Totgeglaubte leben länger, sagt der Volksmund. Man möchte ihm glauben, denn es gibt zu viele großartige Franchises, die von uns gegangen zu sein scheinen. Drei haben wir euch exemplarisch herausgesucht.
Diese toten Serien verdienen ein Comeback
In ihrem Buch "Interviews mit Sterbenden" beschreibt die Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross fünf Phasen der Akzeptanz: Die Hoffnung auf Irrtum, Frage nach dem Warum, der Wunsch nach mehr Zeit, die Reue wegen ungenutzter Chancen und die Abkopplung von der Umwelt. Mediziner haben das Modell inzwischen tausendfach de- und rekonstruiert, die Sache stellt sich wohl wie so oft etwas komplizierter dar. Vielleicht liegt es daran, dass die Industrie simpleren (kompromissloseren) Regeln unterliegt als das menschliche Sein. Aber jeder, der schon mal den Tod einer geliebten Videospielreihe verarbeiten musste, wird sich in Kübler-Rosses fünf Phasen wiederfinden.
Half-Life
Letzter Teil: 16. November 2004
Nächster Teil: Wenn Gabe Newell die Lust am Trollen verliert
"First things first", wie die australische Denkerin Iggy Azalea 2014 geistreich postulierte. Half-Life ist das Paradebeispiel für die brennende Sehnsucht einer Fanbase nach der Wiederkehr einer Serie. Es muss schon Bedarf herrschen, wenn aus dem Wunsch nach einer Fortsetzung ein Meme wird. Inzwischen hat der Running Gag “Half-Life 3 confirmed” sogar schon die nächste Eskalationsstufe erreicht: Gabe Newell, Chef von Half-Life-Entwickler Valve und Hauptadressat der zahlreichen Bittgesuche in Sachen Fortsetzung, ist längst auf den Zug aufgesprungen. In einem Promo-Video für das Dota 2 International-Turnier nahm Newell das Thema auf die Schippe.
Aber viraler Spaß beiseite, Half Life und Half Life 2 gehören zu den besten First-Person-Shootern aller Zeiten. Das Original erschien 1998 und hatte eine für die damalige Zeit reife Story in einem einzigartigen Setting. In Half-Life schlüpft ihr in die Rolle von Gordon Freeman. Der Physiker experimentiert für die US-Regierung in der abgelegenen Forschungseinrichtung Black Mesa, um neuartige Energiequellen zu entwickeln. Als ein Experiment mit außerirdischen Kristallen schiefgeht, öffnen sich Tore zu einer Dimension, die äußerst streitbare Kreaturen beherbergt. Auf eurer Flucht vom Gelände kommen euch zudem noch Marines in die Quere, die Zeugen beseitigen – Montage.
Was Half-Life wirklich so einflussreich macht, ist allerdings das Game Design. Statt in gestelzten Cut-Scenes lieblos aneinander gereiht zu sein, ist die Story in Half-Life fast nahtlos ins Gameplay verwoben. Die Gegner-KI ist auf einem Niveau, das kein Game vor Half-Life auch nur in Aussicht gestellt hat. Auch die Physik-Engine suchte damals ihresgleichen und lieferte die Basis für andere revolutionäre Titel, zum Beispiel Counter Strike. Teil 2 legte technisch noch einmal eine ordentliche Schippe drauf und tat alles besser, was Teil schon so gut getan hatte. Man möchte also schwer hoffen, das Gabe Newell sich irgendwann erbarmt und sich noch einmal am Einmaleins versucht.
Wars
Letzter Teil: 21. Januar 2008
Nächster Teil: Wenn genug Spieler wegen Pokémon GO den Löffel abgegeben haben
Krieg ist unbarmherzig. Krieg ist höllisch. Krieg ist – putzig? Nintendos Wars-Serie zeichnet jedenfalls ein äußerst schnuckeliges Bild von militärischen Auseinandersetzungen. Kleine Männchen mit Knopfaugen und Kalashnikov stehen mitunter bauchigen Panzern in Rosa oder Himmelblau gegenüber, um von selbigen cartooniger vom Bildschirm geballert zu werden als Wile E. Coyote nach drei Liter Cola. Aber hinter dem knalligen Look verbirgt sich innovative, bestens ausbalancierte und vor allem beinharte Militärstrategie auf Rundenbasis. Im Westen wurde die Franchise erst mit dem Titel Advance Wars bekannt, der 2001 für den Gameboy Advance erschien. Was viele nicht wissen: Die Serie ist viel älter. In Japan erschien schon 1988 das Debut Famicom Wars für die gleichnamige Konsole (der Famicom ist die japanische Version des NES). Advance Wars war bereits der siebte Titel der Reihe.
