Jens hat an der gestrigen gamescom Opening Night Live wenig Gefallen gefunden.
gamescom Opening Night Live: Zwei Stunden, die ich nicht zurückbekomme
2019 fand die gamescom Opening Night Live zum ersten Mal statt, damals vor Publikum in Köln, und sie war…ok. "Nicht mehr, aber auch nicht weniger", haben wir damals geschrieben und ich stehe der Premierenausgabe der Show auch heute noch ähnlich neutral gegenüber. Die zweite Opening Night Live, die gestern live ausgestrahlt wurde, hingegen… Nun, über die habe ich nicht viele positive Worte zu verlieren. Das hat nichts damit zu tun, dass Geoff Keighley in einem Studio in Los Angeles stand und überhaupt kein Show-Feeling aufkam. Erstens leben wir nun mal in Zeiten einer Pandemie und zweitens ist mir sowas bei einer Präsentation neuer Spiele-Trailer ziemlich schnuppe. Wichtig sind die Inhalte und genau die haben mich schwer enttäuscht. Dabei hatte ich gar nicht mal so hohe Erwartungen.
Meine Erwartungshaltung war schon nicht so hoch
Was habe ich denn gedacht, was bei der gamescom Opening Night Live hätte gezeigt werden können? Ich habe sicherlich nicht mit einem neuen Trailer zu Elden Ring, dem kommenden Open-World-RPG von From Software gerechnet. Auch nicht damit, dass Sony den Release-Termin und Preis der PlayStation 5 nennt. Und mit Neuankündigungen großer Blockbuster schon gar nicht! Die gamescom war schon immer, rein in Bezug auf News, eine ziemlich unspektakuläre Veranstaltung und daran wird sich vermutlich auch nie etwas ändern.
Doch das heißt nicht, dass in diesem Jahr mit gar keinen interessanten Nachrichten zu rechnen war. Ich hätte zum Beispiel gedacht, dass Piranha Bytes endlich mal Elex 2 aus dem Sack lassen würde, nachdem das 2019 nicht passiert ist. Aber nein, zumindest bislang fehlt immer noch jede Spur von dem Rollenspiel. Außerdem hätte ich Geld darauf gewettet, dass es einen neuen Trailer zu Biomutant samt Verkündung eines Release-Termins geben würde, allerdings diente Publisher THQ Nordic auch damit nicht. Vor allem hatte ich aber darauf gehofft, nicht wieder nur Render-Trailer serviert zu bekommen, die keinerlei Aussagekraft darüber haben, was uns im jeweiligen Spiel erwartet (spielerisch wie technisch).
Ein gutes Setting allein reicht nicht für eine erinnerungswürdige Ankündigung
Nun gut, zur Verteidigung der gamescom Opening Night Live: So viele Render-Trailer gab es gar nicht. Aber wenn etwas Neues angekündigt wurde, dann eben mit so einem nichtssagenden Video. Man schaue sich nur mal Unknown 9 an. Das ist ein Action-Adventure mit einem unverbrauchten Setting, denn ihr spielt ein junges Mädchen, das auf den Straßen Kalkuttas großgeworden ist. Nennt mir mal irgendein anderes bekannteres Spiel aus dem Westen, das in Indien spielt! Doch ich bin ehrlich: Ich habe den Namen sofort wieder vergessen, weil mir außer dem Szenario nichts von Unknown 9 in Erinnerung geblieben ist – nicht mal für zehn Minuten. Liebe Entwickler: Gerade dann, wenn ihr neue Marken versucht zu etablieren (was ich vollkommen begrüße), dann spart euch das Geld für Render-Trailer und wartet mit der Ankündigung, bis ihr wirklich was von eurem Spiel zeigen könnt! Dann bleibt es mir auch im Gedächtnis.
Kleines Spiel, große Stimmen
Ein positives Beispiel wäre Twelve Minutes. Das Adventure von Publisher Annapurna Interactive wurde auf der E3 2019 erstmals in größerem Stil präsentiert (tatsächlich war es schon auf der PAX East 2015 spielbar, bestand damals aber nur aus Platzhaltergrafiken und wurde nicht auf irgendeiner großen Bühne gezeigt) und das mit Gameplay. Gestern zeigte man einen erneuten Trailer und ich wusste sofort wieder, um welches Spiel es sich handelt und worum es darin geht.
Zugegeben, Twelve Minutes hat auch ein verdammt genial wirkendes Konzept: Es ist ein Kammerspiel, in dem der Hauptcharakter in einer Zeitschleife gefangen ist und immer wieder dieselben zwölf Minuten erlebt. Mit euren Entscheidungen verändert ihr den Verlauf der Geschehnisse, dabei blickt die Kamera stets von oben auf das Wohnzimmer, in dem der Protagonist und seine Frau zu Abend essen, bevor ein Polizist zur Tür hereinbricht und die Gattin des Mordes an ihrem eigenen Vater bezichtigt.
