Ich mag es nicht, wenn man mir gegen meinen Willen Dinge auf dem Silbertablett serviert, die ich mir eigentlich erspielen möchte.
Liebe Entwickler, hört auf, Spielfortschritt zu verschenken!
Geschenke sind eigentlich eine schöne Sache. Darauf werden wir schon von Kindheitstagen an konditioniert. Warum hat man sich jedes Jahr auf den eigenen Geburtstag oder Weihnachten gefreut? Nicht, weil das eigene Alter um +1 gestiegen ist oder ein geschmückter Tannenbaum das heimische Wohnzimmer erleuchtet hat. Der Grund, warum man schon Tage zuvor nicht ruhig schlafen konnte, waren die Geschenke: die große Bausteinritterburg, der dicke Spielzeug-LKW und in späteren Jahren eine neue Konsole, Videospiele oder Filme auf DVD.
Heutzutage freue ich mich vielleicht nicht mehr ganz so sehr über Geschenke wie als Kind, da ich mir vieles selbst leisten kann. Aber Freude ist immer noch da – wenn ich denn auch das, was ich geschenkt bekomme, überhaupt haben möchte. Fortschritt in Videospielen gehört nicht dazu. Immer wieder stolpere ich über Fälle, wo mir der Entwickler sein Spiel erleichtert beziehungsweise die Zeit, etwas freizuschalten, erspart, weil ich mir eine spezielle Version seines Titels gekauft habe. Zugegeben, von einem Geschenk kann man an dieser Stelle eigentlich nicht sprechen, schließlich habe ich Geld bezahlt. Aber das ist ja eigentlich für etwas anderes gewesen: für das Spiel selbst und gewisse Zusatzinhalte, die ich haben wollte.
Wenn sich der Karrierestart nicht wie einer anfühlt
Um mein Problem deutlicher zu machen, ein aktuelles Beispiel: Ich habe schon eine Weile DiRT Rally 2.0 in meiner Steam-Bibliothek, dem Humble Bundle sei Dank. Jüngst hatte ich Lust, die Rallyesimulation mal auszuprobieren. Mir war einfach danach, virtuell Gas zu geben, durch schicke Landschaften zu rasen und das alles im Rahmen eines motivierenden Karrieremodus zu tun. Nun bin ich jemand, der eine Macke hat (na gut, viele Macken, aber nur die eine ist an dieser Stelle von Bedeutung): Ich kann ein Spiel nicht spielen, ohne die DLCs zu besitzen, die es dafür gibt. Im Fall von DiRT Rally 2.0 wusste ich: Es gibt mehrere zusätzliche Autos und Strecken, letztere werden in den Karrieremodus integriert, ich brauche sie demnach unbedingt. Also habe ich mir für knapp 20 Euro das Paket mit nahezu allen Download-Inhalten gesichert.
Ich schaute ziemlich verdutzt drein, als ich nach der Profilerstellung die 2,4 Millionen Credits auf dem Konto und 20 Autos in meiner Garage bemerkte. Ich stand doch schließlich erst ganz am Anfang meiner Rallyefahrerkarriere. Wieso habe ich dann schon eine so große Auswahl an Wagen, sodass ich gar nicht mit der leistungsschwächsten, aber eben auch anfängerfreundlichsten Karre loslegen muss, sondern direkt in eine hochmotorisierte Maschine einsteigen kann? Mit dem prallgefüllten Bankkonto musste ich mir auch keine Sorgen um Reparaturen machen, die ließen sich schließlich aus der Portokasse bezahlen. Zudem hätte ich mir jederzeit weitere flotte Flitzer im Shop kaufen können, anstatt sie mir erst in vielen Spielstunden erarbeiten zu müssen.
Ich, der unzufriedenste Millionär der Welt
Ich weiß, was manch einer von euch nun denkt: "Was ist denn dein Problem, Jens? Sei doch froh, dass du direkt die coolen Autos fahren kannst!" Manche Leute mag so was nicht stören, ganz im Gegenteil. Ich habe es schon auf YouTube mitbekommen, wie sich jemand darüber aufgeregt hat, in Need for Speed Heat erst mal mit recht lahmen Wagen anfangen zu müssen. Die würden gar keinen Spaß machen, die schnellen Wagen muss man sich aber mühsam erspielen, deswegen sei das Spiel doof.
