht sonderlich anspruchsvoll, macht aber dank ordentlichem Trefferfeedback und dem breiten Waffenarsenal eine Menge Spaß. Wer gerne schleicht, kommt ebenfalls auf seine Kosten wie bei den Vorgängern. Ihr dürft eben nur keine so ausgefeilte Stealth-Mechanik wie in einem Hitman oder Splinter Cell erwarten. Die KI der Gegner ist ähnlich simpel wie in den vorherigen Teilen, aber immerhin keine Vollkatastrophe wie zuletzt in Deathloop. „Deckung suchen“ ist kein Fremdwort für sie und wenn man einem Scharfschützen auf einem kleinen Wachturm einen Molotov-Cocktail zuwirft, dann ist der auch so klug, aus seinem Nest herauszukommen und sich nicht brutzeln zu lassen.
Der Spielspaß in Far Cry 6 kommt aber am Ende nicht wegen einer Shooter-Mechanik auf höchstem Niveau auf, sondern aufgrund des Sandbox- und Chaos-Faktors. Nichtsdestotrotz ist es befriedigend, Feinde entweder mit der Schrotflinte um zu holzen oder eine Basis komplett schleichend und ohne den Alarm auszulösen, zu erobern. Auch die Fortbewegung durch die große Spielwelt, sei es nun mit dem Auto, Motorrad, Quadbike, Jetski, Boot, Hubschrauber, Flugzeug oder gar Panzer macht dank simpler, aber flüssiger Steuerung Laune. Zum ersten Mal dürft ihr auch auf Pferden reiten, was ebenfalls sehr gut funktioniert.
Basenmanagement? Das wäre zu viel gesagt
Das bringt uns übrigens zu zwei weiteren, kleineren Neuerungen in Far Cry 6: In jeder der großen Regionen habt ihr eine Hauptbasis, die ihr mit gesammelten Ressourcen ausbaut. Das klingt jetzt aber spannender, als es das ist. Letztendlich gibt es sechs unterschiedliche Einrichtungen und in jedem Lager könnt ihr zwei davon bauen, die sich jeweils nochmal zweifach aufwerten lassen. So schaltet ihr schlicht neue Funktionen frei, etwa eine Kantine, in der ihr Tier- und Fischfleisch (ja, ihr könnt auch wieder angeln) gegen Rezepte eintauscht, die euch temporäre Buffs verleihen. Errichtet ihr ein Verstecknetzwerk, schaltet ihr den Wingsuit frei. Dazu liefern euch die Ausbauen noch diverse Boni, die ihr sonst über den Talentbaum freigeschaltet hättet, den es in den Vorgängern gegeben hat, der in Far Cry 6 aber fehlt. Zwar sammelt ihr immer noch Erfahrungspunkte und steigt im Rang auf, aber dadurch schaltet ihr lediglich neue Waffen bei Händlern frei.
Ein weiteres neues Element, das in direkter Verbindung mit den Basen steht, sind die Los-Bandidos-Einsätze. Das sind Missionen, die ihr nicht selbst ausführt, sondern von Kommandanten, die ihr etwa durch Nebenmissionen gewinnt, und Rekruten, die ihr bekommt, wenn ihr Gefangene befreit, erledigen lasst. An einem Schwarzen Brett in jeder Basis wählt ihr aus, wer welchen Job übernehmen soll und dann wartet ihr mal eine Stunde, mal vier. Jap, das ist das Browsergame-Element in Far Cry 6, wie man es auch aus Dragon Age: Inquisition oder – um im Ubisoft-Kosmos zu bleiben – älteren „Assassin's Creed“-Teilen kennt.
Es hat aber zumindest die nette Eigenschaft, das ihr nach Ablauf der Wartezeit in drei Schritten Entscheidungen trefft, wie eure Leute vorgehen sollen. Jede Option bringt euch eine andere Belohnung ein, kostet aber auch entweder Rekruten oder Ressourcen und hat zwingend eine Erfolgschance von 100 Prozent. Wer ein zu hohes Risiko geht, läuft Gefahr, dass eine Mission fehlschlägt und man nicht die Hauptbelohnung bekommt. Jedoch lässt sich jeder Auftrag dann nochmal wiederholen. Haben wir die Los-Bandidos-Quests gebraucht? Nein. Sind sie ein störendes Spielelement? Überhaupt nicht! Wer will, ignoriert sie einfach, die anderen beschäftigen sich zwischendurch mal damit, um etwas runterzukommen und zusätzliche Ressourcen sowie so manche Waffe zu gewinnen.
