Die Open Beta von Enlisted macht uns bereits viel Spaß, aber das Spiel hat auch einen faden Beigeschmack.
Drei Dinge, die uns gefallen, und zwei, die wir nicht so toll finden
Das nächste Battlefield lässt noch einige Monate auf sich warten und Teil 5 ist eh irgendwie durch. Doch was soll man dann als Fan von Multiplayer-Shootern mit weitläufigeren Karten und Fahr- sowie Flugzeugen spielen? Hier will Gaijin Entertainment in die Bresche springen und euch mit Enlisted eine Alternative bieten, die sogar kostenlos ist. Es ist jedoch keine dreiste Battlefield-Kopie, sondern hat seinen ganz eigenen Charakter. Seit kurzer Zeit läuft die Open Beta, in der wir schon einige Stunden auf den virtuellen Schlachtfeldern verbracht haben. Dabei sind uns einige Stärken aufgefallen, aber auch zwei große Schwächen.
Was uns gefällt
Das grundlegende Konzept
Enlisted kommt mit einer spannenden Grundidee daher: Ihr spielt hier nicht einfach nur einen einzelnen Soldaten, sondern zieht stets mit einem ganzen Trupp in den Kampf. Klar, es ist immer noch ein Ego-Shooter und dementsprechend steuert ihr jeweils eine Figur direkt. Aber ihr spawnt eben mit mehreren Bots an eurer Seite, denen ihr rudimentäre Befehle geben könnt. Sie laufen aber stets mit euch mit und greifen Feinde von sich aus an. Segnet ihr das Zeitliche und es lebt noch jemand von euren Kameraden, könnt ihr schnell die Figur wechseln. Dadurch bleibt ihr in der Action, könnt euch vielleicht sogar direkt bei eurem Mörder rächen. Ist euer Trupp komplett ausgelöscht, spawnt ihr mit einem anderen.
Maximal vier Squads könnt ihr von Haus aus in ein Match mitnehmen: drei Infanterie- und einen Vehikeltrupp. Die Squads sind stets einer Klasse zugeordnet, genau wie die Soldaten selbst. Hier ist die Auswahl viel größer als in Battlefield. Es gibt normale Infanteristen mit Karabinern, Sturmsoldaten mit Maschinenpistolen, Scharfschützen, Panzerfahrer, Panzerabwehrsoldaten, Piloten, Pioniere, die etwa Sandsackbarrieren errichten können, und noch einige mehr. Die meisten Klassen und somit auch Trupps schaltet ihr aber erst nach und nach frei.
Ein weiterer Unterschied zu Battlefield: In Enlisted gibt es mehrere Kampagnen. Jede davon befasst sich mit einem Kapitel des Zweiten Weltkriegs und umfasst zwei Parteien mit jeweils eigenen Waffen und Fahrzeugen sowie mehrere Maps. In der Open Beta sind derzeit zwei Szenarien für jeden Spieler frei verfügbar: die Invasion der Normandie mit den Amerikanern und Deutschen sowie die Schlacht um Moskau, in der die Russen gegen die Reichswehr kämpfen. Die Schlacht um Berlin befindet sich derzeit im geschlossenen Betatest und ist den Spielern zugänglich, die ein entsprechendes Paket kaufen, wird aber irgendwann auch kostenlos für alle spielbar sein. Simpel ausgedrückt, sind die Kampagnen separate Playlists, anhand derer ihr festlegt, welche Karten und mit welchen Fraktionen ihr gerade spielen wollt. Allerdings hat jede auch noch ihr eigenes Progressionssystem.
Das Gunplay
Enlisted platziert sich, was den spielerischen Anspruch und den Realismusgrad betrifft, irgendwo zwischen Battlefield und Hardcore-Shootern wie Squad oder Hell Let Loose. Es ist längst nicht so arcadig wie die Titel von DICE, aber auch weit von der Komplexität der anderen genannten Titel entfernt. Dennoch: Wer hier nicht aufpasst, liegt sehr schnell tot am Boden. Die "Time to Kill", also die Zeit, wie lange es durchschnittlich dauert, einen Gegenspieler zu töten, ist sehr gering. Schon mit den Waffen, die euch ganz zu Beginn zur Verfügung stehen, reicht ein gezielter Schuss aus, um einen Widersacher ins Jenseits zu befördern – und das fühlt sich verdammt befriedigend an. Enlisted hat ein gutes Trefferfeedback, Schüsse fühlen sich wuchtig an, auch dank der richtig guten Soundeffekte. Und das führt uns zur dritten Stärke des Spiels.
Die Schlachtfeldatmosphäre
Wenn wir Enlisted spielen, haben wir fast das Gefühl, selbst auf dem Schlachtfeld zu stehen. Die überragende Soundkulisse hat einen großen Anteil daran. Die Waffen klingen, wie bereits erwähnt, fantastisch, aber auch Explosionen schallen richtig krachend aus den Lautsprechern oder – noch besser – den Kopfhörern. Hinzu kommt das häufige Gebrüll der Soldaten. Gerade dann, wenn mehrere Trupps auf eine Stellung zustürmen, fühlt sich das richtig episch an.
Auch die Squad-Mechanik macht sich hier positiv bemerkbar. Es sind zwar nicht viele echte Spieler auf den Karten unterwegs, aber durch die vielen Bots ist trotzdem ordentlich was los. Und dann sehen die Maps auch noch fantastisch aus, egal ob ihr nun in der Normandie, im zerstörten Berlin oder im verschneiten Russland kämpft. Die Umgebungen sind detailliert, bieten selbst innerhalb einer Kampagne viel Abwechslung und wirken authentisch. Es gibt zwar keine ausgeprägte Zerstörungseffekte wie in Battlefield, aber zumindest gehen Zäune kaputt und Bäume kippen um, wenn Granaten explodieren oder Panzer im Einsatz sind.
