Neues Material zu Cyberpunk 2077: toll! Noch fünf Monate auf das Spiel warten: nicht toll? Für Jens ist's kein Problem.
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Die Freude an der Vorfreude
Vor einer Woche die traurige Meldung: Cyberpunk 2077 verschiebt sich erneut. Nachdem es schon nicht wie geplant am 16. April erscheinen konnte, mussten sich CD Projekt RED und wir nun auch vom 17. September als Release-Tag des ambitionierten Rollenspiels verabschieden. Neues Erscheinungsdatum ist der 19. November. Aber ist das nun wirklich so traurig? Spätestens seit dem gestrigen "Night City Wire"-Stream, in dem der polnische Entwickler einen neuen Trailer samt frischem Gameplay präsentierte, und diversen neuen Infos aus Hands-on-Berichten der Presse, denke ich mir: "Ne, find ich gar nicht so schlimm. Die sollen sich mal ruhig Zeit lassen."
Komplexe Spiele brauchen besonders viel Zeit
Natürlich habe ich unfassbar große Lust darauf, Cyberpunk 2077 endlich selbst zu spielen. Das Konzept spricht mich einfach an: eine große, frei begeh- und befahrbare Stadt samt Umland à la GTA gemixt mit der spielerischen Freiheit und dem Cyberpunk-Setting eines Deus Ex. Was der neue Trailer zeigt, lässt mich erneut in bester Homer-Simpson-Manier sabbern, was das Zeug hält. Ich sehe eine detailreiche, lebendige Welt, ein tolles Art Design, actionreiche Schusswechsel.
Ich freue mich total darüber, dass CD Projekt für sich selbst etwas Neues wagt und in Cyberpunk 2077 genau die Kritikpunkte adressiert, die ich an dem an sich großartigen The Witcher 3 habe: Keine generischen Nebenbeschäftigungen wie das Ausheben der immer gleichen Banditenlager und Monsternester, eine interessantere, vielschichtigere, offenere Charakterentwicklung und mehr Möglichkeiten, Quests zu lösen. Geralts letztes Abenteuer wirkt im Vergleich zu dem, was die Polen hier zusammenzimmern, wie ein simples Action-Adventure, was es – rein spielerisch betrachtet – eigentlich sogar ist.
Die erhöhte Komplexität im Rollenspielsystem, der Spielwelt, insbesondere dem Design der missionsrelevanten Orte, und dem Gameplay (Schießen, Schleichen, Hacken, Autofahren – The Witcher 3 hat nicht so eine Vielfalt an Mechaniken geboten) hat aber auch ihren Preis. Sie erschwert das Polishing ungemein, weshalb es gar nicht verwunderlich ist, dass sich Cyberpunk 2077 erneut verspätet. Inhaltlich sei es laut den Entwicklern fertig, man brauche aber mehr Zeit, um es möglichst fehlerfrei auf den Markt zu bringen. Schon seit längerer Zeit war ich mir sicher, dass CD Projekt sein Baby nochmal um ein bis zwei Monate verschieben würde, und ich sollte recht behalten.
Um zu beeindrucken, braucht es keine Innovationen
Auch wenn ich mich genau wie ihr da draußen gerne am 17. September in meiner Wohnung eingeschlossen und die ganze Zeit nur Cyberpunk 2077 gezockt hätte (und mich nun frage, was ich denn stattdessen in der zweiten Hälfte des Monats spielen soll, weil sonst nichts Spannendes erscheint), bin ich trotzdem nicht traurig oder gar enttäuscht von CD Projekt. Und das hat der gestrige Abend nur bestärkt.
Was es mittlerweile alles von Cyberpunk 2077 im Netz zu sehen und darüber zu lesen gibt, macht deutlich, dass da etwas ganz Großes auf uns zukommt – nicht nur in Bezug auf den Umfang. Zwar schreibt niemand, dass Cyberpunk 2077 die nächste Revolution in Sachen Videospielen wird, aber dennoch ein Open-World-Titel zu sein scheint, den wir in diesem Detailgrad und mit dieser spielerischen Vielfalt bislang noch nicht wirklich gesehen haben. Ich glaube auch nicht daran, dass es irgendwas völlig Neues machen wird, sondern einfach all das, was wir aus Action- und Rollenspielen kennen, zusammenmischt und in eine glaubwürdige Welt voller Möglichkeiten packt. Und das allein wird dann schon beeindruckend genug sein, sodass Innovationen gar nicht nötig sein werden.
Eine Verschiebung ist niemals böswillig
Die hohen Ambitionen von CD Projekt sind nochmal deutlicher geworden und angesichts dessen soll sich das Team wirklich alle Zeit der Welt nehmen, um Cyberpunk 2077 fertig zu stellen. Manche Leute im Netz teilen diese Meinung nicht, sind sauer, dass sie nochmal zwei Monate länger warten müssen, und empören sich auf Twitter und Co darüber. Aber das sind eben auch diejenigen, die offensichtlich nicht verstehen, wie aufwendig es ist, so ein großes Spiel zu produzieren – nicht zu vergessen, dass die Coronakrise und die damit verbundene Umstellung auf Home Office die Arbeiten sicherlich nicht erleichtert haben.
An all diejenigen, die sich von CD Projekt RED verraten fühlen, weil sie Cyberpunk 2077 schon vorbestellt hatten und nun aufgrund der Verzögerung ihre Bestellung storniert haben: Das Spiel hätte sicherlich auch schon im September erscheinen können. Hätte CD Projekt es unbedingt da veröffentlichen wollen, hätte es das getan.
