Aquanox: Deep Descent sollte ein schönes Comeback sein, scheitert aber schon hinsichtlich der Grundlagen.
Aquanox – Deep Descent im Test: Eine Schleichfahrt, die ist…leider langweilig
Quizfrage: Wer von euch erinnert sich noch an Aquanox? Niemand? Ok, kurze Geschichtsstunde: 1996 veröffentlicht Blue Byte (ja, der Entwickler von Die Siedler) Schleichfahrt: eine U-Boot-Simulation in einer dystopischen Zukunft, in der die Menschheit aufgrund von Nuklearkriegen und immer knapper werdenden Ressourcen dazu gezwungen ist, in der Tiefe der Ozeane zu leben. Entwickelt wurde das Spiel vom Mannheimer Studio Massive Development. 2001 folgte die Fortsetzung Aquanox und zwei Jahre später Aquanox 2: Revelation. Alle drei Titel wurden sehr positiv besprochen, kamen jedoch niemals aus der Nische heraus. 2005 war das Ende der Reihe besiegelt, als "Aquanox 2"-Publisher Jowood Massive Development dichtmachte.
Neun Jahre später gibt es ein neues Lebenszeichen von der Marke: Auf der gamescom 2014 präsentiert Nordic Games (heute THQ Nordic) die Tech-Demo eines neuen Teils. Es folgte eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne und somit die offizielle Ankündigung von Aquanox: Deep Descent. Die Entwicklung beim serbischen Studio Digital Arrow verlief jedoch schleppend. Das Projekt verschwand für lange Zeit in der Versenkung, bis es dieses Jahr zur gamescom wieder ein Lebenszeichen gab und der Entwickler bekannt gab, es sei fast fertig und der Release stünde kurz vor der Tür. Nun ist Aquanox: Deep Descent da und die wenigen Leute, die sich dafür interessieren, weil sie eben Fans der alten Spiele sind, frohlocken – nun ja, zumindest solange, bis sie es dann mal gespielt haben.
Die Story ist schon mal eine Niete
Aquanox: Deep Descent ist ein Prequel, großes Vorwissen müsst ihr also nicht mitbringen, um die Geschichte verstehen zu können. Die dreht sich um eine Gruppe sogenannter "Cryos": Das sind Menschen, die lange Zeit im Kälteschlaf lagen. Zu Beginn des Spiels wird die Truppe rund um Kapitän Kaelen aufgeweckt und dann plötzlich von Bionten, der großen bösen Fraktion im Aquanox-Universum, angegriffen. Die Helden können mit Hilfe entkommen, haben jedoch ein weiteres Problem: Sie haben keine Erinnerungen mehr an ihr Leben vor dem Kälteschlaf, doch ein gewisser Nemo könne ihnen ihre Fragen beantworten, heißt es. Um den zu finden, müssen sie aber erst mal anderen Leuten ein paar Gefallen erweisen.
Machen wir es kurz: Die Geschichte von Aquanox: Deep Descent zündet in unseren Augen überhaupt nicht. Es dauert zu lange, bis sich der Plot wirklich mal weiterentwickelt. In den ersten Stunden lernt ihr bloß die unterschiedlichen Fraktionen kennen und erledigt irgendwelche Aufträge, um Informationen zu erhalten, aber die Handlung wird dabei gar nicht wirklich vorangetrieben. Uns war das aber fast schon egal, weil sowohl die Dialoge als Charaktere alles andere als interessant geschrieben sind. Keine der Figuren bleibt im Gedächtnis hängen, sie alle sind vollkommen austauschbar, haben keine gut ausgearbeiteten Persönlichkeiten.
Da hilft es dann auch nicht, dass die Inszenierung sehr spartanisch ist. Zwischensequenzen gibt es so gut wie gar nicht. Die Geschichte wird hauptsächlich per Funksprüchen und Konversationen in den diversen Stationen erzählt – letztere bestehen lediglich aus Textboxen und Charakter-Artworks. Immerhin ist fast jedes Gespräch in Aquanox: Deep Descent vertont, für jeglichen weiteren Aufwand war scheinbar kein Budget vorhanden.
