Holt das Hawaiihemd aus dem Schrank und dreht Nenas "99 Luftballons" auf: GTA: Vice City feiert runden Geburtstag und wir blicken auf den Klassiker zurück.
GTA – Vice City: Der beste(?) Teil wird 20 Jahre alt
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich 2002 von einem guten Schulfreund erfuhr, dass er GTA: Vice City für die PlayStation 2 hat und in mir sofort das Bedürfnis geweckt wurde, ihn zu besuchen und dieses berühmte Actionspiel einmal selbst zu zocken. Die PC-Version war damals noch nicht erschienen und außer einem alten SNES hatte ich keine Konsolen (ein Umstand, der sich später noch bei GTA: San Andreas und GTA 4 wiederholen sollte). Ich weiß auch noch sehr gut, dass Vice City das erste Videospiel mit Splatter-Effekten gewesen ist, das ich gesehen und selbst gespielt habe. Die deutsche Fassung war eigentlich stark zensiert, doch im Fall der Erstauflage war es kein großes Problem, diese Schnitte zu deaktivieren, so dass man sich trotzdem an fliegenden Köpfen und Blutfontänen erfreuen konnte. Ja, ich meine das so, wie ich es schreibe. Meinem 12-jährigen Ich hat das gefallen – und doch ist etwas Vernünftiges aus mir geworden.
Mit der 2003 erschienen PC-Portierung war es mir endlich möglich, selbst durch Vice City zu brettern und in das Leben eines Gangsters einzutauchen, ohne ständig meinen Schulfreund anflehen zu müssen, ob ich nicht doch nochmal einen Nachmittag bei ihm abhängen darf (und ja, er war wirklich ein Freund und nicht nur "der Typ mit der PlayStation 2"!). Gott, was habe ich dieses Spiel geliebt. Wie viele Stunden ich in der an Miami angelehnten Stadt verbracht habe, um mich vom kleinen Handlanger eines Mafiabosses zum Herrscher eines eigenen kriminellen Imperiums hochzuarbeiten.
"Scarface", aber anders
Thomas "Tommy" Vercetti ist bis heute für mich immer noch der coolste GTA-Protagonist. Ja, Nico Bellic aus Teil 4 ist ein fantastisch geschriebener Charakter und Michael Townley aus GTA 5 finde ich ebenfalls sehr stark, aber keinen von den beiden würde ich als cool bezeichnen. Dass sich Rockstar für Tommy und generell die Handlung sehr viel von "Scarface" abgeschaut hat, war mir vor 20 Jahren natürlich nicht bewusst. Von dem Brian De Palmas Kultfilm aus dem Jahr 1983 hatte ich bis dato noch nie etwas gehört. Das änderte sich erst drei Jahre später mit der offiziellen Videospieladaption Scarface: The World Is Yours.
Was mir selbstverständlich nicht entgangen ist: das 80er-Jahre-Feeling. Ich habe zwar aufgrund dessen, dass ich Jahrgang 1989 bin, von dem Jahrzehnt quasi nichts mitbekommen, aber ich mag den Style, die Musik, einfach die gesamte Popkultur aus der Zeit. Ich würde zwar im echten Leben nicht in einem Hawaiihemd durch Berlin laufen wollen, aber wenn ich als Tommy am Strand von Vice City mit einem Motorroller entlangfahre und sein türkises, mit Palmblättern bestücktes Oberteil im Wind flattert, finde ich das unglaublich toll. Dazu noch die Neonlichter der Stadt und die schöne 80er-Musik von einem der vielen Radiosender, die GTA: Vice City zu bieten hat, und ich bin überglücklich.
Nicht nur wegen der Musik Kult
Der Soundtrack des Spiels hat einfach ein Extralob verdient. Meine Güte, sind da viele Klassiker dabei! "Billie Jean" von Michael Jackson, "Owner of a Lonely Heart" von Yes, Slayers "Raining Blood", Cutting Crews "(I Just) Died in Your Arms" und ja, auch "99 Luftballons" von Nena – und ich könnte noch so viel mehr Songs aufzählen.
