Autorin: Franziska Behner
Vor zwei Jahren auf der gamescom 2019 angeteasert, von uns angespielt und nun endlich in greifbarer Nähe: Wir haben Little Nightmares II getestet und verraten euch, ob sich der Gruseltrip lohnt.
Autorin: Franziska Behner
Vor zwei Jahren auf der gamescom 2019 angeteasert, von uns angespielt und nun endlich in greifbarer Nähe: Wir haben Little Nightmares II getestet und verraten euch, ob sich der Gruseltrip lohnt.
Little Nightmares II beginnt, wie auch schon sein Vorgänger, ohne großes Tamtam oder eine Eröffnungssequenz: Ihr landet einfach direkt im Spiel, das in den ersten Minuten einem "Jump & Run"-Abenteuer gleicht. Mono, der neue Protagonist des Spiels, scheint ein kleines Kind zu sein, das sich plötzlich in einem Wald wiederfindet und sich auf den Weg macht zu… ja, wohin eigentlich?
Welche Umstände den Protagonisten allein ins Nirgendwo bringen und wieso ihr mit dem Jungen nun durch Wald und Wiese stolpert, müsst ihr euch selbst ausdenken. In Little Nightmares II gibt es nämlich keinerlei Dialoge oder Szenenerklärungen, die euch einen Hinweis auf das Geschehen geben könnten. Die Geschichten des Little Nightmares-Kosmos leben davon, was ihr daraus macht. Und glaubt uns ruhig, wenn wir euch sagen: Ewige Dialoge würden die Immersion des Spiels komplett zerstören.
Völlig ahnungslos klettert, springt und stolpert ihr einfach durch den vor euch liegenden Wald bis zu einer Hütte, in der ein gesichtsloser Jäger ein Tier zu rupfen scheint. Er ist euch nicht gerade freundlich gesinnt - vor allem, weil ihr seine Gefangene, die bereits aus dem ersten Teil bekannte Six, befreit und mit ihr fliehen wollt. Von nun an schleicht ihr gemeinsam durch die eigenartige, verzerrt wirkende Welt, in der scheinbar nichts so ist, wie es scheint. Da die beiden Kinder sich lediglich im Flüsterton rufen können, werdet ihr auch von Six nicht mehr erfahren und müsst euch anhand der Bildsprache selbst einen Reim aus Little Nightmares II machen.
Little Nightmares 2 - Launch-Trailer:
Die Entwickler des Spiels haben den Eskapismus, also die Realitätsflucht, nicht nur thematisch zum Kernelement gemacht: Allein das Design von Mono mit der Papiertüte auf dem Kopf, spiegelt dieses Thema wunderbar wieder. Wieso der junge Protagonist sein Gesicht versteckt, wird zunächst nicht erklärt, aber vielleicht könnt ihr es ja im Laufe des Spiels herausfinden? Little Nightmares II lebt davon, dass ihr die einzelnen Level nicht nur überlebt, sondern auch verstehen lernt. Sollten die monströsen Lehrer, Kinder mit zerbrochenen Keramikköpfen und willenloser Menschen euch stattdessen vollends verwirren (und vielleicht verstören), ist das aber auch völlig in Ordnung. Wir möchten an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten, aber: Ihr werdet die eine oder andere völlig verzerrte Überraschung erleben.
“Verzerrt” ist ein herrliches Wort, denn es steht nicht nur für so manch gegnerisches Gesicht oder den eigenartigen Körperbau der Lehrerin, der ihr im Schullevel begegnen werdet, sondern auch für die Welt an sich. Die Straßen sind wie leergefegt und echte Menschen scheint es außer Mono und Six nicht zu geben. Die wenigen Wesen, denen ihr begegnet, sind meist feindlich gesinnt. Abgesehen von TV-Bildschirmen, die als zentrales Element immer wieder kehren, hat sich die Welt der Kinder völlig verändert und verzerrt. Schuld daran scheint ein riesiger Funkturm zu sein, dessen Signal nicht nur die Stadt zu Fall bringt, sondern auch so manchen Einwohner in die Tiefe stürzt. Leider meinen wir das an dieser Stelle nicht metaphorisch: Little Nightmares II ist nichts für schwache Nerven.
Die an jeder Ecke liegenden Fernseher nutzt ihr im Laufe des Spiels für ein neues Gameplay-Element. Mit einer Fernbedienung ausgerüstet könnt ihr durch einen Bildschirm hindurch klettern und kommt an einer völlig anderen Stelle des Levels heraus. Das eröffnet völlig neue Wege und Möglichkeiten, die ihr nutzen solltet, um aus der Stadt zu entkommen. Alle Einwohner scheinen wie gefesselt von den flackernden Bildschirmen und wehe dem, der den Bildschirm ausschaltet!
In Little Nightmares II müsst ihr immer wieder Rätsel und Sammelaufgaben lösen, um voranzukommen. Mal gilt es ein Schachbrett korrekt auszurichten, mal müsst ihr die passenden Fernseher finden und an anderer Stelle seid ihr in einem Korridor gefangen, obwohl es zahlreiche Türen gibt. Die Entwickler raten dazu, Little Nightmares II bei einer guten Tonlautstärke zu spielen. Wir würden sogar zu Kopfhörern raten, denn bei dem Türrätsel ist euer Gehör gefragt: Ihr könnt das Level nur verlassen, wenn ihr die korrekten Türen in der richtigen Reihenfolge durchquert. Macht ihr einen Fehler, müsst ihr von vorn anfangen und seid weiter im Haus gefangen. Hier hilft nur eine Sache: Ohren spitzen! Vielleicht kann euch die überaus geglückte Geräuschkulisse im Spiel einen Hinweis darauf geben, wie ihr fliehen könnt...
Die Realitätsflucht von Mono spiegelt sich in diesem Level besonders deutlich wieder. Allerdings wirft es auch mehr Fragen auf, als es beantwortet. Wovor flieht er? Weshalb hat er das Gefühl, sich immer wieder im Kreis zu drehen und nicht von der Stelle zu kommen? Wieso ist er so hilflos und allein?
Für mich übertrifft Little Nightmares II seinen Vorgänger bei Weitem. Während man sich in den ersten Minuten noch wie ein hilfloses Kind fühlt, das vor den bösen Erwachsenen fliehen muss, hat man später Waffen zur Verfügung, um Kinderköpfe einzuschlagen. Jedes Level im Spiel thematisiert einen anderen Ort und neue Feinde. Obwohl sich Mono gegen kleinere Gegner wehren kann, ist Flucht am Ende immer der einzige Weg, um raus aus dem Albtraum und hinein und in die nächste Episode zu gelangen. Will man das überhaupt?
Mich hat Little Nightmares II am Ende völlig verstört zurückgelassen. Nicht nur, dass plötzlich ein Plottwist meine ganze Sicht auf das Franchise verändert hat - ich habe die halbe Nacht gegrübelt, was uns die Künstler mit diesem Spiel sagen wollen. Wieso flüchtet Mono aus zunächst völlig wirr zusammengewürfelten Level, von denen eines schlimmer ist als das Nächste? Sollte sein Leben so aussehen, wie die verschiedenen Orte im Spiel, kann ich verstehen, wieso er sich die Papiertüte über den Kopf stülpt. DAS würde ich auch nicht sehen wollen.