Alles viel zu träge
Nun könnten wir über die schwache Story noch hinwegsehen, wenn der Titel denn spielerisch einiges zu bieten hätte. Aber leider begeht Aquanox: Deep Descent einen Kardinalsfehler: Das Gameplay macht keinen Spaß. Wer denkt, ihn erwarte hier eine Art Freelancer oder Wing Commander unter der Meeresoberfläche statt im All, der täuscht sich. Spannende Dogfights gibt es hier nicht. Anstatt, dass ihr und eure Feinde euch gegenseitig verfolgt und gewagte Manöver durchführt, sehen die Kämpfe immer wie folgt aus: Ihr erblickt einen Gegner, schießt auf ihn, er feuert zurück und dann kreist ihr die ganze Zeit umeinander, bis eines der futuristischen U-Boote in seine Einzelteile zerspringt. Das ist weder dynamisch noch spannend. Zwar könnt ihr per kurzem Tastendruck schnell in alle Himmelsrichtungen (sowie nach oben und unten) ausweichen, aber das rettet das System nicht, zumal die KI-Widersacher kaum Gebrauch davon machen.
Ein weiteres Problem ist die extreme Trägheit. Ja, klar, ihr steuert hier keinen schnellen Raumjäger im All, sondern ein U-Boot in den Tiefen des Meeres. Da muss man schon damit rechnen, dass es nicht sonderlich flott zugeht und die Steuerung auch nicht so direkt ist wie etwa im jüngst erschienenen Star Wars: Squadrons. Aber ihr lenkt in Aquanox: Deep Descent nun auch keine Großkampfschiffe, sondern recht kleine Boote. Davon gibt es sechs Stück im Spiel, die ihr nach und nach im Verlauf der Kampagne freischaltet. Ja, es gibt in der zweiten Spielhälfte zwei Modelle, die etwas wendiger und auch schneller unterwegs sind. Aber das Tempo hält sich selbst dann in Grenzen und dass ihr gefühlte Ewigkeiten braucht, um euch einmal um 180 Grad zu drehen (egal ob nun mit Gamepad oder der Maus), ändert sich auch kaum.
Aquanox: Deep Descent ist, was seine Action anbelangt, schlichtweg zu statisch. Selbst Spezialfähigkeiten wie ein Extra-Schutzschild, der für wenige Sekunden feindliche Geschosse abwehrt, oder eine Raketensalve können nichts daran ändern, dass sich die Kämpfe durchgehend gleich spielen und auf Dauer nur langweilen. Das Missionsdesign kann das nicht auffangen.
Die Ansätze sind da,…
Dabei hat sich Digital Arrow durchaus Mühe gegeben, dass ihr zumindest nicht das Gefühl habt, immer das Gleiche zu tun. Klar, in einem Dogfight-Spiel ist die Bandbreite an Gameplay-Mechaniken immer recht knapp bemessen. Ein Star Citizen beispielsweise wird auch nur deshalb so viel abwechslungsreicher sein, weil ihr dort eben auch zu Fuß auf Planeten herumlaufen könnt und noch zusätzlich ein Ego-Shooter in dem Spiel steckt. Aber in einem Freelancer oder Wing Commander beschränkt sich das Gameplay darauf, durch den Weltraum zu fliegen und auf Gegner zu schießen.
Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man wertschätzen, was die Entwickler von Aquanox: Deep Descent versucht haben. Manchmal sollt ihr bloß ein paar feindliche Schiffe abknallen, ja. An anderer Stelle wird aber auch mal verlangt, Nester von radioaktiv verseuchten Quallen zu zerstören, die sich einfach so auf jedes Boot stürzen, das ihren Weg kreuzt, und dann Kamikaze-mäßig zerplatzen. Oder ihr müsst ein Minenschiff beschützen oder in einer Höhle nach wichtiger Technologie suchen oder gar ein riesiges Seeungeheuer bekämpfen. Mechanisch ist das Spiel sehr gleichförmig, aber die Verpackung ist stets eine andere.