Nicht nur, dass der erste Trailer von 2019 richtig gut gewesen ist, auch das jüngste Video macht genau das, was es machen muss: mir zeigen, was mich in dem Spiel erwartet. Zudem ist es schön zu hören, dass der Entwickler mit James McAvoy (X-Men), Daisy Ridley (Star Wars) und Willem Dafoe ("Spider-Man") Hollywood-Stars als Sprecher für die drei Figuren gewonnen hat.
Star Wars rockt, WoW langweilt
Von solchen kleinen Highlights gab es noch ein paar weitere bei der gamescom Opening Night Live. Zum Beispiel wurde ein Gameplay-Trailer zu LEGO Star Wars: Die Skywalker-Saga gezeigt, der richtig gut aussieht. Das Spiel kommt zwar nun erst 2021, aber mir hat das Video auf jeden Fall mehr Lust auf den Titel gemacht, obwohl mich die LEGO-Spiele seit spätestens dem ersten LEGO Batman nicht mehr interessiert haben. Andere gute Trailer waren etwa die zu Star Wars: Squadrons (auch wenn mich persönlich das Spiel nicht so sehr interessiert) und Mafia: Definitive Edition (das ich wiederum kaum erwarten kann).
Im Gegensatz dazu fand ich wiederum den Teil rund um World of Warcraft: Shadowlands furchtbar. Ich habe viele Stunden meines Lebens in Azeroth verbracht und auch wenn ich vermutlich nicht zum Launch des neuen Add-ons in die Fantasy-Welt zurückkehren werde, interessiert es mich schon, was es so mit sich bringt. Doch ein fast sieben Minuten langer Kurzfilm, der auf die Story der Erweiterung vorbereiten soll, statt schicker Render-Optik in gewohnt hoher Blizzard-Qualität aber nur animierte Artworks bietet, ist für jemanden, der WoW nicht aktiv spielt, elendslangweilig. Immerhin wurde danach noch verraten, wann "Shadowlands" erscheint (27. Oktober). Trotzdem: Den Film auf einer Veranstaltung in voller Länge zu zeigen, die nicht von Blizzard abgehalten wird, wirkt ziemlich deplatziert.
Next-Gen-Grafikfeuerwerk und VR-Schmankerl
"Gab des denn keine richtigen Kracher bei der gamescom Opening Night Live?" Gut, dass ihr fragt. Nun, das kommt darauf an, wie ihr das Wort "Kracher" definiert. Sicherlich wäre die Gameplay-Demo von Ratchet & Clank: Rift Apart, die ganz zum Schluss gezeigt wurde, ein richtiger Kracher gewesen, wenn wir zuvor noch keine Spielszenen von dem Titel gesehen hätten. Um genau zu sein: wenn wir noch nicht diese Szenen vorher gesehen hätten.
Entwickler Insomniac Games hat nämlich eine erweiterte Fassung der Demo gezeigt, mit der man das Spiel beim "The Future of Gaming"-Event von Sony im Juni angekündigt hat. So viel Neues gab es also nicht, aber das ändert nichts daran, dass das Actionspiel immer noch verdammt gut aussieht. Zudem wissen wir nun, dass es im Launch-Fenster der PS5 erscheinen soll, also vermutlich irgendwann im Frühjahr 2021.
Mein eigentliches Highlight ist aber Medal of Honor: Above and Beyond. Die Ankündigung des VR-exklusiven Comebacks der Shooter-Reihe liegt nun schon fast ein Jahr zurück und seitdem herrschte Funkstille. Doch gestern präsentierten EA und Entwickler Respawn einen neuen Trailer mit reichlich Gamplay-Szenen und verrieten obendrein, dass das Spiel noch in diesem Jahr erscheinen soll. Für mich, der sich im Frühling eine Oculus Quest samt passendem Kabel zur Nutzung am PC gekauft hat und von der Virtual Reality vollkommen begeistert ist, ist das Kriegsspiel somit zu einem Must-have-Titel 2020 geworden – auch, weil das gezeigte Material einen richtig guten Eindruck hinterlässt, spielerisch und inszenatorisch. Die Landung am Omaha Beach am D-Day hautnah erleben? Wenn es sich dann nicht anfühlt, als wäre ich direkt am Set von "Der Soldat James Ryan" gelandet (nur ohne Tom Hanks), dann weiß ich auch nicht.
Kein gelungener Abend
Trotz dieser Lichtblicke war die gamescom Opening Night Live eine wenig spannende, wenig unterhaltsame Show, deren zwei Stunden Laufzeit sich wie drei anfühlten. Am Ende des Abends dachte ich mir nur: "Warum hast du dir das jetzt nochmal live und in Gänze angeschaut, statt später einfach nur die interessanten Trailer nachzuholen?" Dann fiel mir wieder ein, dass für mich ja berufliches Interesse daran bestand und damit hatte sich die Frage erledigt. Aber wenn ich ehrlich bin: Ich hätte gestern lieber den ganzen Abend lang gezockt. Und das Empfinden habe ich nun auch nicht nach jeder Präsentation dieser Art.