Die Premiere der gamescom Opening Night Live war...ok. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die gamescom Opening Night: Viel Death Stranding, wenig Highlights
Wenn die Koelnmesse Geoff Keighly anheuert, damit er die Eröffnungsshow der gamescom moderiert und mit seinem Team auch produziert, dann erwartet man als Zuschauer durchaus etwas Großes. In den vergangenen Jahren war Europas größte Videospielmesse nicht unbedingt dafür bekannt, dass es im Vorfeld ein Event gibt, bei dem zahlreiche spannende Neuankündigungen getätigt werden, wie wir das von den Pressekonferenzen zur E3 gewohnt sind. Doch diesmal schien es anders zu werden. Wir hatten nicht nur Geoff Keighly, der gekonnt durch den Abend führte, sondern auch eine lange Liste namhafter Publisher, die neue Spiele vorstellten: Electronic Arts, Microsoft, Capcom, Bandai Namco, Sony, Bungie, Epic Games, Square Enix und noch einige andere.
Tja, was sollen wir sagen? Wirklich weggeblasen hat die Opening Night Live, so der Name der zweistündigen Show am Montagabend, einen ja nicht. Dass wir relativ hohe Erwartungen hatten, dürfte aufgrund der oben geschilderten Sachverhalte nicht verwunderlich sein. Vielleicht waren sie auch etwas zu hoch, denn immerhin: Die Show war alles andere als ein Reinfall und es gab durchaus interessante Ankündigungen sowie Trailer. Aber es fehlten eben die richtigen Kracher. Man hat erneut gemerkt, dass es der gamescom hinsichtlich des Themas News nicht guttut, zeitlich in der Mitte zwischen der E3 und der Tokyo Game Show zu sitzen. Die US-Hersteller hauen den meisten Kram zur ihrer Heimatmesse raus und die Japaner wollen sich ja auch noch einige Themen fürs Event in ihrer Hauptstadt aufheben.
Death Stranding mal drei
Apropos Japaner, fangen wir doch direkt mit dem einen großen Thema an, über das schon vor der Opening Night die ganze Gaming-Welt gesprochen hat: Death Stranding. Wie stark wurde doch damit geworben, dass Hideo Kojima höchstpersönlich, das Mastermind hinter den "Metal Gear"-Spielen, auf der Bühne stehen und neue Informationen zu seinem aktuellen Projekt preisgeben würde? Dazu kam noch die Aufregung darüber, dass Death Stranding plötzlich nicht mehr von Sony als PS4-Exklusivspiel gelistet wird und ja möglicherweise auf der gamescom eine Ankündigung für andere Plattformen hätte erfolgen können. Wie wir mittlerweile wissen, wurde aus Letzterem erst mal noch nichts, dafür gab es aber gleich drei neue Trailer, einer davon sogar mit Gameplay-Szenen.
"Uh, drei Trailer? Also wissen wir jetzt, was Death Stranding für ein Spiel wird?" Ehrlich gesagt, wenn ihr das jetzt wisst, dann bitten wir euch darum, es uns mitzuteilen. Mit jedem neuen Video, das Sony und Kojima Productions veröffentlichen, haben wir das Gefühl, noch ratloser diesbezüglich zu werden, worum es in Death Stranding geht und was für eine Art Spiel es am Ende sein wird. Aus dem Gameplay-Clip haben wir vor allem eine neue Sache gelernt: Sam, verkörpert von Norman Reedus ("The Walking Dead") kann pinkeln. Es gibt sogar eine Anzeige dafür, wie viele Milliliter Urin in der Blase sind.
Der spielerische Nutzen dieses Features ist uns noch nicht ganz klar. Einerseits ist in dem Trailer zu sehen, wie an der Stelle, an der sich der Protagonist erleichtert hat, ein Pilz wächst. Kojima sagt, dass etwas "Tolles" passiere, wenn mehrere Leute an derselben Stelle urinieren – was auch immer das heißen mag. Genauso seltsam ist die Aussage des Japaners, dass ihr in Death Stranding euren Blasensaft als Waffe einsetzen könnt. Wie das funktionieren soll? Wir haben überhaupt keine Ahnung!
Hollywood-Prominenz und KI-Keighly
Ansonsten haben wir vor allem weitere Charaktere vorgestellt bekommen: Es gibt ein eigenes Video zu Mama, die von Margaret Qualley ("One Upon a Time in Hollywood") gespielt wird und ein unsichtbares Baby hat, das auf der "anderen Seite" zur Welt gekommen ist. Im dritten Trailer ist Deadman zu sehen, dessen Äußeres dem von Regisseur Guillermo del Toro ("Shape of Water", "Pans Labyrinth") entspricht. Der erklärt, warum Sams Baby in einer Kapsel steckt: Es soll glauben, immer noch im Mutterleib zu stecken. Damit dieser Status aufrechterhalten werden kann, muss die Kapsel regelmäßig aufgeladen werden. Aber was genau es damit auf sich hat, wissen wir nach wie vor nicht.