Allerdings torpediert das schwache Gameplay eben jeglichen Spielspaß an den Missionen. Nehmen wir nur mal als Beispiel den Kampf gegen besagtes Monster: So was könnte eines der Highlights der Kampagne sein. Im Endeffekt ist es aber ziemlich lahm, weil ihr ohne große Herausforderung um das Biest herumfahrt und nacheinander auf sechs Schwachpunkte schießt, ohne dass dieses Duell dabei mehrere Phasen durchläuft, wie man es von einem richtigen Bosskampf erwartet.
Komplette Linearität wäre besser gewesen
Was Aquanox: Deep Descent hätte retten können, wäre eine interessante Spielwelt und ein Sandbox-Ansatz gewesen. Wir denken hierbei erneut an Freelancer, das zwar auch sehr viel Wert auf seine Geschichte legt, uns aber genauso die Freiheit lässt, als Händler, Kopfgeldjäger oder gar Pirat unser Geld zu verdingen, damit wir unser Schiff aufrüsten oder ein komplett neues kaufen können. Nun ist Aquanox: Deep Descent kein strenglineares Spiel. Es bietet zwar keine richtige Open World, sondern einzelne Levels, die durch Ladebildschirme voneinander getrennt sind, die könnt ihr aber frei erkunden. Zudem gibt es einige Nebenmissionen. Manchmal geben euch Charaktere, die ihr im Zuge der Hauptgeschichte trefft, persönliche Quests, manchmal könnt ihr von generischen Auftraggebern ohne Namen Kopfgeldjobs annehmen (das sind die wenigen Dialoge im Spiel, die nicht komplett vertont sind).
Außerdem findet ihr überall in der Spielwelt Schiffswracks, die ihr scannen und anschließend looten könnt, um Ressourcen zu erhalten. Die verkauft ihr entweder oder nutzt sie, um Munition sowie Schildaufladungs- und Reperatur-Kits selbst herzustellen. Dieses System ist jedoch komplett überflüssig: Es gibt zu viele Rohstoffe, als dass ihr sie euch alle merken könnt, und gezieltes Suchen nach ihnen ist auch nicht möglich.
Davon abgesehen gibt es keinen Grund, die Spielwelt zu erkunden. Ihr könnt sonst nichts Spannendes entdecken und auf euren Fahrten von A nach B passiert auch nichts abseits der Missionen. Das in Kombination mit der langsamen Fortbewegung sorgt dafür, dass wir uns ein Schnellreisesystem herbeigesehnt haben. Flott von einem Gebiet zum anderen springen, ohne eben zu den dafür vorgesehenen Sprungtoren zu fahren, ist nicht. Wenn zwischen der Karte, zu der ihr wollt, und der, auf der ihr euch gerade befindet, zwei andere Maps liegen, müsst ihr beide durchqueren. Das ist in Kombination mit der leeren Welt eine echte Spielspaßbremse.
Die wenigen Lichtblicke in der Dunkelheit
Dabei gefällt uns die Unterwasserwelt von Aquanox: Deep Descent optisch ziemlich gut. Die Vielfalt könnte zwar noch größer sein – ich fahrt eben oft durch Felsschluchten, aber zum einen unterscheiden sich die Gebiete farblich (in dem einen ist alles eher lila, in dem anderen grün) und zum anderem gibt es hier und da Details wie ein altes U-Boot aus Weltkriegszeiten oder eine untergegangene Satellitenschüssel.
Darüber hinaus ist Digital Arrow die Unterwasseratmosphäre gut gelungen. Die Sichtweite ist recht gering, die Soundkulisse macht klar, dass ihr euch in den Tiefen des Meeres bewegt und es ist oftmals sehr dunkel. Mit angeschaltetem Scheinwerfer durch Höhlen oder Schluchten und vorbei an Seegras sowie leuchtenden Anemonen zu tauchen, während euch kleine Fische entgegenkommen, hat schon was.