Die Dunia kann's gerade so noch
Technisch setzt Far Cry 6 wie die Vorgänger auf die mittlerweile recht betagte Dunia Engine. Man merkt dem Titel an, dass er eben in erster Linie noch für die PS4 und Xbox One entwickelt wurde, auch auf dem PC. Die Charaktere sind weit von dem heutigen AAA-Standard entfernt, was Gesichtsanimationen und Details betrifft, und in der Umgebung macht sich auch manche Textur bemerkbar, die vielleicht nicht ganz so scharf ist, wie sie es heutzutage sein könnte – selbst mit installiertem HD-Texturenpaket. Schlecht sieht Far Cry 6 trotzdem nicht aus. Die dichte Vegetation, die schicke Beleuchtung und die Weitsicht machen einiges her, wobei bei manchem Blick durch die Handykamera, die als Fernglasersatz dient, sehr deutlich auffällt, dass in der Ferne nicht mehr viele Details dargestellt werden. Dafür gibt es auf dem PC schicke Raytracing-Reflexionen das Fehlen von NVidias DLSS wird durch AMDs Alternative namens FidelityFX Super Resolution ausgeglichen, sodass auch Nutzer schwächerer Systeme mit guten Grafikdetails flüssig spielen können.
Viel Lob haben wir für den Sound übrig. Die sehr gute englische Vertonung und die immer noch ordentliche deutsche Alternative haben wir ja schon erwähnt. Dazu gibt es sehr satte Waffensounds, atmosphärische Hintergrundgeräusche wie Tierlaute oder das Meerearauschen und einen starken Soundtrack. Ok, die eigens für das Spiel komponierte Musik ist eher mittelmäßig und bleibt nicht im Kopf hängen, aber die lizenzierten Songs, die auf den beiden Radiosendern laufen, sind super – wenn man denn lateinamerikanische Klänge wie Reggaeton mag. Ubisoft hat sich dabei nicht lumpen lassen und einige Tracks von wirklich bekannten Interpreten gesichert. So schallt hin und wieder Daddy Yankee, Pitbull oder Luis Fonsi (nein, nicht „Despasito“!) aus dem Radio. Besonders cool: Bei manchen Songs singt Dani mit, etwa Ricky Martins „Livin' La Vida Loca“.
Freeze-Gefahr trotz Tropenklima
Zum Abschluss noch ein paar Worte zum technischen Zustand unserer Review-Version und dem In-Game-Shop. Uns ist das Spiel mehrfach eingefroren – nicht so häufig, dass wir eine Kaufwarnung für die PC-Fassung aussprechen würden, aber eben doch mehr als bloß ein-, zweimal. Ansonsten sind uns aber keine Bugs aufgefallen, bloß spielte hier und da die Straßenverkehrs-KI etwas verrückt, etwa wenn uns auf der Gegenfahrbahn entgegenkommende Autos einfach quer über unsere Spur fahren, um dann die Straße zu verlassen. Sehr amüsant war auch ein Quadbike-Fahrer, der in Schlangenlinien hinter einem im gemächlichen Tempo sich fortbewegenden Reiter fuhr und die ganze Zeit hupte, anstatt einfach zu überholen.
Zum Shop müssen wir gar nicht viel sagen: Far Cry 6 ist ein Ubisoft-Spiel, also gibt es selbstverständlich einen. Darin werden etwa Varianten der Standardwaffen mit besonderen Skins angeboten, die sich aber im Gegensatz zu den einzigartigen Knarren modifizieren lassen. Dennoch: Diese Dinger kauft ihr nicht, weil sie euch stärker machen, sondern wegen ihrer Optik. Ansonsten gibt es bloß Fahrzeuge mit besonderen Skins, die aber auch auf den Standardmodellen basieren, und Karteninformationen, mit denen die Fundorte der Sammelobjekte auf der Map markiert werden. Ihr seht also: Spielerische Vorteile gibt es nicht und ihr könnt den Shop komplett ignorieren.
Fazit
Man kann Far Cry 6 wirklich eine Menge vorwerfen: Die Neuerungen halten sich in Grenzen beziehungsweise sind nur nette Boni. Die KI ist immer noch alles andere als clever, es fehlen richtige spielerische Herausforderungen, die Story ist langweilig, die Charaktere sind platt und nicht alle Open-World-Aktivitäten machen auch noch beim 50. Mal Spaß. Aber Far Cry 6 schafft es trotzdem, auf anständigem Niveau zu unterhalten. Die Spielwelt ist hübsch, es gibt einige interessante Locations, die Schatzsuchen sind cool, das Waffenarsenal ist groß sowie abwechslungsreich und der Chaos-Faktor, für den die Reihe spätestens seit Teil 3 so bekannt ist, funktioniert auch hier wieder in vollem Maße. Wer mit den Vorgängern seinen Spaß hatte und der Formel nicht überdrüssig geworden ist, wird auch in Yara wieder viele unterhaltsame Stunden verbringen können. Die große Gameplay-Revolution hätte Far Cry 6 auch gar nicht gebraucht. Es wäre nur mal schön gewesen, wenn die Entwickler zumindest die Kernaspekte auf ein deutlich höheres Niveau gehoben hätten.
- Gewohnt spaßige Shooter-Sandbox
- Große, schöne Spielwelt
- Erstmals eine richtige Stadt in Far Cry
- Riesiges Waffenarsenal
- Gut designte Locations
- Radios mit bekannten Songs
- Sehr coole Schatzsuchen
- Gute Vertonung
- Viel zu tun
- Neuerungen ohne Gewicht
- Flache Story, platte Figuren
- Keine menschlichen NPC-Begleiter mehr
- Schwache Gegner-KI
- Einige Freezes
- Wenige Herausforderungen