Die dritte Figur, die bei der Opening Night Live vorgestellt wurde, ist eine KI, der Geoff Keighly sein Äußeres, nicht aber seine Stimme leiht. Zur Info: Hideo Kojima und der Moderator sind gut miteinander befreundet und so habe der Game Designer Keighly eben gefragt, ob er nicht eine Rolle in Death Stranding spielen wollen würde. Mehr Gameplay zu Death Stranding soll es übrigens, ihr könnt es euch vielleicht denken, auf der Tokyo Game Show geben. Die beginnt am 12. September.
Konkurrenz für Civilization
Als Hideo Kojima auf die Bühne kam, lief die Opening Night Live bereits seit über anderthalb Stunden. Klar, Death Stranding war das offensichtliche Highlight des Abends und wurde somit ans Ende der Show gepackt. Davor gab es jede Menge andere Trailer und eben auch so manche Neuankündigung. Doch richtige AAA-Premieren waren Mangelware.
So kündigte beispielsweise SEGA das Strategiespiel Humankind an. Das stammt vom Entwickler Amplitude Games, den Machern von Endless Space und Endless Legends. Und Humankind sieht aus, wie, nun ja, ein Klon von Civilization. Bitte, liebe Entwickler, nehmt uns das nicht übel! Wir wissen um die Qualitäten eurer vorherigen Werke und sicherlich wird auch Humankind ganz gut. Aber der Trailer hat eben keine andere Assoziation hervorgerufen als: "Das sieht exakt so aus wie Civilization 6." Ob der Titel doch reichlich eigene Ideen mitbringt, findet ihr spätestens 2020 heraus, wenn er für PC erscheint.
Kommt der Freelancer-Erbe aus Deutschland?
Etwas interessanter wirkt da schon Everspace 2. Der Hamburger Entwickler Rockfish Games hatte bereits im Vorfeld der Messe angeteast, sein neues Spiel in Köln anzukündigen und nun ist bestätigt, dass es sich um die Fortsetzung des Weltraum-Rogue-likes handelt. Nur ist Everspace 2 kein Rogue-like mehr, sondern ein Open-World-Spiel. Es bleibt aber dabei, dass ihr mit einem wendigen Raumschiff durchs All fliegt und allerlei feindliche Schiffe in actionreichen und dank Unreal Engine 4 hübsch anzusehenden Dogfights zu Klump schießt. Sollte das jüngst für PC erschienene Rebel Galaxy Outlaw eure Sehnsucht nach einem geistigen Freelancer-Nachfolger nicht befriedigt haben, gibt es mit Everspace 2 nun einen neuen Hoffnungsträger. Bis der erscheint, dauert es aber noch ein Weilchen. Der Release ist für 2021 geplant.
Neue Hoffnung für Taktik-Shooter-Fans
Ziemlich actionreich wird auch Disintegration, das Erstlingswerk von V1 Interactive, dem Studio des ehemaligen Bungie-Mitarbeiters und Halo-Mitschöpfers Marcus Lehto. In dem Sci-Fi-Shooter soll aber auch Taktik nicht zu kurz kommen. Während ihr mit einem sogenannten Gravcycle durch die Luft fliegt und auf Feinde ballert, befehligt ihr einzigartige Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten, die am Boden kämpfen. Der Titel soll sowohl eine Solokampagne als auch einen umfangreichen Mehrspielermodus bieten und 2020 für PC, PS4 sowie Xbox One erscheinen.
Und sonst so?
Zu den weiteren Neuankündigungen der Opening Night zählen Kerbel Space Program 2, ein neues Comanche von THQ Nordic und Little Nightmares 2 von Bandai Namco. Darüber hinaus hatte das Event einige Trailerpremieren zu bereits angekündigten Spielen zu bieten. Beispielsweise zeigte EA ein erstes richtiges Gameplay-Video zu Need for Speed Heat, das an sich ok aussieht, aber nichts daran ändert, dass wir nach wie vor Zweifel haben, ob Entwickler Ghost Games beim mittlerweile vierten Anlauf doch mal ein gescheites Need for Speed zustande bringt.
Außerdem gab es erste Spielszenen aus dem Multiplayer-Shooter Predator: Huntin Grounds von IllFonic (Friday the 13th: The Game), einen neuen Trailer zu Destiny 2: Shadowkeep, es wurde eine PS4-Alpha zu Call of Duty: Modern Warfare angekündigt (findet am Wochenende statt und lässt euch den "Gunfight"-Modus spielen), die Switch-Version von The Witcher 3: Wild Hunt hat einen Release-Termin (15. Oktober) und Microsoft zeigte einen Story-Trailer zu Gears 5.
Alles in allem war die Opening Night Live eine nette Veranstaltung: kurzweilig, reich an Themen und mit einem richtigen Highlight am Ende. Aber abseits von Death Stranding war es eben auch nur nett, nicht weltbewegend, nicht auf dem Niveau einer guten E3-Pressekonferenz. Nichtsdestotrotz hoffen wir, dass sich das Ganze in den kommenden Jahren so fortsetzt. Und vielleicht wird das Niveau der Ankündigungen dann ja auch noch weiter ansteigen.