Würde das Studio zu einem großen Publisher wie Electronic Arts oder Activision gehören, wäre Cyberpunk 2077 sogar garantiert am 17. September auf den Markt gekommen. Nur dann hätten wir eben das gehabt, was wir schon so häufig erlebt und kritisiert haben: ein unfertiges Spiel, das uns mit Bugs und Performance-Problemen plagt und im Verlauf von Monaten gesund gepatcht werden muss. Wollt ihr das oder euch doch lieber acht Wochen lang in Geduld üben und dann ein sauberes Produkt serviert bekommen, das ihr von Anfang an genießen könnt? Mir fällt die Wahl da nicht schwer.
Neidisch auf die Kollegen, aber irgendwie auch nicht
Auf der anderen Seite bin ich schon neidisch auf diejenigen, die jetzt bereits vier bis fünf Stunden von Cyberpunk 2077 spielen konnten. Auch wenn ich mich zur Presse dazuzählen darf, dieses Vergnügen blieb mir leider verwehrt und ich muss mich genau wie ihr mit den Berichten zufriedengeben. Aber irgendwie finde ich auch das gar nicht mal so schlimm, wenn ich darüber nachdenke. Denn ich habe noch das Vergnügen vor mir, all das im November zum ersten Mal zu erleben, wenn das Spiel erscheint, während die Branchenkollegen sich einen Teil der Überraschung schon selbst genommen haben.
Gut, das entsprechende Videomaterial habe ich mir natürlich schon angeschaut. Auch ich kann mich nur schwer gegen meine Neugier wehren. Aber es ist ja nochmal ein Unterschied, ob ich nun einzelne Szenen bloß auf YouTube sehe, die dann noch eine Off-Stimme kommentiert, oder ob ich sie selbst daheim spiele und mich komplett in der Welt fallen lassen kann, ohne dass ständig jemand dazwischenredet.
Wodurch die Wartezeit erträglicher wird
Wo wir gerade beim Thema Videos sind: CD Projekt RED hat bereits gesagt, dass der gestrige Stream kein Einzelfall bleiben wird. "Night City Wire" ist als fortlaufendes Format angedacht und schon in ein paar Wochen soll es die nächste Folge geben. Vermutlich bekommen wir nun jeden Monat bis zum Release eine Episode serviert, die uns neue Einblicke in Cyberpunk 2077 gewährt. Allein das wird die Wartezeit schon erheblich verkürzen.
Generell werden sich viele wundern, wie schnell die Zeit vergeht, wir plötzlich den 19. November haben und alle Welt in Night City abhängt. Überlegt doch nur mal: Wenn alles so gekommen wäre, wie es ursprünglich geplant war, würden wir Cyberpunk 2077 schon seit zwei Monaten spielen beziehungsweise wäre es dann schon längst ein alter Hut. Und kamen euch die Wochen seit dem 16. April wie eine lange Zeit vor? Selbst in Zeiten von Corona und "Social Distancing" vermutlich nicht, zumindest ergeht es mir so.
Denke ich zudem an die Monate bis zum Release, fällt mir auf, wie viele andere (hoffentlich) tolle Spiele in der Zeit erscheinen: Ghost of Tsushima, Mafia: Definitive Edition, Wasteland 3, Project CARS 3, Assassin's Creed Valhalla, DiRT 5, Tony Hawk's Pro Skater 1 + 2, sicherlich das neue Call of Duty und viele mehr. Und wenn Cyberpunk 2077 am Ende wirklich über allem thronen sollte, weil es das Highlight wird, das wir uns alle erhoffen, dann passt es ja auch ganz gut, dass es ganz zum Schluss erst erscheint. So können wir nämlich all die anderen Spiele vorher viel besser genießen.
Mehr als nur ein Spiel
Zu guter Letzt dürfen wir eine Sache nicht vergessen: Wir warten jetzt noch fünf Monate auf Cyberpunk 2077, haben dann aber sehr lange Zeit Freude an dem Spiel selbst und allem, was damit verbunden ist. Denn nicht nur, dass CD Projekt fest mit DLCs und sogar einem Multiplayer plant, unserer Liebe zum Cyberpunk-Universum werden wir auch noch abseits des Spiels fröhnen können – und damit meine ich jetzt nicht mal die Pen-and-Paper-Vorlage.
Zum einen startet bereits diesen Herbst eine Comic-Miniserie von Dark Horse namens "Cyberpunk 2077: Trauma Team", die sich um Nadia, die letzte Überlebende einer fehlgeschlagenen Rettungsmission des titelgebenden Trauma Teams, dreht. Zum anderen haben CD Projekt, das japanische Zeichentrickstudio Trigger und Netflix eine Anime-Serie für 2022 angekündigt. Die trägt den Titel "Cyberpunk: Edgerunners", wird zehn Folgen umfassen und eine eigenständige Geschichte innerhalb des Universums des Spiels erzählen. Regie führt Hirroyuki Imaishi, der unter anderem für "Kill la Kill" bekannt ist. Für die Musik zeichnet zudem kein Geringerer als Akira Yamaoka (Silent Hill) verantwortlich.
Cyberpunk 2077 wird also mehr als nur ein Spiel sein. Der Multiplayer könnte das nächste GTA Online werden und würde sich dann über Jahre hinweg halten. Noch dazu plant CD Projekt sicherlich nicht, bloß ein Spiel in dem Szenario zu entwickeln. Wir warten jetzt also noch fünf Monate, werden dann aber voraussichtlich jahrelange Freude mit Cyberpunk haben. Dafür kann man doch wohl noch ein bisschen Geduld aufbringen, oder?