Szenariowechsel und große Ankündigungen – Ubisoft schürte die Hoffnung, Assassin’s Creed Valhalla mit dem nächsten großen DLC mehr Abwechslung und neues Leben einzuhauchen. Das ist leider nicht gelungen.
Assassin’s Creed Valhalla – Die Belagerung von Paris im Test: Mehr vom Gleichen
Nach über 100 Stunden im mittelalterlichen England und einem kurzen Ausflug auf die irische Insel sehnt man sich in Assassin’s Creed Valhalla nach einem Tapetenwechsel, idealerweise mit einer spannenden neuen Geschichte. Im Vorfeld wirkte es so, als könnte Ubisofts nächster großer DLC „Die Belagerung von Paris“ genau diesen Wunsch erfüllen. Ein großes Drama um eine Stadt, Intrigen, ein verrückter König, eine große Schlacht und viel militärisches und politisches Nachbeben. Nun ja, Träume gehen nicht immer in Erfüllung.
Die Ausgangslage vor Paris
Die Quest, mit der ihr „Die Belagerung von Paris“ startet, findet ihr standardmäßig in Hraefnathorp. Dort warten zwei neue Charaktere auf euren oder eure Eivor, die euch überreden, ins für damalige Verhältnisse ferne Paris zu reisen. Nach einer Zwischensequenz und einer kurzen Ladezeit verschlägt es euch auf eine separate Karte und damit direkt vor die französische Hauptstadt.
Die Gegend um Paris sticht sofort mit ihrer Grafikpracht ins Auge. Vor euch breiten sich weite saftige Felder aus, hier und da erblickt ihr Siedlungen oder kleine Gehöfte. Der Anblick ist eine willkommene Abwechslung nach über 100 Stunden im sumpfigen und kalten England.
Immer wieder das Gleiche
Die erste Euphorie weicht leider schnell Ernüchterung und Monotonie. Schnell wird klar, dass wie schon in „Zorn der Druiden“ keinerlei Nebenaufträge oder kleine Geschichten abseits der Hauptquest existieren. So farbenfroh und beeindruckend Paris und seine Ländereien wirken, so leer sind diese Gebiete leider auch. Ihr könnt euch lediglich mit Rebellenaufträgen eure Zeit vertreiben. Leider erwartet euch hier aber ein scheinbar endloser Grind bis zum maximalen Rebellenlevel, das euch bis auf ein paar Boni auch keine nennenswerten Vorteile beschert. Die Aufträge der Rebellen arten ebenfalls in einer monotonen Aneinanderreihung von „Geh dahin und töte das“ aus. Das geht heutzutage besonders auf AAA-Niveau besser und war schon im Hauptspiel sowie im ersten DLC deutlich besser gelöst. Es ist für uns völlig unverständlich, warum Ubisoft hier einen so großen Schritt zurückgeht.
Auch in den Hauptquests bleibt ihr nicht immer vor Design-Entscheidungen aus der Hölle verschont. Häufig steht ihr vor buchstäblich verschlossenen Türen und müsst den passenden Schlüssel finden. Da die grausige und unpräzise Schlüsselsuche aus dem Hauptspiel einfach unangepasst übernommen wurde, jagte uns irgendwann jede weitere verschlossene Tür einen Schauer über den Rücken. Ganz abgesehen vom schnöden Design passen all diese Schlösser auch nicht in die Spielwelt. Warum sind in Paris plötzlich alle Türen verschlossen, wo doch in England nur Schätze hinter Schlössern versteckt waren? Und wenn die Franken schon eine Vorliebe für Schlösser haben, warum müssen es denn gleich so viele sein?!
Die Geschichte bildet das Herzstück
Spaßige Nebenaufträge und eine Open World, die zum Erkunden einlädt, locken uns schon mal nicht nach Paris. Bleibt noch die Geschichte um König Karl III., dessen Verhalten erst die Belagerung von Paris provoziert hat. Bei der Story des DLCs sind wir bei einem der wenigen Highlights angekommen. Die cineastische Inszenierung und die kompetent geschriebenen sowie vorgetragenen Dialoge können durchaus überzeugen und treiben die Handlung mit gutem Pacing voran.
Die Ausgangslage bietet einen spannenden Start. Denn Eivor und Gefolgschaft haben eigentlich kein Interesse an einem großen Gemetzel mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten. Ihr versucht also zunächst, mit König Karl III. (der aus Gründen auch in der deutschen Version Charles heißt) zu verhandeln. Geschichtskundige Valhalla-Spieler wissen, wie diese Bemühungen enden.
Coole Zwischensequenzen, unbeteiligte/r Eivor
Bedauerlicherweise haben die Teams bei Ubisoft nicht aus den Fehlern des Hauptspiels gelernt. In nahezu jeder Zwischensequenz wirkt Eivor irgendwie deplatziert und hat auch zum Geschehen auf dem Bildschirm nicht wirklich etwas beizutragen. Die Geschichte wird von den eigentlichen historischen Protagonisten vorangetrieben. Diese Schwäche ist besonders deshalb so unverständlich, da Eivor in „Zorn des Druiden“ bereits viel prominenter auftrat als im Hauptspiel.
Die Geschichte ist zwar durchgehend kompetent in Szene gesetzt und auch die Dialoge wissen zu überzeugen. Allerdings ist die gesamte Handlung von „Die Belagerung von Paris“ in keiner Weise in die übergeordnete Story von Assassin’s Creed Valhalla eingebettet. Ihr werdet aus dem Spiel herausgerissen, vor die Tore von Paris geworfen, erledigt zugegebenermaßen ganz coole Story-Quests und fahrt wieder nach Hause. Man muss gar nicht erst zur Konkurrenz herüberschauen, um zu sehen, wie DLCs besser in die Haupthandlung eingefügt werden können (wir erinnern uns wärmstens an die beiden "The Witcher 3"-Erweiterungen), denn sogar im direkten Vorgänger Assassin’s Creed Odyssey wurde diese Herausforderung um Längen besser gemeistert. Der Grundkonflikt zwischen Assassinen und Templern (besser gesagt deren Vorgängerorganisationen) oder die Handlung in der Gegenwart werden in „Die Belagerung von Paris“ nicht einmal mehr erwähnt. Ersteres wird mit gutem Willen vielleicht angedeutet.
Fazit
Abschließend fällt es schwer, „Die Belagerung von Paris“ einer bestimmten Spielergruppe zu empfehlen. Potenzielle Neueinsteiger werden vom unterirdischen Missionsdesign und der leeren Welt eher abgeschreckt. Ubisoft geht mit der Erweiterung an vielen Stellen zu viele Schritte zurück, als dass sie für Bestandswikinger richtig interessant sein könnte. Letzten Endes ist „Die Belagerung von Paris“ irgendwo zwischen den Stühlen zu verorten und taugt leider nur als kurzer Zeitvertreib mit einer kompetent inszenierten Geschichte. Schade drum! Die historische Ausgangslage hat viel mehr Potenzial, als es die Teams bei Ubisoft herausgeholt haben.
- Stimmungsvolle Grafik
- Coole, filmreife Zwischensequenzen
- Spannender historischer Konflikt
- Monotonie, so weit das Auge reicht
- Missionsdesign aus der Spielesteinzeit
- Keine guten Nebenaufträge
- Abseits der Hauptquests zu wenig zu tun
- Völlig losgelöst vom Hauptspiel
- Mit 25 Euro sehr teuer