Nun bin ich ein Fan von guten Karrieremodi in Rennspielen. Viele Genrevertreter scheitern an dieser Stelle. DiRT Rally 2.0 macht seinen Job eigentlich ganz gut – nicht so gut wie der indirekte Vorgänger DiRT 4, aber mit einem groben Teammanagement, einer Aufteilung der Karriere in Saisons und der Motivation, in die höchste Liga aufzusteigen, ist doch einiges geboten. Nun startete in eben diesem Karrieremodus mit viel Geld und jeder Menge Autos und schon war die Motivation weg, das Spiel zu spielen. Ich fühlte mich nicht mehr wie der Newcomer, der Underdog im Rallyesport, sondern wie ein reicher Schnösel, der vielleicht nicht das Ansehen der großen Profis hat, aber bereits eine größere Fahrzeugauswahl als sie.
Damit will ich nicht sagen, dass die spielerische Herausforderung durch diese enormen Startboni eliminiert gewesen ist. DiRT Rally 2.0 ist ein ziemlich anspruchsvolles Spiel, bei dem es sehr auf die eigenen Fähigkeiten am Steuer ankommt. Einfach die schnellste Karre zu kaufen, wird mich nicht an die Spitze der Weltrangliste hieven. Trotzdem hatte ich direkt keine Lust mehr auf das Spiel.
Auch du, mein Forza?
DiRT Rally 2.0 ist nicht das einzige Spiel, bei dem mich so etwas stört. Meine absolute Lieblingsrennspielreihe kann es auch nicht lassen, mir Spielfortschritt zu schenken, wenn ich doch eigentlich nur alle DLCs haben möchte. Die Rede ist von Forza Horizon. Ich habe mir damals die teure Ultimate Edition des dritten Teils gekauft. Warum? Ganz einfach: Ich wusste vorab, dass ich den Titel sehr lange spielen werde. Mir war klar, dass ich alle Erweiterungen haben möchte, sobald sie erhältlich sind und dass es mich mehr kosten würde, sie einzeln zu kaufen, als wenn ich zur Komplettedition greife. Alles super also? Nicht für mich!
Teil der Ultimate Edition ist auch die VIP-Mitgliedschaft. Die verschafft einerseits Zugriff auf exklusive Autos, zum anderen sorgt sie dafür, dass ich dauerhaft die doppelte Summe bei jedem Credit-Gewinn per Wheelspin erhalte. Das bedeutet, ich verdiene deutlich schneller das nötige Kleingeld, um mir neue Wagen kaufen zu können. Obendrein bekommt man sämtliche DLC-Autos, wenn man die entsprechenden Pakete für echtes Geld gekauft hat, in Forza Horizon 3 selbst geschenkt. Ich muss sie mir dort nicht erst erspielen.
"Gratisautos" bleiben in meiner Garage
Über beide Punkte kann man geteilter Meinung sein. Ich behaupte nicht, dass ich Recht habe und jeder, der das Gegenteil vertritt, falsch liegt. Aber ich möchte weder dauerhaft doppelt so viele Credits verdienen wie jemand, der kein VIP ist, noch will ich DLCs-Autos geschenkt bekommen, auch wenn ich bereits Geld dafür ausgegeben habe. Viele würden sich ärgern, wenn sie Summe X in Euro für den Autopass ausgeben und dann aber im Spiel erst grinden müssten, bis sie sich mal in eine der DLC-Karren setzen dürfen. Das kann ich auch verstehen, aber ich möchte genau das. Ich zahle in so einem Fall, weil ich mehr Inhalt haben möchte, nicht, weil ich sofort einen bestimmten Sportflitzer fahren will, wo ich für vergleichbare Wagen aus dem Hauptspiel erst Millionen Credits farmen müsste.