Den Entwicklern ist es außerdem vortrefflich gelungen, trotz schwacher Technik ein gutes Gesamtbild auf den Monitor zu zaubern. Ja, die Schiffsmodelle sehen sehr spartanisch aus und bei genauer Betrachtung fällt auf, dass Felswände und Co nicht gerade die knackigsten Texturen spendiert bekommen haben. Aber dadurch, dass es eben oftmals dunkel ist und die Entwickler sehr viel mit Lichteffekten arbeiten, ist die Optik dennoch stimmig. Hier wird eben vieles kaschiert und das sehr gut. Dafür können jedoch Musik und Sprecher nicht so wirklich überzeugen. Die deutschen Sprecher sind größtenteils nur Mittelmaß, was aber auch viel mit der Qualität der Texte zu tun haben kann, und die Musik haben wir kaum bewusst wahrgenommen, was kein gutes Zeichen ist.
Ein Interface zum Davonlaufen
Wir müssen noch ein Element ansprechen, das komplett missraten ist: die Benutzeroberfläche. Die Karte ist schwer lesbar und die Menüs sind dafür, dass ihr eigentlich nicht sonderlich viele Optionen habt, zu verschachtelt. Um beim Händler beispielsweise Munition für eine unserer Waffen zu kaufen, müssen wir erst in den Tab für Waffen, Spezialfähigkeiten sowie Reparatur-Kits wechseln, dann auf das Icon für Primärwaffen klicken, dann auf den entsprechenden Slot, dann auf die Kanone selbst und dann erst öffnet sich das Untermenü für Munition – und all das spielt sich auch noch auf sehr engem Raum ab. Nicht mal die Hälfte des Bildschirms wird genutzt, gleichzeitig sind die Icons recht groß, weshalb ihr sowohl im Fall der Waffen als auch der Schiffs-Upgrades durch eine waagerechte Liste scrollen müsst, weil im entsprechenden Fenster nur Platz für drei Objekte ist – und die Liste an Gegenständen innerhalb einer Kategorie ist nicht lang.
Bevor wir es vergessen: Neben der Einzelspielerkampagne bietet Aquanox: Deep Descent auch einen Multiplayer. Die beiden PvP-Modi "Deatchmatch" und "Team Deathmatch" auf gerade mal vier Karten hätte sich Digital Arrow aber sparen können. Das Gameplay gewinnt eben auch im Duell mit echten Menschen keinen Blumenstrauß. Anders sieht es beim Koop-Modus aus. Ihr könnt tatsächlich die ganze Kampagne gemeinsam mit bis zu drei Freunden spielen. Das wertet sie immerhin ein wenig auf, allerdings besteht hier zum Beispiel das Problem, dass eure Mitstreiter nicht dauerhaft extra markiert werden und auf der Map bekommen sie das gleiche grüne Icon wie jedes befreundete NPC-Schiff, weshalb es leicht passieren kann, dass ihr euch aus den Augen verliert.
Fazit
Aquanox: Deep Descend ist ein Spiel, das vor Release kaum Aufmerksamkeit gehabt hat und die wohl auch nun, wo es den Markt betritt, nicht mehr bekommen wird. Schlimm ist das jedoch nicht, denn es ist schlicht kein gutes Spiel. Wenn die Kämpfe Spaß machen würden oder wenigstens Story und Spielwelt interessant wären, könnten wir ihm vieles verzeihen. Aber da am Ende des Tages nur die Atmosphäre wirklich überzeugen kann, können wir den Titel lediglich als netten, aber komplett gescheiterten Versuch, eine alte Marke wiederzubeleben, betrachten.
Das ist enorm schade, weil die Idee eines offenen Abenteuers in einer Unterwasserwelt mit diversen Fraktionen und der Aussicht, sein Schiff immer weiter zu verbessern beziehungsweise immer stärkere Maschinen freizuschalten, großartig ist. Wir würden uns wünschen, dass THQ Nordic die Marke einem fähigeren Entwicklerteam in die Hände gibt, damit das etwas richtig Gutes damit anstellen kann. Aber vermutlich wird Aquanox nach diesem Flop namens Deep Descent wieder für sehr lange Zeit, wenn nicht gar für immer untertauchen.
- Schöne Unterwasseratmosphäre
- Schicke Lichtstimmung
- Durchaus abwechslungsreiche Missionen
- Lahme Kämpfe
- Schiffe viel zu langsam und träge
- Uninteressante Story und Figuren
- Leere Spielwelt
- Keine Schnellreise
- Mieses Interface