Ubisoft verkauft ein In-Engine-Video zu Assassin's Creed Valhalla als Gameplay und erhält zu Recht Kritik.
Assassin's Creed Valhalla und der Gameplay-Trailer, der keiner ist
Am 29. April kündigte Ubisoft auf eine ziemlich coole Art und Weise Assassin's Creed Valhalla an: mit einem achtstündigen Livestream, in dem ein Künstler ein Artwork in Photoshop kreierte. Tags darauf folgte der erste Trailer, natürlich ein reines CGI-Filmchen in der gewohnt hohen Ubisoft-Qualität, aber auch mit relativ wenig Aussagekraft über das Spiel. Doch im Zuge dessen wurde ja zum Glück direkt bekannt gegeben, dass eine Woche später, genauer gesagt im "Inside Xbox"-Livestream von Microsoft, der erste Gameplay-Trailer gezeigt werden würde.
In besagtem Stream wurden diverse Neuankündigungen getätigt, etwa die von DiRT 5 oder des neuen Horrorspiels der "Layers of Fear"-Schöpfer namens The Medium. Assassin's Creed Valhalla sollte aber ganz klar der Programmhöhepunkt sein. Tja, und was gab es? Etwa wie versprochen richtiges Gameplay? Nein! Ubisoft verkaufte uns hier einen In-Engine-Trailer als Video mit richtigen Spielszenen. Im Prinzip heißt das aber nur, dass die gezeigten Sequenzen in der Grafik-Engine des Spiels erstellt wurden, nicht dass sie exakt so im Spiel stattfinden – und wenn, dann nur in Form von Cutscenes.
Ubisofts Kommunikation...
Der Ärger der Fans war dementsprechend groß. Wenn etwa einen Tag vor Release des Trailers Creative Director Ashraf Ismail auf Twitter in einem Video nochmal extra darauf heiß macht, dass es am Folgetag erstes Gameplay-Material von Assassin's Creed Valhalla zu sehen gibt, und dieses Versprechen dann nicht erfüllt wird, braucht Ubisoft sich über die laute Kritik nicht wundern. Eben jener Herr Ismail hat nach dem Livestream übrigens folgendes getwittert:
"Ihr habt berechtigterweise erwartet, heute mehr zu sehen. Wir haben eine lange Marketing-Kampagne vor uns, ihr werdet tiefgehendes Gameplay sehen und viel mehr Infos über das Spiel erhalten."
An dieser Stelle stoßen wir auf zwei Probleme. Das eine bezieht sich explizit auf Assassin's Creed Valhalla, das andere ist ein branchenweites Thema. Ich bleibe erst mal beim neuen Assassinenabenteuer, das ja mit seinem Wikingerszenario, Brandschatzungen in England und dem Aufbau eines eigenen Dorfes ziemlich vielversprechend wirkt. Das sind zumindest all die Infos, die Leute wie Ashraf Ismail bislang preisgegeben haben. Gesehen haben wir davon aber eigentlich noch nichts. Klar, der In-Engine-Trailer zeigt eine Burgbelagerung und sofern Ubisoft uns nicht absichtlich anlügt, gehen wir auch davon aus, dass so etwas Bestandteil des Gameplays ist. Aber wie es sich spielt, ob es wirklich so spektakulär ist, wie es uns das Video glauben lassen möchte, weiß nur der Hersteller selbst.
...ist nicht gut
Ubisoft hat hier einen klaren Fehler begangen: Man hat schlecht kommuniziert. Statt im Vorfeld klar zu sagen, dass der zweite Trailer zu Assassin's Creed Valhalla zwar kein vorgerendertes Material zeigt, aber eben auch keine richtigen Spielszenen, verkaufte man ihn als Gameplay-Trailer. Und unter dieser Bezeichnung stellen wir Spieler uns eben etwas anderes vor als schnell aneinander geschnittene Zwischensequenzen. Mit Gameplay hat das nichts zu tun.
Ashraf Ismail deutet mit seinem Tweet an, dass er verstanden habe, was die enttäuschten Fans kritisieren. Auf der anderen Seite wird das Video auf YouTube immer noch als "First Look Gameplay Trailer" verkauft. Das ist in etwa so, als wenn ein Autohändler einem potenziellen Käufer eine Probefahrt anbietet und ihn dann aber nur mal im Autohaus kurz den Motor aufheulen lassen würde. Das große Schild mit "Probefahrt inklusive" lässt er aber vor dem Eingang hängen.