Im Endeffekt läuft es aufs folgende Wunschszenario hinaus: DLC-Autos in Forza Horizon 3 landen nicht automatisch in der virtuellen Garage, sondern ich müsste sie sozusagen erst im Spiel annehmen. Das geht über den internen Marktplatz. Genau das mache ich dann schlichtweg nicht, zumindest nicht in der Frühphase meiner Karriere. Und das bedeutet wiederum, dass ich Geld für Inhalt ausgegeben habe, den ich lange Zeit gar nicht nutze. Das ist schon dumm, muss ich selbst zugeben. Aber für mich würde es sich wie Cheaten anfühlen, direkt zum Start eines neuen Spiels beispielsweise mit einem Koenigsegg Regera (der ist Teil des VIP-Passes von Forza Horizon 3) über die Pisten zu brettern.
Ich spiele doch so ein Rennspiel auch deshalb, weil es mir Spaß macht, mir solche teuren Luxuskarossen zu erarbeiten. Sie dann nach etlichen Stunden zu fahren, fühlt sich genau deshalb so viel belohnender an, als hätte ich sie schon von Anfang an. Hätte man mir damals in Need for Speed: Underground zum Start nicht einen VW Golf GTI oder Honda Civic zur Auswahl gestellt, sondern gleich die Schlüssel für einen Nissan Skyline GT-R in die Hände gedrückt (den man erst spät im Spielverlauf freigeschaltet hat), wäre die komplette Grundidee des Spiels irgendwie witzlos gewesen.
Kein reines Rennspielproblem
Nicht nur Rennspiele nerven mich mit solchen Dingen. Ich habe es auch schon in Rollenspielen oftmals erlebt, dass ich irgendeine besondere Rüstung oder Waffe zum Spielstart bekommen habe, weil ich entweder eine Sonderedition gekauft oder das jeweilige Spiel vorbestellt habe (im Sinne von: Ich habe es einen Tag vor Release gekauft, damit es pünktlich auf meiner Festplatte ist – ich bestelle nichts Wochen oder gar Monate im Voraus vor). Was tue ich in solchen Fällen? Ich zerstöre die entsprechenden Items, schmeiße sie weg oder, wenn beides vom Spiel blockiert wird, lasse sie in meinem Inventar verrotten, ohne sie einmal anzulegen. Ich will keinen Startbonus, der mir den Einstieg erleichtert. Haltet mir so etwas vom Leib, liebe Entwickler!
Lasst mir doch die Wahl!
Zum Abschluss ein Kompromissvorschlag, da ich weiß, dass es genug Spieler gibt, die solche Angebote gerne annehmen: Die Hersteller sollten all diese Spielfortschrittbeschleuniger und -geschenke, die Teil von DLC-Paketen sind, optional machen. Ich würde es mir wirklich wünschen, dass bei einem Forza Horizon 5 die VIP-Mitgliedschaft einfach ein separater Key ist, den ich zur Ultimate Edition dazu erhalte. Und lasst mich doch bei den DLC-Autos wählen, ob ich sie mir noch erspielen muss oder nicht! Dann bin ich zufrieden und jeder andere, der nicht meiner Meinung ist, kann sich weiterhin beschenken lassen. Gleiches gilt für die DLCs eines DiRT Rally. Macht wenigstens die Credit-Pakete zu einem optionalen Element und zwingt mich nicht dazu, 2,4 Millionen auf dem Konto zu haben, wenn ich doch eigentlich nur mehr Inhalt haben möchte!
Codemasters ist es in diesem Fall vielleicht egal, was ich hier schreibe. Die Briten haben ihr Geld von mir erhalten und rein aus finanzieller Sicht kann es ihnen egal sein, ob ich DiRT Rally 2.0 nun noch spiele oder nicht. Wobei eine Sache klar sein dürfte: Weitere DLCs für den Titel werde ich ganz sicher nicht mehr kaufen. In Zeiten von Servicegames und dem Wunsch von Herstellern, die Spieler an ein Produkt zu binden, macht es Codemasters dann vielleicht doch was aus, dass so Leute wie meine Wenigkeit das Interesse verlieren. Aber vermutlich gehöre ich eh zu einer Minderheit, die sich auf dem Papier kaum auf den Langzeiterfolg eines Spiels auswirkt. Oder sehen das etwa ganz viele von euch genauso wie ich? Schreibt es mir doch in die Kommentare!