Jedes CoD der vergangenen drei Jahre hat bei uns im Test gut abgeschnitten. Call of Duty: Modern Warfare 2 setzt diese Tradition fort, obwohl es ein Riesenärgernis gibt.
Call of Duty – Modern Warfare 2 im Test: Gewohnt gute Kost
Es ist wieder diese Zeit des Jahres. Verlässt man am späten Nachmittag das Büro, ist es bereits dunkel, die Temperaturen sinken gefühlt von Tag zu Tag immer weiter und die Weihnachtsmärkte befinden sich schon im Aufbau. Ach ja, und Millionen von Videospielfans verteilen an den Feierabenden virtuell wieder ganz viele blaue Bohnen. Call of Duty: Modern Warfare 2 ist da und beendet eine Ära. Ab sofort ist Schluss mit den jährlichen Releases, zumindest vorerst. 2023 wird es kein neues CoD geben (stattdessen könnte Gerüchten zufolge eine große kostenpflichtige Erweiterung erscheinen). Die Fans müssen nun also zwei Jahre lang mit Modern Warfare 2 bei Laune gehalten werden. Die gute Nachricht: Das Spiel bietet eine ordentliche Basis dafür. Die schlechte: Ein großer Kritikpunkt hat das Zeug, manche Spieler so sehr zu verärgern, dass den Titel schneller zur Seite legen, als sie es eigentlich wollen.
Eine CoD-Kampagne, wie sie im Buche steht
Bevor wir uns dem Herzstück von Call of Duy: Modern Warfare 2, dem Multiplayer, widmen, wenden wir uns erst mal der Kampagne zu. Es soll ja Leute geben, die jedes Jahr den Vollpreis für ein CoD ausgeben, nur um sich rund fünf Stunden lang von spektakulär inszenierter Action berieseln zu lassen. Wenn euch das das Geld wert ist, könnt ihr auch diesmal wieder bedenkenlos zugreifen. Die Geschichte ist zwar mal wieder so belanglos, wie sie nur sein könnte (böse Terroristen machen böse Dinge, Captain Price und seine Kameraden versuchen, dem ein Ende zu setzen), aber hey: Wer spielt schon Call of Duty wegen der Story? Ich bestimmt nicht! Die Serienteile, die erzählerisch wirklich was zu bieten haben, lassen sich an weniger als einer ganzen Hand abzählen.
Was hingegen erneut stimmt, sind die Präsentation und die spielerische Abwechslung. Die vorgerenderten Zwischensequenzen sehen fantastisch aus und sind filmreif inszeniert und die Missionen selbst geben euch oft oftmals das Gefühl, selbst Teil eines Hollywood-Blockbusters zu sein. Sie führen euch dabei an viele unterschiedliche Schauplätze. Mal seid ihr bei Nacht irgendwo im Nahen Osten unterwegs und stürmt kleine Wohnhäuser voller Schurken, mal ballert ihr euch durch Mexiko und es verschlägt euch auch mal ins wunderschöne Amsterdam. Gerade letzterer Level ist grafisch so beeindruckend, dass mir die Kinnlade heruntergeklappt ist. Die Umgebung ist enorm detailreich und mit solch hoch aufgelösten Texturen versehen, dass man wirklich denkt, gerade in der Stadt der Grachten und Coffeeshops zu stehen.
Klar, spielerisch dürft ihr keine Revolution erwarten, hat aber sicherlich auch niemand von euch. Call of Duty bleibt Call of Duty: Auch Modern Warfare 2 bietet den gewohnten Mix aus offenen Schussgefechten gegen anstürmende Gegnerhorden, Schleicheinsätzen und Scharfschützenpassagen. Auch ist mal wieder eine Mission dabei, in der ihr die ganze Zeit die Waffensysteme eines Flugzeugs bedient und damit euren Kameraden auf dem Boden Luftunterstützung bietet. So eine Sequenz scheint vor allem in einem Modern Warfare nicht fehlen zu dürfen. Leider ist sie in diesem Fall zu sehr in die Länge gestreckt, was dem ansonsten hervorragenden Pacing der Kampagne schadet.