Falsche Erwartungen geweckt
Wenn Ubisoft von vornherein gesagt hätte, man werde bei Inside Xbox Szenen in der Engine von Assassin's Creed Valhalla zeigen, wäre die Enttäuschung nicht so groß gewesen. Jedoch ist mir klar, warum der Publisher das nicht getan hat: Er hätte damit weitaus weniger Vorfreude geweckt. Die Fans wollen schließlich Spielszenen sehen und nicht bloß ein Video, das nur grafisch dem eigentlichen Spiel entspricht – was ja nun auch nicht immer der Fall ist, schon gar nicht bei Ubisoft (Stichwort: Watch Dogs und Downgrade). Also benutzt man die Bezeichnung "Gameplay-Trailer", um das Interesse zu wecken. Man möchte ja eine große Masse erreichen, die sich den Clip anschaut und am besten noch direkt danach die Gold Edition vorbestellt.
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die "Gameplay-Trailer" zu vorherigen Teilen der "Assassin's Creed"-Reihe auch nicht wirklich Gameplay gezeigt haben. Sie weisen die gleiche Machart auf. Jedoch liegen uns in diesen Fällen die fertigen Spiele längst vor und siehe da: Wenn wir uns heute den allerersten "Gameplay-Trailer" zu Assassin's Creed Odyssey anschauen, fällt auf, dass das Gezeigte sehr wohl mit dem übereinstimmt, was im Spiel passiert. Es ist eben nur aus einer anderen Kameraperspektive gefilmt und cineastisch in Szene gesetzt. Die Chance ist also groß, dass das, was der Valhalla-Trailer zeigt, auch in der Form im Spiel vorhanden ist.
Das ändert aber nichts daran, dass wir noch keinen Eindruck davon haben, wie Assassin's Creed Valhalla in Aktion aussieht, wie es sich spielt – und dass Ubisoft eben vollmundig Gameplay versprochen und nicht geliefert hat. Wie gesagt, das Problem ist hier weniger der Clip an sich, sondern dessen Vermarktung.
Publisher agieren nicht planlos, aber sind die Pläne immer gut?
Nichtsdestotrotz – und das führt mich zum zweiten Problem, das nicht nur Ubisoft betrifft – wäre es selbstverständlich viel schöner gewesen, wir hätten vergangene Woche richtiges Gameplay von Assassin's Creed Valhalla gesehen. Es hätte nicht zwingend eine minutenlange Demo sein müssen, aber halt wenigstens ein richtiger Gameplay-Trailer mit echten Spielszenen, so wie es Ubisoft in der Vergangenheit etwa im Fall von Far Cry: New Dawn gemacht hat. Warum haben wir das nicht bekommen? Na, ganz einfach: aufgrund der von Ashraf Ismail erwähnten "langen Marketing-Kampagne".
Es ist ganz normal, dass zwischen der Ankündigung und dem Release eines Spiels mehrere Monate, vielleicht sogar Jahre liegen. Mir ist klar, dass ein Hersteller diese Zeit nutzen möchte, um Werbung für sein Produkt zu machen, damit möglichst viele Leute darauf aufmerksam werden und es am besten vorbestellen oder zumindest direkt bei Erscheinen kaufen. Das ist den Publishern sehr wichtig und verständlich. Und deshalb überlässt man natürlich nichts dem Zufall.
Marketing-Kampagnen werden im Detail vorausgeplant. Es wird genau festgelegt, wann die Ankündigung erfolgt, wie sie erfolgt, wann welcher Trailer erscheint und so weiter. In vielen Fällen gilt dabei: Erstes Gameplay wird erst nach einer gewissen Zeit gezeigt und nicht direkt bei der Spielenthüllung. Im Fall von Assassin's Creed Valhalla gab es eben erst den Render-Trailer, dann das In-Engine-Video und im Juli wird es im Rahmen der Live-Show Ubisoft Forward sicherlich eine erste Demo zu sehen geben.