GTA: Vice City enthält aber nicht nur ikonische Musik, Rockstar hat auch selbst viel Ikonisches kreiert. Denken wir nur mal an Nebenfiguren wie den Anwalt Ken Rosenberg oder die Hard-Rock-Band Love Fist, um die sich auch eine der besten Missionen des Spiels dreht, in der ihr mit ihrer Limousine à la "Speed" eine Mindestgeschwindigkeit nicht unterschreiten dürft, weil sonst eine Bombe hochgeht. Der Dialog, der dabei läuft, ist einfach unfassbar witzig.
Nicht weniger legendär, wenn auch berüchtigt, ist die Mission "Demolition Man", in der man mit einem ferngesteuerten Minihubschrauber mehrere Bomben auf einer Baustelle platzieren muss, was die dort tätigen Arbeiter zu verhindern versuchen. Ja, dieser Auftrag ist enorm frustrierend gewesen, weil sich der Helikopter furchtbar gesteuert hat. Ich selbst habe etliche Anläufe gebraucht, bis ich es mal geschafft habe, innerhalb des Zeitlimits alle Sprengsätze zu legen, ohne dass das Spielzeug dabei kaputtgeht. Aber gebt es doch zu: Dem Spiel würde doch was fehlen, wenn es diese Mission nicht gegeben hätte, oder?
Der König der GTAs? Hmmm …
Würde man alle GTA-Fans auf der Welt fragen, was ihr Lieblingsteil ist … Na gut, vermutlich würden die meisten mit GTA 5 antworten, immerhin ist es das am zweitmeisten verkaufte Videospiel aller Zeiten und nicht wenige der 169 Millionen Käufer dürften alt genug sein, um den Release von GTA: Vice City überhaupt aktiv miterlebt zu haben. Aber ich würde wetten, dass, wenn man nur diejenigen fragt, die alle Serienteile gespielt haben, der Großteil das zweite 3D-Spiel der Reihe als seinen Favoriten bezeichnen würden. Vice City ist meiner Ansicht nach das kultigste GTA und mit der Meinung stehe ich ganz sicher nicht allein da.
Allerdings: Ist es auch wirklich der beste Teil? Nun, da komme ich dann doch ins Grübeln. Sicherlich hat mir persönlich sein Setting mehr zugesagt als das 90er-Ghetto-Drama von GTA: San Andreas. Spielerisch hat der Nachfolger aus dem Jahr 2004 aber einfach so viel mehr zu bieten: eine größere und abwechslungsreichere Spielwelt, mehr Vehikel und mehr Interaktions- sowie Anpassungsmöglichkeiten für Hauptcharakter CJ.
Gut, rein auf Gameplay bezogen, kommt aus heutiger Sicht nichts an GTA 5 vorbei. Aber es wäre unfair, Vice City und die anderen alten Teile mit dem jüngsten Ableger (der mittlerweile auch schon neun Jahre auf dem Buckel hat) zu vergleichen. Wenn ich also nun jedes der Spiele im Kontext seiner Zeit betrachte … Ne, auch dann ist GTA: Vice City nicht mein klarer Favorit – zumindest steht es nicht allein auf Platz 1, sondern zusammen mit San Andreas. Vice City ist das coolere, ikonischere Spiel, die Fortsetzung hat spielerisch die Nase vorn.
Ein unsterblicher Klassiker ist GTA: Vice City in jedem Fall. Na gut, so ganz unsterblich ist es leider nicht, denn die Originalversion ist offiziell leider gar nicht mehr erhältlich. Danke, Rockstar! Aber hey, es gibt ja die Definitive Edition! … Ja, nun, das ist ein schwieriges Thema, das ich an dieser Stelle gar nicht weiter beleuchten möchte. Das würde dann doch den Rahmen sprengen. Ja, mag sein, dass mittlerweile Patches die gröbsten Probleme beseitigt haben, aber den Beinamen Definitive Edition hat sich die Neuauflage (genau wie die von GTA 3 und San Andreas) nicht im Geringsten verdient.