Maps und Modi im Überfluss
So kurz der Singleplayer mal wieder ausgefallen ist (was jedoch angesichts des simplen Spielkonzepts vollkommen ok ist), so sehr klotzt Entwickler Infinity Ward beim Multiplayer. Vor allem die Menge an Spielmodi kann sich sehen lassen. Allein für die klassischen 6-gegen-6-Matches gibt es bereits neun unterschiedliche Varianten. Der Großteil ist altbekannt: "Team Deathmatch", "Herrschaft" und "Suchen & zerstören" zum Beispiel gehören zum Standardrepertoire eines jeden Call of Dutys. Neu sind "Gefangenenrettung" sowie "Knock-out". Ersteres ist aus Counter-Strike entliehen und dreht sich darum, dass ein Team zwei Geiseln befreien und das andere dies verhindern muss. "Knock-out" hingegen ist eine "Team Deathmatch"-Variante, die in Runden unterteilt ist und ohne Respawns daherkommt (gilt auch für "Gefangenenrettung"). Beide Modi sind in keiner Weise innovativ, aber willkommene Neuzugänge für all die Spieler, die auch in einem CoD mal taktisch gefordert werden möchten.
Die zehn aktuell vorhandenen 6-gegen-6-Maps bilden ein besseres Gesamtpaket als das, was das Modern Warfare von 2019 zum Release zu bieten hatte. Diesmal gibt es nämlich keine Totalausfälle. Die Schauplätze bieten optisch genug Abwechslung und stets einen guten Mix aus engen Gängen und offeneren Plätzen. Der Großteil sticht zwar optisch nicht sonderlich heraus ("Farm 18" etwa ist eine typische "Osteuropäisches Industriegebiet"-Map, wie man sie schon oft gesehen hat), es gibt aber auch "Crown Raceway", wo doch tatsächlich eine Rennstrecke als Szenario dient.
Es gibt einen Streitfall: "Santa Seña Grenzübergang". Hier finden die Gefechte auf der mit Autos vollgestopften Straße an der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze statt. Garantiert haben sich die Designer hier an der berühmten Szene aus dem Thriller-Meisterwerk "Sicario" orientiert. Die Karte ist im Grunde bloß ein langer Schlauch, was sicherlich nicht jedem Spieler gefällt. Auch bezüglich die vielen Fahrzeuge, die nun mal explodieren können, wenn Granaten und Raketenwerfer zum Einsatz kommen, mögen die Meinungen auseinandergehen. Die leerstehenden Vehikel sorgen andererseits für ausreichend Deckung, wodurch alle Waffengattungen auf dieser Karte gut spielbar sind. Ja, ich kann "Santa Seña Grenzübergang" durchaus etwas abgewinnen und halte die Map für längst nicht so schlecht wie meine Hasskarten aus dem drei Jahre alten Vorgänger.
Wer braucht schon noch Battlefield?
Mit "Bodenkrieg" und "Invasion" bietet Call of Duty: Modern Warfare 2 noch zwei Spielarten, in denen große Teams auf großen Karten gegeneinander kämpfen und dabei auch von Fahrzeugen Gebrauch machen. Letzterer Modus bietet Platz für insgesamt 40 Spieler. Hier mischen außerdem zwölf Bots auf jeder Seite mit. Ziel ist es bloß, durch Abschüsse mehr Punkte zu sammeln als der Feind, wobei KI-Gegner einen und menschliche Kontrahenten fünf Punkte wert sind. Es handelt sich also eigentlich nur um eine größere Version von "Team Deathmatch" mit erhöhtem Chaosfaktor dank der Vehikel, macht aber gerade deswegen eine Menge Laune.