Da will wohl jemand Spannung generieren
Meine Frage an den Hersteller: Warum so lange damit warten? Das Spiel erscheint in circa einem halben Jahr. Die Entwicklung müsste also schon weit vorangeschritten sein, etwas Vorzeigbares längst existieren. Klar, eine Demo zusammenzuschustern, kostet Zeit und Geld, das gilt für den veröffentlichten In-Engine-Trailer aber genauso. Auch für den musste das Entwicklerteam die entsprechenden Szenen in der Engine erst mal aufnehmen – und zwar so, dass sie richtig gut aussehen.
Ich kann mir das nur so erklären, dass Ubisoft eine richtige Spannungskurve erzeugen möchte. Von der Ankündigung bis zur Veröffentlichung soll es nach und nach mehr zu sehen geben. Man möchte nicht schon sechs Monate vor Release zu viel verraten, auch wenn man es könnte. Die Leute sollen sich ja schließlich alles anschauen, was der Hersteller veröffentlicht. Dadurch ist dann auch gesichert, dass sie Assassin's Creed Valhalla nicht vergessen. Nur ist diese Spannungskurve wirklich notwendig?
Ubisoft möchte, dass wir das Spiel am besten jetzt schon vorbestellen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich kein großer Fan von Vorbestellungen bin: Wäre es dann nicht effektiver, man zeigt den Fans direkt richtiges Gameplay, das fantastisch aussieht und Lust auf mehr macht? Nach einem richtig guten Video mit echten Spielszenen bin ich doch viel eher versucht zu sagen: "Ok, das ist schon gekauft", als nach diesem In-Engine-Clip, der mir nur ein grobes Bild von dem malt, was mich in Assassin's Creed Valhalla erwartet.
Nur Spiele selbst entfachen einen Hype
Stellt euch nur mal vor, Ubisoft hätte 2012 auf seiner E3-Pressekonferenz zum Abschluss nur einen Trailer ohne Spielszenen zu Watch Dogs gezeigt statt der Gameplay-Demo, die jeden damals mit ihrer großartigen Grafik und dem spaßig aussehenden Spielprinzip weggeblasen hat! Der Hype wäre niemals so groß gewesen, wie er es tatsächlich war. Zugegeben, die Enttäuschung beim Release 2014 hätte dann auch ein geringes Ausmaß gehabt, weil es keine Downgrade-Diskussion gegeben hätte. Aber in dem Fall lagen zwischen der Ankündigung und dem Release auch fast zwei Jahre, da kann so was eben passieren.
Je früher ein Spiel innerhalb seines Entstehungszyklus enthüllt wird, desto eher kann ich es dem Hersteller verzeihen, wenn er nur einen Render-Trailer zeigt – was nicht bedeutet, dass ich CGI-Filmchen mit geringer Aussagekraft bezüglich des Inhalts eines Spiels gut finde. So wie etwa Square Enix 2019 seinen Loot-Shooter Outriders angekündigt hat, war sehr ungünstig, weil das Spiel nicht im Gedächtnis bleiben wollte, weil der Trailer überhaupt kein Interesse geweckt hat. Wenn wir nun aber, wie im Fall von Assassin's Creed Valhalla, eh über Titel sprechen, die nur noch um die sechs Monate von der Veröffentlichung entfernt sind, dann, liebe Hersteller: Zeigt uns doch die Spiele! Wenn ihr wollt, dass wir in einen Hype verfallen und all unseren Freunden sagen: "Hey, hast du den Trailer von Spiel XY gesehen? Nicht?! Schau ihn dir an, sieht total cool aus!", dann lasst diese Geheimniskrämerei! Verzichtet auf eure Spannungskurve!
Eure Marketing-Kampagnen brauchen kein bestimmtes Narrativ, um Interesse für die Spiele zu wecken. Wir sind Zocker und eigentlich ganz simpel gestrickt: Sehen wir was Geiles, wollen wir es spielen. Aber damit meinen wir eben nicht Trailer, die uns bloß die Fantasie verkaufen, ein Wikinger, ein Geheimagent, ein Superheld oder was auch immer zu sein. Wir reden von Videos, die uns klar machen: "Dieses Spiel ist aus diesen Gründen toll und deshalb darfst du es nicht verpassen." Der In-Engine-Trailer zu Assassin's Creed Valhalla hat das in meinen Augen nicht geschafft. Und das kann nicht im Sinne von Ubisoft sein.