Was uns nicht gefällt
Die Umsetzung der Squad-Mechanik
Wie, am Anfang loben wir noch die Trupps und jetzt das?! Nun, sagen wir es so: Enlisted hat hier noch sehr viel Luft nach oben. Ja, die Idee ist cool. Ja, sie ist der Schlachtatmosphäre sehr dienlich. Und wir mögen es auch, dass wir jeden Squad aufleveln, frei mit Soldaten aus unserer Reserve besetzen und auch diese jeweils einzeln aufwerten und ausrüsten können. Aber in den Gefechten selbst lassen die KI der Bots und die Interaktionsmöglichkeiten mit ihnen noch arg zu wünschen übrig. Intelligent sind die Kerle nun überhaupt nicht. Es ist schon cool, in ein Gebäude zu stürmen und mit der Maschinenpistole vier oder fünf Leute in Sekundenschnelle über den Haufen zu schießen, obwohl wir wissen, dass zumindest die meisten von ihnen dumme KI-Soldaten waren. Aber manchmal haben sie richtig arge Aussetzer, wenn sie etwa in einem Gebäude ständig hin- und herlaufen, anstatt einfach mal am Fenster hocken zu bleiben und stets mit der Waffe auf die möglicherweise anrückenden Feinde zu zielen.
Und dann sind die Befehle, denen wir unseren eigenen Truppmitgliedern geben können, viel zu rudimentär. Im Prinzip können wir sie nur dazu anweisen, die Stellung, an der ihr euch gerade befindet, zu verteidigen und wie eng die Formation sein soll. Und wenn ihr eure Jungs einen Punkt verteidigen sollen, ihr euch dann aber nur ein paar Meter von ihm entfernt, wird der Befehl abgebrochen und sie laufen euch wieder hinterher. Klar, zu kompliziert soll das System nicht sein, aber dass wir nicht mal Anweisungen à la "Stürmt das Gebäude da vorne" geben können, ist enttäuschend. So verkommen die Bots schlicht zu Extraleben, bevor ihr mit einem neuen Squad respawnen müsst.
Das Geschäftsmodell
Enlisted ist ein Free-to-Play-Titel und muss sich selbstverständlich irgendwie finanzieren. Dagegen ist absolut nichts einzuwenden, zumal das Spiel mit hochwertig produziert ist. Aber leider ist es eben ein Free-to-Play-Produkt von der Sorte, in der ihr für Geld nicht bloß Kosmetik und vielleicht so manche Komfortfunktion erhaltet. Wer keinen Cent ausgeben möchte, muss sich einem exzessiven Grind stellen. Es dauert echt lange, eine Fraktion innerhalb einer Kampagne aufzuleveln. Dabei sei angemerkt, dass die Kampagnen auch noch komplett losgelöst voneinander sind. Wenn ihr also etwa mit den Deutschen in der Normandie kämpft, erlangt ihr damit keinen Fortschritt für die Achsenmächte in der Moskau-Kampagne. Das Spiel betrachtet sie quasi als unterschiedliche Parteien mit jeweils eigenen Squads.
Hinzu kommt, dass ihr ja irgendwie an die Waffen und sonstigen Hilfsmittel wie Granaten oder Erste-Hilfe-Koffer für eure Soldaten herankommen müsst. Die kauft ihr euch einzeln mit Logistikbefehlen, die ihr euch erspielt, Ihr könnt aber auch genauso gut die Premiumwährung Gold nutzen, um Zeit zu sparen. Gleiches gilt übrigens für zusätzliche Soldaten. Immerhin: Ihr könnt euch mit Geld nicht schon direkt zu Beginn fortgeschrittene Tötungswerkzeuge kaufen, denn ihr müsst zwingend den benötigten Level erreichen, um sie freizuschalten.
Wir würden Enlisted zwar nicht als Pay-to-Win-Spiel bezeichnen, da ihr euch alles, was sich aufs Gameplay auswirkt, erarbeiten könnt. Aber wer Geld bezahlt, verkürzt den Grind deutlich. In einer Zeit, in der genug andere Spiele zeigen, dass man auch mit einem faireren Modell finanziell erfolgreich sein kann, hat das einen sehr faden Beigeschmack. Wobei wir zur Verteidigung anmerken müssen, dass es angesichts des Weltkriegs-Settings schwierig ist, viele verlockende kosmetische Items anzubieten, zumal Enlisted viel Wert auf Authentizität legt. Aber das ist eben auch keine Entschuldigung für den hohen Grind-Faktor.
Einschätzung
Letztendlich haben wir mit Enlisted trotz der spielerischen Macken viel Spaß. Es sieht gut aus, klingt vor allem hervorragend und eignet sich wunderbar, um die Wartezeit auf das nächste Battlefield zu verkürzen. Trotzdem: Die Monetarisierung und der damit verbundene Grind sind ein Problem und wenn das Squad-Feature wirklich als großes Alleinstellungsmerkmal überzeugen soll, muss daran noch ordentlich gefeilt werden. Aber wer auf Weltkriegs-Shooter steht, kann sich Enlisted auf jeden Fall schon in der Beta anschauen. Das Ausprobieren kostet ja nichts und für mehrere launige Abende eignet sich der Titel definitiv.