"Bodenkrieg" ist die taktischere Alternative und ein Segen für alle, die noch das „Battlefield 2042“-Desaster zu verkraften versuchen: 64 Spieler kämpfen um Kontrollpunkte und auch wenn man gerade hier die zerstörbare Umgebung der Konkurrenzserie vermisst, macht das Ganze deutlich mehr Spaß als das jüngste Wer von DICE. Die Karten sind gut designt sowie angenehm weitläufig, aber auch nicht zu groß, und dann hilft es eben auch eine Menge, dass Call of Duty: Modern Warfare 2 ein herausragend starkes Gunplay bietet. Egal ob Sturmgewehr, Schrotflinte, MP oder DMR, jeder Schießprügel fühlt sich fantastisch an und hat einen Klasse-Sound. Dank glaubwürdiger Animationen der getroffenen Gegner sowie Bluteffekten überzeugt das Treffer-Feedback auf ganzer Linie.
Unübersichtlich und mit Zwängen verbunden: Die Progression
Ok, das Gameplay ist super, der Umfang riesig, das Kartenangebot überzeugt: Ist Call of Duty: Modern Warfare 2 also besser als sein Vorgänger? … Hach, wie gerne ich diese Frage mit einem Ja beantworten, aber ich kann nicht. Grund dafür ist das neue Progressionssystem, das sich Infinity Ward angeblich erdacht hat, um damit den Grind zu reduzieren. Wie es im Detail funktioniert, erfahrt ihr hier. Daher hier nur nochmal die Kurzfassung. Ihr schaltet über Rangaufstiege nicht mehr alle Waffen frei, sondern nur die Schießprügel, die als Basis einer sogenannten Waffenplattform (stellt sie euch wie Technologiebäume vor) dienen. Um die anderen Knarren zu erhalten, müsst ihr die Tötungswerkzeuge selbst aufleveln. Das neue System soll den Vorteil haben, dass ihr euch nicht mehr mit jedem Gewehr, jeder Pistole und jeder Flinte jeden passenden Aufsatz einzeln erspielen müsst. Stattdessen schaltet ihr bestimmte Visiere, Griffe, Schäfte und Co mit bestimmten Bleispritzen einmalig frei und könnt sie dann theoretisch an jede andere kompatible Waffe schrauben – aber auch nur, wenn ihr die wiederum so weit hochgestuft habt, dass ihr Anpassungen an den jeweiligen Kategorien vornehmen dürft.
Das System ist von zwei Probleme geplagt. Einerseits ist es unnötig verkompliziert und dadurch unübersichtlich. Es gibt keine logische Erklärung dafür, warum ihr Aufsatz XY mit Knarre AB freischalten müsst, um ihn anderweitig verwenden zu können. Und wenn ihr Pech habt, müsst ihr erst mal noch Stunden spielen, bis ihr jenes Schießeisen erhaltet – mitunter mit einer Waffe, auf die ihr gar keine Lust habt. Das ist der zweite, noch viel größere Haken. Infinity Ward zwingt euch teilweise dazu, in Call of Duty: Modern Warfare 2 mit Kriegswerkzeug in die Schlacht zu ziehen, mit dem ihr nicht spielen möchtet. Ihr wollt das Lachmann-556-Sturmgewehr haben? Tja, dann bringt bitte erst mal das Lachmann-762-Kampfgewehr auf Stufe 13. Wie, ihr wollt nur mit Sturmgewehren spielen? Tja, Pech gehabt! Dann bleibt euch eben das Lachmann-556 verwehrt.
Immerhin hat sich der Eindruck aus der Beta, man müsse erst Stunden spielen, bis man mal eine MP freischaltet, nicht bewährt. In der Vorabversion haben schlicht die Waffen gefehlt, die im fertigen Spiel direkt auf Level 4 (also sobald man sich seine eigenen Loadouts erstellen kann) verfügbar sind. Alles andere wäre aber auch wirklich dumm gewesen.