Das grundlegende Spielprinzip ist dabei aber immer gleich geblieben. Ihr bewegt Truppenverbände auf einer durch ein Gitter in kleine Felder aufgeteilte, rechteckige Karte. Pro Runde, die einem Tag entspricht, könnt ihr eure Truppen jeweils einmal bewegen. Wie weit und in welche Richtung hängt vom Gelände der Felder ab, über die ihr euch bewegen wollt, und dem Einheitentyp, den ihr bewegt. Unter anderem gibt es Infanterie, Artillerie, Luft- und Marineeinheiten mit jeweils unterschiedlichen Bewegungs- und Kampfattributen. Auf der Karte sind zudem verschiedene Gebäudeanlagen wie Städte und Rüstungsfabriken verteilt, die ihr erobern könnt. Faktoren wie Munition und Treibstoff und Spezialfähigkeiten unterschiedlicher Generäle in den späteren Teilen bieten zusätzlich taktischen Tiefgang.
Wars ist der Inbegriff von "einfach zu lernen, schwierig zu meistern" und kombiniert anspruchsvolle Taktik mit einfachem Zugang. Durch den Rundenrhythmus lassen sich auch die haarigsten Gefechte spontan zur Seite legen und später wieder aufnehmen. Das ist es auch, was Fans seit Jahren in den Wahnsinn treibt: Mit Advance Wars: Dark Conflict erschien auf dem Nintendo DS das letzte Game der Reihe genau vor dem Durchbruch moderner Mobile Games. Dabei ist Wars perfekt für Smartphones. Aber statt ein neues Wars für iOS und Android zu entwickeln, lässt uns Nintendo in dunklen Hinterhöfen zwischen Sondermüll und Leichenteilen nach unterlevelten Taubsis kramen, ohne dabei wenigstens Geld zu verdienen.
Chrono
Letzter Teil: 18. November 1999
Nächster Teil: Vor 500.000 Jahren, sofern ihr den richtigen Side Quest erfüllt.
Die Neunziger platzen nur so vor legendären Rollenspielen aus einem gewissen länglichen Inselstaat vor der asiatischen Pazifikküste. Leider legt nicht jede japanische RPG-Serie eine Standfestigkeit an den Tag wie Final Fantasy, Persona oder Dragon Quest. Suikoden, Earthbound und leider Gottes auch Chrono haben seit Jahrzehnten nichts mehr von sich hören lassen. Vielleicht ist es der beste Beweis dafür, dass Zeitreisen nie möglich sein werden. Es ist nur schwer vorstellbar, dass jemand, der zu Zeitreisen fähig ist, die Gelegenheit auslässt, eines der besten aller Rollenspiele wiederzubeleben, dass auch noch Zeitreisen thematisiert. Zumal die nerdige Schnittfläche der Kreise Physiker und Gamer bekanntlich groß ist. Klar gibt es bedeutendere Probleme der Weltgeschichte, die sich korrigieren lassen. Aber das macht erstens nicht so viel Spaß und hat zweitens keine Eile, weil Zeitreisen eben. Baby-Hitler lässt sich auch später/früher noch erdrosseln.
Warum ausgerechnet Chronos den Vorrang vor diversen anderen JRPGs hat, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Perfektion. Chrono Trigger und seine Fortsetzung Chrono Cross haben ihrer Zeit das Rad nicht neu erfunden, sondern alle dagewesenen Bestandteile zu dem radigsten Rad zusammengefügt, das je geradet hat: Artwork aus der Feder eines legendären Künstlers (Dragonballs Akira Toriyama), ein Soundtrack, der eines Orchesters würdig ist, eine bunte Riege einzigartiger Charaktere und eine epische Geschichte von biblischen Ausmaßen.
In Chrono Trigger begibt sich der namensgebende Held Chrono auf die Reise durch die Zeit, um die Welt vor dem außerirdischen Wesen Lavos zu retten. Auf denen Stops in unterschiedlichen Zeitaltern, von 65.000.000 Jahren vor Christus bis zum wortwörtlichen Ende der Zeit, lernt er Freunde kennen, die ihn fortan auf seinem Abenteuer begleiten. Zusammen erkundet ihr eine Welt voller Dungeons, in denen Gegenstände, Rätsel und zu bekämpfende Gegner warten. Je nachdem, wie ihr das Spiel spielt und welche Entscheidung trefft, kann die Geschichte von Chrono Trigger und somit auch die Geschichte der Spielwelt völlig unterschiedlich verlaufen beziehungsweise enden.