Koop-Modus mit großem Potenzial
Zusätzlich zum kompetitiven Multiplayer bietet Call of Duty: Modern Warfare 2 noch den Koop-Modus für zwei Spieler (Raids für 4-Mann-Teams kommen zu einem späteren Zeitpunkt). Der ist momentan ein zweischneidiges Schwert. An sich gefällt er uns richtig gut, denn hier ballert ihr euch nicht durch lineare Schlauchlevels, sondern bekommt schönes Sandbox-Gameplay serviert. Die Missionen spielen auf "Al Mazrah", der Karte, die Schauplatz des kommenden Warzone 2.0 ist (auch mehrere der PvP-Levels sinds Fragmente jener Riesen-Map). Wenn es dann beispielsweise gilt, Raketenstellungen in die Luft zu jagen, dürft ihr das größtenteils in beliebiger Reihenfolge machen. Dabei könnt ihr auch sämtliche Fahrzeuge nutzen, die ihr in der Spielwelt findet. Außerdem findet ihr allerlei Waffen und sonstige Ausrüstungsgegenstände an bestimmten Orten, was auch nochmal ein bisschen Dynamik ins Spiel bringt.
Je besser ihr abschneidet, desto mehr Sterne verdient ihr. Mit denen schaltet ihr alternative Ausrüstungs-Kits frei und levelt sie hoch. Außerdem verdient ihr euch einiges an Kosmetik. So weit, so gut. Das Problem: Bislang gibt es nur drei Missionen. Durch deren offene Struktur macht es zwar Spaß, sie mehrfach zu spielen, aber irgendwann hat man sich trotzdem satt geballert. Wenn der Koop-Modus mehr als nur eine nette Dreingabe sein soll, muss Infinity Ward hier deutlich mehr Inhalte nachreichen. Kleiner Hinweis am Rande: Spielt den Modus am besten immer mit einem Kumpel. Sich abzusprechen, ist aufgrund des Sandbox-Charakters und der Tatsache, dass es keine Respawns gibt (ist euer Mitstreiter am Boden, könnt ihr ihn noch wiederbeleben, aber sterbt ihr beide, war es das), enorm wichtig.
Fazit
Nach der Beta war ich echt zwiegespalten. So viel Spaß mir das Gameplay gemacht hat, so schrecklich fand ich die Progression. An Ersterem hat sich nun nichts geändert, an Letzterem … kaum etwas. Ok, ich muss mir keine Waffenkategorie als Ganzes wie in der Beta noch mühsam erarbeiten, sondern hab von Anfang an Zugriff auf eine Knarre pro Gattung. Puh! Aber die Art und Weise, wie ich die Schießprügel und deren Aufsätze freischalte, bleibt ein Graus. Wenn ich doch nur Sturmgewehre nutzen möchte, weil ich damit am besten umgehen kann, dann lasst mich das auch! Warum muss ich mit ganz anderen Bleispritzen hantieren, um alle Exemplare meiner Lieblingskategorie freizuschalten und dann auch exakt so modifizieren zu können, wie ich das will? Sorry, Infinity Ward, aber das ist ein Griff ins Klo.
Trotzdem fällt es mir schwer, mich von Call of Duty: Modern Warfare 2 loszureißen. Ich liebe das Gunplay, mir gefallen die Maps, die vielen Modi bieten ausreichend Abwechslung, der Sound ist klasse und das Spiel sieht gut aus. Dazu gibt es eine nette, kurzweilige Kampagne und einen im Kern coolen Koop-Modus, der aber dringend mehr Inhalte benötigt. Modern Warfare 2 ist ein sehr guter Shooter, der jetzt schon genug Umfang bietet, um wochenlang bei Laune zu halten – und die Entwickler werden ihn zwei Jahre lang kontinuierlich ausbauen. Hätten sie die Progression gegenüber den Vorgängern einfach unverändert gelassen, wäre das hier allerdings das beste CoD seit vielen Jahren gewesen. Die Auszeichnung bleibt ihm leider aufgrund eines Fehlers verwehrt, dabei hätte ich sie so gerne vergeben.
- Top-Gunplay
- Großer Umfang
- Gutes Map-Angebot
- Grafik und Sound auf hohem Niveau
- Spaßige Kampagne
- Guter Koop-Modus, ...
- ... der noch zu wenig Inhalte bietet
- Nicht gut durchdachtes Fortschrittssystem
- Story nicht der Rede wert